Polarforschung: Leben in der Antarktis
Um Deutschlands Forschung in der Antarktis auch in der kalten Jahreszeit zu sichern, ziehen jedes Jahr neun Überwinterer in die dortige Neumayer-Station. Sie halten die Observatorien in Schuss, nehmen Messungen vor. Und leben 15 Monate lang an einem der unwirtlichsten Orte der Erde.
Knapp ein Jahr sind sie nun da. Ein Jahr im ewigen Eis auf der Neumayer-Station in der Antarktis. Position: 70°39' Süd, 08°15' West. "Einen freien Tag hatte ich während der gesamten Zeit nicht", sagt Julia Wittig, Meteorologin von der Universität Innsbruck. Sie ist eine von neun Überwinterern auf der Forschungsstation in der Nähe des Südpols. Im Auftrag des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI) hält sie zusammen mit ihren Kollegen den Forschungsbetrieb vor Ort am Laufen.
Stahlröhren im Eis
Als Wohn- und Arbeitsstätte dienen ihnen zwei Stahlröhren, je neunzig Meter lang und acht Meter breit, verbunden durch einen Zwischengang. Sie wurden 1992 auf das Ekström-Schelfeis in der Akta-Bucht am nordöstlichen Weddell-Meer gebaut. In diese Röhren sind Container montiert, die den Forschern als Labore, Schlafstätten und Aufenthaltsräume dienen. Inzwischen hat sich eine dicke Schneelast über die Röhren gelegt – die Neumayer-Station gleicht nun einer unterirdischen Höhle. Wer ans Tageslicht will, muss jedes Mal knapp einhundert Treppenstufen bewältigen. "Dieses mehrmalige Treppensteigen ist eigentlich das Einzige, was mich hier nervt", meint Wittig.
Ihre Aufgabe ist es, die Observatorien und die Station in Schuss zu halten und sich um die täglichen Messungen zu kümmern. Zusätzlich müssen diese Mitarbeiter jedoch auch für das tägliche Überleben sorgen. "Neben der Routinearbeit steht täglich der so genannte Schmelzendienst an", erklärt die 26-jährige Julia Wittig: Schnee wird in die Schmelze geschippt, um so für Frischwasser zu sorgen.
Extrembelastung für Mensch und Maschine
Anders als die Geräte konnten er und seine Kollegen sich inzwischen ein wenig an die Kälte gewöhnen. "Mir wird das immer wieder bewusst, wenn ich vor dem Thermometer stehe und bei minus 15 Grad Celsius denke: 'Mensch, ist das heute warm!'", sagt Heinzius. "Wenn ich dann vor die Tür gehe und tatsächlich Schal und Mütze ausziehen muss, frage ich mich schon manchmal, wie das werden wird, wenn ich wieder zu Hause bin." Seine Kollegin Julia Wittig jedoch widerspricht: "Meine Finger werden immer noch sehr schnell zu kalt."
Gefährlich wird es auch, wenn es zu Schneestürmen kommt. Ab Windgeschwindigkeiten von 40 oder 50 Kilometern pro Stunde wirbelt der lose Schnee auf. Wird der Wind noch stärker, behindert starkes Schneetreiben die Sicht. Wer dann vor die Tür muss, weil er etwa Messungen vornehmen oder die Garageneinfahrt freischaufeln muss, wird mit Funk und GPS ausgestattet und darf sich nur noch an Handlaufleinen entlanghangeln, die auf dem gesamten Gelände abgesteckt sind. Zur Sicherheit gehen in solchen Fällen nur Zweier-Teams vor die Tür.
Selbstgebauter Pool als Luxus
Unter ihnen selbst sei es trotz der Enge aber noch nicht zu gravierenden Konflikten gekommen, berichten Heinzius und Wittig. Zwar gebe es hin und wieder schon mal Reibereien, und mancher Kollege entwickele in der Abgeschiedenheit kleinere Eigenheiten. "Aber ich vergleiche das Leben hier mit dem Leben zu Hause", sagt die Meteorologin. "Auch da kann es mit manchen Menschen anstrengend werden."
Zudem bietet die Neumayer-Station ihren Bewohnern auch einige Annehmlichkeiten, um die Kälte und die Enge hin und wieder abzuschütteln. So gibt es einen Fitnessraum, eine Sauna – und dank dem erfinderischen Einsatz von Benjamin Heinzius seit einigen Monaten auch einen kleinen Pool, erbaut aus Restholz und geheizt mit der Abwärme der Dieselgeneratoren. Die größte Entschädigung für die Strapazen sei allerdings die Natur, freut sich Julia Wittig. "Ich genieße die Einmaligkeit der Antarktis: die Abgeschiedenheit, die Einsamkeit, das Weiß und die Pinguine!"
"Und mein Geburtstag hier war wohl der gelungenste meines Lebens", fügt Benjamin Heinzius an. Er war im September mit vier Kollegen auf der so genannten Traverse, einer zehntägigen Fahrt zu zwei seismischen Außenstationen. Seine Kollegen schmuggelten eine selbst gebackene Marzipantorte mit, dank der Außentemperaturen tiefgefroren. Abends gab es dann noch ein kleines Lagerfeuer. "Bei minus 35 Grad Celsius draußen zu stehen, Würstchen zu grillen und den Mondaufgang anzusehen, war ein krönender Abschluss des Tages", schwärmt Heinzius.
Ein neues Zuhause
In wenigen Wochen ist es mit der Einsamkeit wieder vorbei. Der antarktische Sommer steht vor der Tür. Mit ihm kommen die Gastforscher und das neue Überwinterer-Team. Den alten Hasen bleiben drei Monate, um die Neuankömmlinge mit allem vertraut zu machen, bevor sie dann zusammen mit den Gastforschern endgültig abreisen.
Seit 1981 messen Wissenschaftler des AWI hier Temperatur- und Wetterdaten, untersuchen die Atmosphärenchemie und überwachen seismische Aktivitäten und Änderungen im Magnetfeld der Erde. Damit die Untersuchungen auch während der unwirtlichen Winterzeit fortgeführt werden können, zieht jedes Jahr eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern, Technikern, einem Arzt und einem Koch in die Antarktis. Sie bleiben 15 Monate – und leben so lange fernab der Zivilisation, getrennt von ihren Familien und Freunden.
Stahlröhren im Eis
Als Wohn- und Arbeitsstätte dienen ihnen zwei Stahlröhren, je neunzig Meter lang und acht Meter breit, verbunden durch einen Zwischengang. Sie wurden 1992 auf das Ekström-Schelfeis in der Akta-Bucht am nordöstlichen Weddell-Meer gebaut. In diese Röhren sind Container montiert, die den Forschern als Labore, Schlafstätten und Aufenthaltsräume dienen. Inzwischen hat sich eine dicke Schneelast über die Röhren gelegt – die Neumayer-Station gleicht nun einer unterirdischen Höhle. Wer ans Tageslicht will, muss jedes Mal knapp einhundert Treppenstufen bewältigen. "Dieses mehrmalige Treppensteigen ist eigentlich das Einzige, was mich hier nervt", meint Wittig.
Die meiste Zeit des Jahres sind die Überwinterer auf sich gestellt. Zwar herrscht im antarktischen Sommer meist Trubel in und um die unterirdische Station: Gastforscher ziehen in die Zimmer und in rote Wohncontainer auf dem Gelände, um bei Höchsttemperaturen um null Grad Celsius verschiedenste Untersuchungen durchzuführen. Der Sommer jedoch dauert nur von November bis Ende Februar. Danach kehrt Ruhe ein auf der Neumayer-Station, die Überwinterer bleiben allein zurück. Während dieser neun Monate sind sie nur via Funk und Internet mit der Außenwelt verbunden.
Ihre Aufgabe ist es, die Observatorien und die Station in Schuss zu halten und sich um die täglichen Messungen zu kümmern. Zusätzlich müssen diese Mitarbeiter jedoch auch für das tägliche Überleben sorgen. "Neben der Routinearbeit steht täglich der so genannte Schmelzendienst an", erklärt die 26-jährige Julia Wittig: Schnee wird in die Schmelze geschippt, um so für Frischwasser zu sorgen.
Extrembelastung für Mensch und Maschine
Auch die Dieselgeneratoren, die kleine Windkraftanlage und die Kläranlage der Forschungsstation müssen regelmäßig gewartet werden. Das ist die Aufgabe von Benjamin Heinzius. Der 31-Jährige arbeitet als Stationsingenieur auf der Neumayer-Station. Zusammen mit einem Elektriker und einem Funker sorgt er für die reibungslose Funktion der Technik vor Ort. Vor allem die Schneefahrzeuge sind wartungsintensiv. "Die Kälte macht nicht nur den Menschen hier zu schaffen, sondern auch den Maschinen", weist Heinzius auf seine Problemfälle.
Anders als die Geräte konnten er und seine Kollegen sich inzwischen ein wenig an die Kälte gewöhnen. "Mir wird das immer wieder bewusst, wenn ich vor dem Thermometer stehe und bei minus 15 Grad Celsius denke: 'Mensch, ist das heute warm!'", sagt Heinzius. "Wenn ich dann vor die Tür gehe und tatsächlich Schal und Mütze ausziehen muss, frage ich mich schon manchmal, wie das werden wird, wenn ich wieder zu Hause bin." Seine Kollegin Julia Wittig jedoch widerspricht: "Meine Finger werden immer noch sehr schnell zu kalt."
Die extremen Bedingungen in der Antarktis erfordern ohnehin zahlreiche Schutzmaßnahmen. Neben der mehrlagigen Thermokleidung und dem roten Kälteschutz-Overall ist wegen des Ozonloches eine Skibrille obligatorisch. "Trägt man die nicht, merkt man abends an den brennenden und tränenden Augen, dass man etwas falsch gemacht hat", warnt Heinzius.
Gefährlich wird es auch, wenn es zu Schneestürmen kommt. Ab Windgeschwindigkeiten von 40 oder 50 Kilometern pro Stunde wirbelt der lose Schnee auf. Wird der Wind noch stärker, behindert starkes Schneetreiben die Sicht. Wer dann vor die Tür muss, weil er etwa Messungen vornehmen oder die Garageneinfahrt freischaufeln muss, wird mit Funk und GPS ausgestattet und darf sich nur noch an Handlaufleinen entlanghangeln, die auf dem gesamten Gelände abgesteckt sind. Zur Sicherheit gehen in solchen Fällen nur Zweier-Teams vor die Tür.
Selbstgebauter Pool als Luxus
Die Distanz zu Familie und Freunden macht den Isolierten am meisten zu schaffen. Zwar gibt es Telefon, Funk und das Internet. Aber gerade an Feier- oder Geburtstagen ist die Trennung doch hart. "Zu besonderen Gelegenheiten könne wir darum auch kleine Videobotschaften aufnehmen und nach Hause senden", erzählt Heinzius. Er selbst hat kürzlich eine solche an seinen Sohn geschickt, der in diesem Jahr ohne seinen Vater Geburtstag feiern musste.
Unter ihnen selbst sei es trotz der Enge aber noch nicht zu gravierenden Konflikten gekommen, berichten Heinzius und Wittig. Zwar gebe es hin und wieder schon mal Reibereien, und mancher Kollege entwickele in der Abgeschiedenheit kleinere Eigenheiten. "Aber ich vergleiche das Leben hier mit dem Leben zu Hause", sagt die Meteorologin. "Auch da kann es mit manchen Menschen anstrengend werden."
Zudem bietet die Neumayer-Station ihren Bewohnern auch einige Annehmlichkeiten, um die Kälte und die Enge hin und wieder abzuschütteln. So gibt es einen Fitnessraum, eine Sauna – und dank dem erfinderischen Einsatz von Benjamin Heinzius seit einigen Monaten auch einen kleinen Pool, erbaut aus Restholz und geheizt mit der Abwärme der Dieselgeneratoren. Die größte Entschädigung für die Strapazen sei allerdings die Natur, freut sich Julia Wittig. "Ich genieße die Einmaligkeit der Antarktis: die Abgeschiedenheit, die Einsamkeit, das Weiß und die Pinguine!"
"Und mein Geburtstag hier war wohl der gelungenste meines Lebens", fügt Benjamin Heinzius an. Er war im September mit vier Kollegen auf der so genannten Traverse, einer zehntägigen Fahrt zu zwei seismischen Außenstationen. Seine Kollegen schmuggelten eine selbst gebackene Marzipantorte mit, dank der Außentemperaturen tiefgefroren. Abends gab es dann noch ein kleines Lagerfeuer. "Bei minus 35 Grad Celsius draußen zu stehen, Würstchen zu grillen und den Mondaufgang anzusehen, war ein krönender Abschluss des Tages", schwärmt Heinzius.
Ein neues Zuhause
In wenigen Wochen ist es mit der Einsamkeit wieder vorbei. Der antarktische Sommer steht vor der Tür. Mit ihm kommen die Gastforscher und das neue Überwinterer-Team. Den alten Hasen bleiben drei Monate, um die Neuankömmlinge mit allem vertraut zu machen, bevor sie dann zusammen mit den Gastforschern endgültig abreisen.
Und in diesem Jahr kommen zusätzlich auch einige Bauarbeiter. Denn die alten Wohnröhren werden durch eine überirdische Forschungsstation ersetzt. Anfang 2009 müssen die neuen Einsiedler ihre Umgebung von der warmen Stube aus nicht mehr mit einer Webcam betrachten. Sie können einfach aus dem Fenster schauen.
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