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Mikrobiom: Latrinen konservieren Darmflora des Mittelalters

Stuhluntersuchung nach sechs Jahrhunderten: Wie eine Darmflora vor Fast Food und Co aussah, lässt sich offenbar aus dem Sediment zweier mittelalterlicher Latrinen lesen.
Rekonstruierte mittelalterliche Toilette auf einer Burg

Lebensstil und Ernährung haben einen deutlichen Einfluss auf die Mikrobengemeinschaft in unseren Därmen – und zwar nicht unbedingt einen positiven. So werden Veränderungen der Darmflora beispielsweise mit Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht in Verbindung gebracht. Fragt sich nur: Wie sieht eine »natürliche« Darmflora überhaupt aus? Auf der Suche nach Antwort nehmen Wissenschaftler beispielsweise Stuhlproben bei Naturvölkern, deren Lebensstil mutmaßlich dem ursprünglich menschlichen eher entspricht als der des gemeinen Europäers.

Nun haben sich Forscher noch eine weitere Quelle erschlossen: Wie sie in den »Philosophical Transactions of the Royal Society B« schildern, vermittelt auch der Griff ins mittelalterliche Klo einen Eindruck von einer natürlicheren Darmflora. Forscher um Susanna Sabin vom Max-Planck-Institut für die Geschichte der Menschheit in Jena suchten dazu in Sedimenten zweier Latrinen aus dem 14. und 15. Jahrhundert nach der DNA typischer darmbewohnender Bakterien.

Die Latrine aus Riga | Einfach, aber funktional: Diese Latrine stammt aus dem 14. bis 15. Jahrhundert.

Ausgegraben wurden die beiden Plumpsklos im lettischen Riga und in Jerusalem. Weil ihr Inhalt aus dem Darm vieler Menschen stammte, lassen sich so zwar unmöglich Rückschlüsse auf das individuelle Mikrobiom einzelner Personen ziehen, auch weist die Bakterienstatistik der so gewonnenen Proben noch erhebliche Lücken auf, doch grundsätzlich liefert das Verfahren die richtigen Daten: Die DNA hat sich im Milieu der Latrinen offenbar erhalten. »Latrinen scheinen wertvolle Quellen für mikroskopische und mikrobielle Informationen«, sagt Sabins Institutskollegin Kirsten Bos, die ebenfalls an der Untersuchung beteiligt war, in einer Pressemitteilung des MPI.

Auch mit dem Mikroskop werden die Forscherinnen und Forscher dabei fündig. So entdeckt man zwar keine Bakterien, dafür aber Parasiten und ihre Eier, die noch bis vor wenigen Jahrzehnten in menschlichen Därmen allgegenwärtig waren.

Eine erste Zwischenbilanz kann das Team schon ziehen: Die Mikrobiome aus Riga und aus Jerusalem hätten gewisse Gemeinsamkeiten gehabt, sowohl mit der Darmflora moderner Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften als auch mit dem von Menschen in Industrieländern. »Aber sie waren besonders genug, um ihre eigene Gruppe zu bilden«, sagt Sabin. »Wir kennen keine moderne Quelle, die dieselbe mikrobielle Zusammensetzung aufweist.«

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