Kosmologie: Leben wir in einem besonderen Teil des Universums?
Seit die Menschen begonnen haben, durch Teleskope in den Himmel zu blicken, haben wir nach und nach entdeckt, dass wir aus himmlischer Sicht anscheinend nicht so besonders sind. Es stellte sich heraus, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Sie war nicht einmal das Zentrum des Sonnensystems! Das Sonnensystem war leider auch nicht das Zentrum des Universums. Vielmehr gab es viele ähnliche Sternensysteme, die zusammen eine Galaxie bildeten. Und siehe da, die Galaxie war nichts Besonderes, sondern eine von vielen, die alle ihr eigenes Sonnensystem hatten, das auch Planeten hatte, von denen einige vermutlich ihr eigenes Ensemble egoistischer Wesen mit einem übersteigerten Gefühl kosmischer Bedeutung beherbergten.
Diese Vorstellung von Mittelmäßigkeit ist in die Kosmologie eingeflossen, und zwar in Form des »kosmologischen Prinzips«. Es besagt, dass das Universum im Grunde überall, wohin wir auch schauen, gleich ist – homogenisiert wie Milch, hergestellt aus gemeinsamen Materialien, die gleichmäßig in alle Richtungen verteilt sind. An der Spitze der kosmischen Hierarchie verklumpen riesige Galaxiengruppen zu ausgedehnten, materiereichen Filamenten und Bahnen um aufklaffende intergalaktische Leerräume, aber dahinter scheint die Struktur zu versiegen. Wenn man weit herauszoomen und das Gesamtbild des Universums betrachten könnte, sagt Alexia Lopez von der University of Central Lancashire in England, »würde es sehr glatt aussehen«.
Lopez vergleicht den Kosmos mit einem Strand: Wenn man eine Handvoll Sand unter ein Mikroskop legen würde, sähen die Sandkörner aus wie die besonderen Individuen, die sie sind. »Man würde die verschiedenen Farben, Formen und Größen sehen«, sagt sie. »Aber wenn man über den Strand geht und auf die Sanddünen schaut, sieht man nur eine einheitliche gold-beige Farbe.«
Das bedeutet, dass die Erde (oder einer der anderen Billionen von Planeten, die es geben muss) und ihre winzige Ecke des Kosmos im Vergleich zu allem anderen keinen besonders privilegierten Platz einzunehmen scheinen. Diese Homogenität kommt den Astronomen entgegen, denn sie erlaubt es ihnen, das Universum in Teilen zu betrachten, um daraus verlässliche Rückschlüsse auf das Ganze zu ziehen: Ob hier in der Milchstraße oder in einer namenlosen Galaxie, die Milliarden von Lichtjahren entfernt ist, sollten im Wesentlichen die gleichen Bedingungen herrschen.
Dieses vereinfachende Ethos gilt für alles, vom Verständnis, wie dunkle Materie Galaxienhaufen beschwert, bis hin zur Abschätzung, wie verbreitet lebensfreundliche Bedingungen im gesamten Kosmos sein könnten, und es erlaubt den Astronomen, ihre mathematischen Modelle der Vergangenheit des Universums ebenso zu vereinfachen wie ihre Vorhersagen über seine Zukunft. »Alles basiert auf der Vorstellung, dass [das kosmologische Prinzip] wahr ist«, sagt Lopez. »Es ist aber auch eine sehr vage Annahme. Es ist also wirklich schwer, sie zu überprüfen.«
Eine Validierung ist insbesondere dann schwierig, wenn es signifikante Beweise für das Gegenteil gibt – und eine Reihe neuerer Beobachtungen legt in der Tat nahe, dass das Universum eigenartiger sein und größere Variationen aufweisen könnte, als die Kosmologen bisher angenommen haben.
Wenn das der Fall ist, könnten die Menschen (und alle anderen da draußen) tatsächlich eine besondere Sicht auf die Lichtjahre jenseits der Erde haben – nicht privilegiert, aber auch nicht durchschnittlich, da »durchschnittlich« bei ausreichend großen Maßstäben nicht einmal mehr ein sinnvolles Konzept wäre. »Verschiedene Beobachter sehen möglicherweise leicht unterschiedliche Universen«, zumindest in großen Maßstäben, sagt Valerio Marra, Professor an der Bundesuniversität von Espírito Santo in Brasilien und Forscher am Astronomischen Observatorium Triest in Italien.
Die Astronomen haben das kosmologische Prinzip noch nicht über Bord geworfen, aber sie sammeln Hinweise auf seine möglichen Schwächen. Ein Ansatz besteht darin, nach Strukturen zu suchen, die so groß sind, dass sie die kosmische Gleichmäßigkeit selbst bei einem sehr weiten Zoom in Frage stellen. Wissenschaftler haben errechnet, dass alles, was größer als 1,2 Milliarden Lichtjahre ist, das homogene kosmologische Prinzip über den Haufen werfen würde.
Und Astronomen haben einiges gefunden. Lopez zum Beispiel hat ein Ungetüm namens Giant Arc entdeckt – eine Kurve von Galaxien, die sich über 3,3 Milliarden Lichtjahre erstreckt. Sie entdeckte auch den Big Ring, einen Torus aus Galaxien mit einem Durchmesser von etwa 1,3 Milliarden Lichtjahren und einem Umfang von vier Milliarden. Die beiden Eigentümlichkeiten liegen nahe beieinander und könnten selbst zu einer noch größeren Struktur verbunden sein.
Auch das Studium der Kosmologie selbst gibt Anlass, das kosmologische Prinzip in Frage zu stellen. So weist das vom Urknall übrig gebliebene Licht, die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung, einige mysteriöse großräumige Schwankungen auf, die nicht völlig zufällig erscheinen, bemerkt Dragan Huterer, Kosmologe an der Universität Michigan. »Das wurde nie zufriedenstellend erklärt«, sagt er.
Einige Forschende haben argumentiert, dass solche potenziellen Anfechtungen des kosmologischen Prinzips durch ein anderes Prinzip erklärt werden könnten, die kosmische Varianz, die sich auf die statistische Unsicherheit bezieht, die den Messungen der Astronomen im Universum innewohnt. Wir sind immer durch das begrenzt, was wir sehen können, und daher immer mathematisch unsicher, welche Schlussfolgerungen wir aus einer begrenzten Stichprobe ziehen können. Vielleicht sind die von den Astronomen beobachteten Schwankungen einfach das Ergebnis von Unvollständigkeit und spiegeln nicht wirklich die Eigenschaften des Universums wider; vielleicht würde das, was wie eine anomale Beule in der kosmischen Glätte aussieht, abflachen, wenn man es mit einem unbeobachteten Teil des Kosmos vergleicht, der an den für uns sichtbaren Inhalt angrenzt.
Und wenn es darum geht, ausreichend große Bereiche des Universums zu untersuchen, sind die Kosmologen in der Tat sehr eingeschränkt: Das beobachtbare Universum ist nicht besonders groß. »Wenn Sie sagen: ›Ich werde die Form von Galaxien untersuchen‹, dann haben Sie Glück: Es gibt Milliarden und Abermilliarden von Galaxien im Universum. Sie können Ihre Fragen mit Hilfe der Statistik beantworten, und Ihre Stichprobenvarianz wird sehr klein sein«, sagt Huterer. In größeren Maßstäben gibt es nur wenige Beispiele, weil das beobachtbare Universum in nur wenige große Abschnitte unterteilt ist.
Marra dachte eine Zeit lang, dass bestimmte kosmologische Diskrepanzen auf die kosmische Varianz zurückzuführen sein könnten. Laut seinen und anderen Berechnungen reicht diese Erklärung aber nicht mehr aus.
Dennoch halten die meisten kosmischen Beobachtungen dem kosmologischen Prinzip sehr gut stand. Obwohl die Wissenschaftler also über genügend Informationen verfügen, um die Gültigkeit des kosmologischen Prinzips in Frage zu stellen, sind sie keineswegs bereit, es aufzugeben – vor allem, weil niemand ein solides alternatives Schema hat, das es ersetzen könnte.
»Es gibt keinen schlagenden Beweis für die Verletzung des Prinzips«, sagt Huterer. »Allerdings gibt es einige sehr interessante Anomalien.«
Trotzdem ist es ein schwer zu entschlüsselndes Problem, was der Natur der Kosmologie entspringt. »Anders als bei einem Laborexperiment, das man immer und immer wieder durchführen kann«, sagt Huterer, »hat man nur ein einziges Universum.«
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