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Lawinen: Wie gut schützen Lawinenairbags?

Lawinenairbags sollen im Notfall verhindern, dass Menschen verschüttet werden. Das funktioniert oft gut, sofern sie richtig genutzt werden.
Skifahrerin in den Bergen

Seit Ende Januar häufen sich die Lawinenunfälle in den Alpen, mindestens elf Menschen kamen bisher ums Leben. Allein in Tirol wurden mehrere Dutzend Lawinen gemeldet. Dort herrscht die zweithöchste Gefahrenstufe (Stand: 8. Februar). Damit sie schneller gerettet werden können, tragen die meisten Wintersportler eine Lawinen-Notfallausrüstung bei sich, darunter auch spezielle Rucksäcke mit eingebautem Airbag. Doch wie funktionieren diese Lawinenrucksäcke? Und können sie im Ernstfall Leben retten?

Jährlich sterben im Schnitt 140 Menschen in Europa und Nordamerika durch Lawinen, meist Wintersportler. In mehr als neun von zehn Fällen haben sie die Lawinen selbst ausgelöst, weil sie eine empfindliche Schneedecke befahren haben. Auch in Tirol scheinen schwache Schneedecken die Hauptursache für die anhaltenden Lawinenunglücke zu sein. Entscheidend hierbei ist die obere Schicht, das Schneebrett. Es entsteht, wenn Schnee vom Wind weitertransportiert wird. Dieser so genannte Triebschnee ist weich, unregelmäßig verteilt und schlecht mit der darunterliegenden Schneedecke verbunden. Sammelt sich Triebschnee auf Schneeschichten mit einer instabilen Struktur – zum Beispiel Neuschnee oder Oberflächenreif –, entsteht eine für Lawinen anfällige Schneedecke. Wird sie von Wintersportlern befahren, kann die Last ausreichen, um einen Bruch im Schnee auszulösen. Die Schneemassen brechen dann brettartig auseinander, es entsteht eine »Schneebrettlawine«.

Lawinenunfälle erfordern schnellstmögliche Hilfe. Bereits nach einer Viertelstunde sinkt die Wahrscheinlichkeit rapide, dass Verschüttete überleben – nicht nur, weil sie zu erfrieren drohen oder sich schwer verletzen können. Fast die Hälfte aller Lawinenopfer kommt um, weil sie ersticken. Einerseits blockiert der Schnee die Atemwege. Andererseits kann sich auf Grund der Kälte eine Art Eismaske vor dem Gesicht bilden, so dass die Betroffenen keine Luft mehr holen können. Selbst wenn die verschütteten Menschen anfangs noch Luft bekommen: Unter der Schneedecke ist der Sauerstoffgehalt schnell erschöpft.

Abseits der bekannten Routen sollte deshalb immer eine Notfallausrüstung mitgenommen werden. Dazu zählen Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), Schaufel, Sonde und der im Rucksack integrierte Lawinenairbag. Dieser besteht meist aus zwei Ballons, die zusammengefaltet jeweils links und rechts am Rucksack befestigt sind. Bevor der Träger von einem Schneerutsch erfasst wird, muss er den Lawinenrucksack durch Zug an einem Griff aktivieren. Daraufhin füllen sich die Ballons innerhalb von maximal fünf Sekunden mit 150 bis 200 Litern Stickstoff. Das sorgt dafür, dass die Trägerinnen und Träger an der Schneeoberfläche bleiben, statt vollständig verschüttet zu werden, und ist somit essenziell für ihr Überleben: Etwa die Hälfte der vollständig verschütteten Menschen sterben; nur teilweise Verschüttete hingegen überleben in den meisten Fällen.

Dass der Airbag die Person an der Oberfläche hält, ist dem Paranuss- oder auch Müsli-Effekt zu verdanken. Er beruht auf folgender Beobachtung: Wenn man eine Müslipackung schüttelt, steigen größere Bestandteile wie die halbmondförmigen Paranüsse auf, während kleinere Bestandteile weiter nach unten geraten. Denn durch das Rütteln entstehen Hohlräume, die von kleineren Partikeln – zum Beispiel Haferflocken oder Sonnenblumenkernen – von oben aufgefüllt werden. Paranüsse sind zu groß für diese Lücken. Je länger das Müsli geschüttelt wird, desto näher kommen sie deshalb der Oberfläche. Menschen mit Lawinenairbag werden auf diese Weise im fließenden Schnee nach oben transportiert.

Lawinenairbags fördern Risikobereitschaft

Wie wirksam die Airbags im Ernstfall wirklich sind, haben Forscherinnen und Forscher um Pascal Haegeli im Jahr 2014 untersucht. In ihrer im Fachblatt »Resuscitation« erschienen Studie kamen sie zu dem Schluss, dass Lawinenairbags ihre Träger effektiv schützen. Trotzdem können sie ein Überleben nicht garantieren: Die Auswertungen ergaben, dass durch die Airbags mehr Menschen überlebten, allerdings nicht so viele wie angenommen. Das hing auch davon ab, wie groß die Lawine war und ob die Verschütteten Verletzungen erlitten hatten.

Zudem beeinflusste das Verhalten ihrer Trägerinnen und Träger, wie effektiv die Lawinenairbags waren: Zwar senkten die Spezialrucksäcke das Sterberisiko bei größeren Lawinen von 22 auf 11 Prozent. Dazu mussten die Ballons aber aufgeblasen sein. In einem Fünftel aller Fälle löste das Notfallgerät nicht aus. Das lag überwiegend daran, dass die Betroffenen ihr Gerät nicht rechtzeitig aktiviert hatten, erläuterten die Studienautoren. Ein weiteres Problem war, dass die Airbags ihren Nutzern ein falsches Sicherheitsgefühl gaben, so dass diese mehr Risiken im Schnee eingingen. Die Wissenschaftler empfahlen daher eine bessere Schulung im Umgang mit der Ausrüstung.

Wie gut die Airbags bei kleineren Lawinen funktionieren, konnte Haegelis Team wegen fehlender Daten nicht genau beurteilen. Die Forscher plädierten deshalb dafür, ein standardisiertes Datenprotokoll für Lawinenunfälle einzuführen. Dahingehend hat sich in den letzten Jahren allerdings nicht viel getan. Auch im Jahr 2020 riet Haegeli in einer weiteren Arbeit, ein solches Standardprotokoll einzuführen.

Die aktuellen Lawinenunglücke verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich richtig zu schützen. Dazu gehört neben einwandfreier Ausrüstung immer ein Blick auf den Lawinenlagebericht, bevor es in Gebiete abseits der Piste geht.

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