Darwinjahr 2009: Leben im schwimmenden Sarg
Charles Darwin war ein Naturforscher, wie er im Buch steht: Stets hielt er auf seiner fast fünfjährigen Weltumsegelung die Augen offen nach zoologischen, botanischen oder geologischen Phänomenen. Die Universität Bonn ehrt den Universalgelehrten zu seinem 200. Geburtstag mit zwei Sonderausstellungen zu diesem Thema. Das Goldfuß-Museum bebildert seinen Reiseweg quer über den Globus, auf dem er die Idee einer dynamischen Erde entwickelte. Im Museum Koenig veranschaulichen Exponate und Schriften Darwins gedanklichen Weg hin zu seiner revolutionären Evolutionstheorie.
Kapitän Robert FitzRoys Suche nach einem "naturwissenschaftlich interessierten Gentleman mit bester Ausbildung" als persönlichem Reisebegleiter auf seinem Vermessungsschiff H.M.S. Beagle hatte neben wissenschaftlichem Interesse wohl noch einen weiteren Grund: Der Vorgänger des Kapitäns nahm sich während einer langen Reise das Leben – ein Schicksal, das FitzRoy keinesfalls teilen wollte. Ein angemessener Begleiter musste her, der die einsamen Stunden an Bord verkürzte. Der Theologe Charles Darwin wurde ihm empfohlen und schien mit seinen 22 Jahren der richtige Kandidat für den Job zu sein. Einer seiner Professoren unterbreitete Darwin das Angebot, das ihm sofort abenteuerlich und – obwohl unbezahlt – reizvoll erschien. Er erhoffte sich interessante Entdeckungen im unbekannten Gelände, welches die Beagle vermessen sollte.
Bahnbrechend auch für die Geologie
Zwei Museen der Universität Bonn veranschaulichen mit Sonderausstellungen diese außergewöhnliche Reise in einer Zeit, in der es noch weit gehend unberührte Kontinente zu entdecken gab. Beheimatet im Institut für Geologie widmet sich das Goldfuß-Museum mit seiner Ausstellung "Charles Darwin – Geologe auf Weltreise" ganz den Stationen, die Darwin zu seinen geologischen Theorien inspirierten. Kompasse, Seekarten und Vermessungsinstrumente geben dem Besucher ein Gefühl für das alltägliche Leben an Bord der Beagle. Die einzelnen Etappen von Darwins Reise, auf denen er Erkenntnisse über den Aufbau der Erde sammelte, sind chronologisch dargestellt.
Die Wissenschaft der Erde und die Paläontologie als Blick in die Vergangenheit von Lebewesen steckten zu Darwins Zeit noch in den Kinderschuhen. Die Katastrophentheorie von George Cuvier (1769-1832) galt im 19. Jahrhundert noch bei vielen Naturforschern als gültige Erklärung der Erdvergangenheit. Nach Cuvier wurden alle Lebewesen individuell erschaffen und sind somit unveränderbar. Wiederholte Katastrophen – wie zum Beispiel die biblische Sintflut – führten allerdings zum Aussterben einiger Arten. Der Franzose versuchte seinen Ansatz zu belegen, indem er Schichtenfolgen und darin liegende Fossilien beschrieb und verglich. Ein Gegner von Cuviers Theorie war dagegen der britische Geologe Charles Lyell (1797-1875), dessen Werk Darwin an Bord der Beagle eingehend studierte.
Erdgeschichte zum Anfassen
Am 16. Januar 1832 ging Darwin an den Kapverdischen Inseln an Land. Während des Aufenthalts entdeckte er in den Klippen der Küste ein in 15 Meter Höhe verlaufendes, waagerechtes Muschelschalenband, das man über weite Strecken verfolgen kann. Er sah dadurch Lyells Theorie der langsamen Formung der Landmassen bestätigt. Zeichnungen und Fotografien geben dem Besucher einen Eindruck der Inseln und warum ihr Besuch für Darwin aus geologischer Sicht so bedeutsam war. Insbesondere den hellen Saum aus fossilen Austern bringt das Museum dem Betrachter näher: Eine schmale Spur Schalen klebt auf einem großen Übersichtsbild – Erdgeschichte zum Anfassen.
Darwins daraus folgende Entwürfe zum geologischen Aufbau der Kontinente sowie seine Zeichnungen des Untergrunds liegen im Goldfuß-Museum neben modernen Karten: Die Übereinstimmung ist überraschend groß. Von den beschriebenen Stationen der Reise liegen originale Sandproben in den großen Glaskästen, die dem Besucher einen Eindruck der zahlreichen Strände geben, an denen die Beagle anlegte. In einem geologischen Museum fehlen aber natürlich auch Fossilien nicht: Von winzigen, 15 Millionen Jahre alten Schnecken bis hin zu riesigen Faultierknochen, wie Darwin sie in Südamerika fand, gibt es einiges zu bestaunen.
Forschen unter Platzmangel
Die Besatzung bezeichnete die H.M.S. Beagle wegen ihrer geringen Größe und den zahlreichen präparierten Tieren allgemein als "schwimmenden Sarg". Tatsächlich verstaute Darwin auf der fast fünfjährigen Fahrt 1529 in Spiritus konservierte Arten sowie 3907 Häute, Felle, Knochen und Pflanzen an Bord. Im Museum Koenig geben zahlreiche Kisten und Gefäße mit ausgestopften und eingelegten Tieren einen Eindruck davon, wie Darwin seine Funde organisiert hatte. Anhand einer großen Auswahl präparierter Vögel wird außerdem die Evolutionstheorie gut verständlich erläutert.
Während der Rückreise der Beagle ordnete Darwin seine Aufzeichnungen und erstellte insgesamt 12 Kataloge seiner Sammlungen. Seine zoologischen und geologischen Notizen umfassten weit mehr als 1500 Seiten. Nicht nur seine Abenteuerlust und Ausdauer bestimmten deshalb Darwins Erfolg, sondern auch seine Neigung zum Sammeln und Sortieren. Zusätzlich schrieb Darwin während der Fahrt sein berühmtes Reisetagebuch, das es schließlich auf 770 Seiten brachte. Auch am Ende der langen Fahrt vermerkt er dort noch ebenso fasziniert die "Wunder" der Natur wie am Anfang. Am 12. April 1836 notierte er beispielsweise in sein Reisejournal über die Kokosinseln im Indischen Ozean: "Wir sind überrascht, wenn uns Reisende von den ungeheuren Dimensionen der Pyramiden und anderer großer Ruinen erzählen. Wie völlig nichtssagend sind aber die größten derselben, wenn man sie mit diesen Inseln vergleicht, welche durch die Tätigkeit überaus kleiner und zarter Tiere angehäuft worden sind. Dies ist ein Wunder."
Im Jahr 1831 brachen also FitzRoy, Darwin und über 70 weitere Besatzungsmitglieder von Südengland aus zur Südspitze Südamerikas auf. Trotz ständiger Seekrankheit sammelte Darwin auf der Expedition von Südamerika nach Australien und zurück über Südafrika nach England die entscheidenden Eindrücke wie Ideen, die ihn zu einem der bedeutendsten Naturforscher aller Zeiten machten. 1887 schrieb er rückblickend in seiner Autobiografie: "Die Reise der Beagle ist das bei Weitem bedeutungsvollste Ereignis in meinem Leben gewesen und hat meinen gesamten Werdegang bestimmt."
Bahnbrechend auch für die Geologie
Zwei Museen der Universität Bonn veranschaulichen mit Sonderausstellungen diese außergewöhnliche Reise in einer Zeit, in der es noch weit gehend unberührte Kontinente zu entdecken gab. Beheimatet im Institut für Geologie widmet sich das Goldfuß-Museum mit seiner Ausstellung "Charles Darwin – Geologe auf Weltreise" ganz den Stationen, die Darwin zu seinen geologischen Theorien inspirierten. Kompasse, Seekarten und Vermessungsinstrumente geben dem Besucher ein Gefühl für das alltägliche Leben an Bord der Beagle. Die einzelnen Etappen von Darwins Reise, auf denen er Erkenntnisse über den Aufbau der Erde sammelte, sind chronologisch dargestellt.
Die Wissenschaft der Erde und die Paläontologie als Blick in die Vergangenheit von Lebewesen steckten zu Darwins Zeit noch in den Kinderschuhen. Die Katastrophentheorie von George Cuvier (1769-1832) galt im 19. Jahrhundert noch bei vielen Naturforschern als gültige Erklärung der Erdvergangenheit. Nach Cuvier wurden alle Lebewesen individuell erschaffen und sind somit unveränderbar. Wiederholte Katastrophen – wie zum Beispiel die biblische Sintflut – führten allerdings zum Aussterben einiger Arten. Der Franzose versuchte seinen Ansatz zu belegen, indem er Schichtenfolgen und darin liegende Fossilien beschrieb und verglich. Ein Gegner von Cuviers Theorie war dagegen der britische Geologe Charles Lyell (1797-1875), dessen Werk Darwin an Bord der Beagle eingehend studierte.
Lyell gilt als Begründer der modernen Geologie. Durch die Lektüre seines "Principles of Geology" kam Darwin auf den Gedanken, dass Phänomene wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche – wenn sie nur über einen sehr langen Zeitraum hinweg oft genug vorkommen – enorme Veränderungen bewirken können. Entgegen der Katastrophentheorie habe sich die Erde – und damit auch ihre Bewohner – ganz langsam, durch einzelne Schritte entwickelt und nicht durch Sprünge innerhalb kurzer Zeitspannen. Lyells Idee des Gradualismus faszinierte Darwin, und er begann, seine Umgebung daraufhin zu untersuchen. Vom Schiff aus beobachtete er sowohl kürzlich ausgebrochene Feuerberge als auch längst versunkene Vulkaninseln. Besonders interessierten ihn die abgestorbenen Riffkorallen weit oberhalb des Meeresspiegels. Sozusagen im Vorbeifahren entwickelte er eine Theorie, wie sich die ringförmigen Atolle aus Korallen um versinkende Eilande bilden, die noch heute in Geologievorlesungen gelehrt wird. Die Ausstellung zeigt die langsame Entwicklung eines solchen Atolls anhand anschaulicher Modelle und belegt durch Seekarten, wo Darwin diese Phänomene auf seiner Reise beobachtete.
Erdgeschichte zum Anfassen
Am 16. Januar 1832 ging Darwin an den Kapverdischen Inseln an Land. Während des Aufenthalts entdeckte er in den Klippen der Küste ein in 15 Meter Höhe verlaufendes, waagerechtes Muschelschalenband, das man über weite Strecken verfolgen kann. Er sah dadurch Lyells Theorie der langsamen Formung der Landmassen bestätigt. Zeichnungen und Fotografien geben dem Besucher einen Eindruck der Inseln und warum ihr Besuch für Darwin aus geologischer Sicht so bedeutsam war. Insbesondere den hellen Saum aus fossilen Austern bringt das Museum dem Betrachter näher: Eine schmale Spur Schalen klebt auf einem großen Übersichtsbild – Erdgeschichte zum Anfassen.
Darwins daraus folgende Entwürfe zum geologischen Aufbau der Kontinente sowie seine Zeichnungen des Untergrunds liegen im Goldfuß-Museum neben modernen Karten: Die Übereinstimmung ist überraschend groß. Von den beschriebenen Stationen der Reise liegen originale Sandproben in den großen Glaskästen, die dem Besucher einen Eindruck der zahlreichen Strände geben, an denen die Beagle anlegte. In einem geologischen Museum fehlen aber natürlich auch Fossilien nicht: Von winzigen, 15 Millionen Jahre alten Schnecken bis hin zu riesigen Faultierknochen, wie Darwin sie in Südamerika fand, gibt es einiges zu bestaunen.
Die Idee einer dynamischen Erde, die Darwin auf seiner Weltumsegelung entwickelte, diente ihm als Grundlage für seine Evolutionstheorie. Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig bebildert mit seiner Sonderausstellung "Darwin und die Entstehung der Arten" die Aspekte der Reise, die ihn zu seiner berühmtesten Theorie inspirierten. Das alltägliche Leben an Bord der Beagle bestand für ihn zum großen Teil daraus, die zahlreichen Funde zu katalogisieren, auf die er in seinem Reisejournal immer wieder Bezug nahm. Mit zwei Offizieren teilte sich Darwin den nur zehn Quadratmeter kleinen Kartenraum, in dem er nicht einmal aufrecht stehen konnte. Er schlief in einer Hängematte direkt über dem Tisch, den er auch zum Präparieren und Konservieren seiner Sammelstücke benutzte.
Forschen unter Platzmangel
Die Besatzung bezeichnete die H.M.S. Beagle wegen ihrer geringen Größe und den zahlreichen präparierten Tieren allgemein als "schwimmenden Sarg". Tatsächlich verstaute Darwin auf der fast fünfjährigen Fahrt 1529 in Spiritus konservierte Arten sowie 3907 Häute, Felle, Knochen und Pflanzen an Bord. Im Museum Koenig geben zahlreiche Kisten und Gefäße mit ausgestopften und eingelegten Tieren einen Eindruck davon, wie Darwin seine Funde organisiert hatte. Anhand einer großen Auswahl präparierter Vögel wird außerdem die Evolutionstheorie gut verständlich erläutert.
Während der Rückreise der Beagle ordnete Darwin seine Aufzeichnungen und erstellte insgesamt 12 Kataloge seiner Sammlungen. Seine zoologischen und geologischen Notizen umfassten weit mehr als 1500 Seiten. Nicht nur seine Abenteuerlust und Ausdauer bestimmten deshalb Darwins Erfolg, sondern auch seine Neigung zum Sammeln und Sortieren. Zusätzlich schrieb Darwin während der Fahrt sein berühmtes Reisetagebuch, das es schließlich auf 770 Seiten brachte. Auch am Ende der langen Fahrt vermerkt er dort noch ebenso fasziniert die "Wunder" der Natur wie am Anfang. Am 12. April 1836 notierte er beispielsweise in sein Reisejournal über die Kokosinseln im Indischen Ozean: "Wir sind überrascht, wenn uns Reisende von den ungeheuren Dimensionen der Pyramiden und anderer großer Ruinen erzählen. Wie völlig nichtssagend sind aber die größten derselben, wenn man sie mit diesen Inseln vergleicht, welche durch die Tätigkeit überaus kleiner und zarter Tiere angehäuft worden sind. Dies ist ein Wunder."
Die Universität Bonn ehrt den Universalgelehrten mit ihren Ausstellungen im Jahr 2009 nicht zum ersten Mal. Zur 50-jährigen Jubelfeier der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität im Jahr 1868 verlieh die Universität bereits die Ehrendoktorwürde an Charles Darwin. Das war neun Jahre, nachdem "On the Origin of Species" erschienen war, die Darwin schlagartig berühmt gemacht hatte. Seine Aktualität hat das Werk bis heute nicht verloren, denn kaum eine wissenschaftliche Abhandlung veränderte das Weltbild des Menschen so eindringlich. Wer interessiert ist an Darwins Zeichnungen und Karten, seinen Kisten voller präparierter Tiere oder einfach nur gerne etwas über das Leben an Bord der Beagle erfahren möchte, der sollte sich die Bonner Museen nicht entgehen lassen. Die Sonderausstellungen laufen noch bis zum 24. Januar 2010.
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