Vulkanismus: Lava, die wie ein Gletscher fließt
Im Juni 2011 erwachte der chilenische Vulkankomplex Puyehue-Cordón Caulle wieder einmal zum Leben und jagte eine bis zu zehn Kilometer hohe Aschewolke in die Atmosphäre, die anschließend rund um den Erdball driftete und den Flugverkehr mehrfach behinderte. Neben den feinen Partikeln setzte der Feuerberg aber auch Lava frei, die an den Flanken des Vulkans abfloss. Verglichen mit anderen Eruptionen, beispielsweise am Ätna oder Mauna Loa auf Hawaii, geschah dies mit geringer Geschwindigkeit, doch dafür bewegte sich die Gesteinsschmelze auch noch im Januar 2013 vorwärts – knapp zehn Monate nach dem letzten Ausbruch des Cordón Caulle, wie Hugh Tuffen von der Lancaster University und seine Kollegen vor Ort beobachteten.
Zwischen einem und drei Meter bewegt sich der Lavastrom demnach pro Tag noch vorwärts – ähnlich wie ein Gletscher, nur dass im Inneren der 40 Meter hohen Gesteinswalze Temperaturen von 900 Grad Celsius herrschen. Immer wieder kommt es an Rissen und Brüchen der erkalteten Oberfläche zum Ausfließen der heißen Schmelze, was mit dafür sorgt, dass sich die Masse weiterschiebt.
"Die Lava kann sich auch wieder beschleunigen, sobald sie steileres Gelände erreicht. Immer wieder explodiert aber auch gesammeltes Gas in ihrem Inneren – Lava mit einer Magenverstimmung, wenn man es so ausdrücken möchte", sagt Tuffen. Bislang kannte man ähnliche Phänomene wie Ausbrüche aus erkalteter Kruste nur von den heißen basaltischen Lavaformen, die schnell und rot glühend abfließen wie auf Hawaii. Doch die Beobachtung zeigt, dass dies auch für kühlere magmatische Erscheinungen zu gelten scheint. Verursacht wird das Phänomen vom besonderen chemischen Charakter der Lava, die extrem kieselsäurereich und damit zähflüssig ist: Wenn sie erstarrt, entsteht das schwarze vulkanische Glas Obsidian
Tuffen und Co gelang es erstmals, einen der extrem seltenen obsidianischen Lavaströme zu beobachten. Normalerweise treten sie vor allem am Ende der größten und explosivsten Vulkanausbrüche der Erde auf, etwa von Supervulkanen wie dem Mount Toba auf Sumatra oder dem Yellowstone im Westen der USA. Jüngeren Datums ist die Eruption des Katmai-Vulkankomplexes in Alaska 1912; damals war allerdings niemand vor Ort, um die Folgen zu beobachten.
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