Corona-Langzeitfolgen: Mehr Diabetes bei Kindern nach Covid-19
Kinder und Jugendliche haben nach Covid-19 laut einer aktuellen Analyse ein mehr als doppelt so hohes Risiko, an einer Form von Diabetes zu erkranken. Das berichtet die US-amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC im »Morbidity and Mortality Weekly Report«, in dem die Behörde regelmäßig aktuelle Befunde veröffentlicht. Das Ergebnis basiert auf mehr als 500 000 Datensätzen von positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Personen unter 18 Jahren.
Das Team um Catherine E. Barrett verglich die Häufigkeit von Diabetes in dieser Gruppe mit in Alters- und Geschlechtsverteilung angepassten Kontrollgruppen, die kein Covid-19 hatten. Ein zusätzlich angestellter Vergleich mit Kindern und Jugendlichen, die an einer anderen Atemwegsinfektion erkrankten, zeigte außerdem, dass der Effekt bei diesen nicht auftrat. Das legt nahe, dass bestimmte Eigenschaften von Covid-19 den Effekt verursachen und es sich nicht um eine allgemeine Folge einer Infektion handelt.
Barretts Arbeitsgruppe entnahm die Datensätze für ihre Auswertung zwei kommerziellen Datenbanken in den USA. Dabei fiel auf, dass die Ergebnisse sich je nach Datenbankquelle deutlich unterscheiden: Auf der Basis der Daten des Unternehmens IQVIA würde das Risiko für Diabetes nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 um 166 Prozent höher liegen; legt man die Daten aus der deutlich umfangreicheren Sammlung des Unternehmens HealthVerity zu Grunde, wäre das Risiko lediglich 30 Prozent höher. Der Unterschied gehe möglicherweise darauf zurück, dass die in der zweiten Datenbank gesammelten, zum Vergleich herangezogenen Personen der Kontrollgruppe insgesamt kränker gewesen sein könnten, vermutet das Team des CDC. Allerdings sind beide Anstiege statistisch signifikant.
Fachleute kritisieren die Studie wegen ihrer methodischen Schwächen. Er rate bei der Untersuchung zu Vorsicht, schreibt zum Beispiel der Experte für öffentliche Gesundheit Joseph G. Allen von der Harvard University auf Twitter. Er sieht, wie auch der Diabetesforscher Jeffrey S. Flier, ebenfalls von der Harvard University, die Einschränkungen der Analyse als zu gravierend, als dass die Schlussfolgerungen belastbar wären.
Die Studie ist nur wenig aussagekräftig
Wie das CDC-Team im Bericht selbst anmerkt, unterscheidet die Studie nicht zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes, die sehr unterschiedliche Ursachen haben. Außerdem erfassen die Datenbanken nur Kinder und Jugendliche, die krankenversichert sind – in den USA sind das bei Weitem nicht alle – und medizinische Behandlung suchten. Es ist also unklar, ob die Gruppe repräsentativ ist.
Das größte Problem der Studie ist allerdings, dass mögliche Störfaktoren nicht ausgeschaltet sind, insbesondere Übergewicht. Es ist einerseits bekannt, dass Übergewicht Covid-19 schwerer verlaufen lässt – und die Krankheit dadurch womöglich leichter erkannt wird –, andererseits ist es auch ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes. Man kann also nicht ausschließen, dass übergewichtige Kinder in der Gruppe der mit Sars-CoV-2 infizierten Personen deutlich überrepräsentiert ist, so dass Diabetes allein deswegen dort häufiger auftrat. Die Studie sei »richtig schlecht«, urteilt Allen deswegen.
Erledigt ist das Thema damit allerdings nicht. Mehrere Argumente sprechen dafür, dass an dem Ergebnis etwas dran sein könnte. Einige frühere Studien hatten bereits Indizien ergeben, dass Typ-1-Diabetes nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 häufiger auftritt, eine Beobachtung, die Fachleute schon bei Sars-CoV-1 machten.
Tatsächlich vermuten Fachleute seit Jahren, dass diverse verbreitete virale Infekte die Krankheit auslösen können, bei der eine Autoimmunreaktion die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. So reduziert zum Beispiel die Impfung gegen Rotaviren, die Durchfall und Erbrechen bei Kindern auslösen, gleichzeitig die Häufigkeit von Typ-1-Diabetes bei Geimpften um ein Drittel.
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