Lebenserwartung und Krebs: Dunkle DNA reguliert Alterungsbremse der Zellen
Die lange als merkwürdig und überflüssig angesehenen »dunklen« oder »Junk«-DNA-Abschnitte des Erbguts übernehmen wichtige Aufgaben in der Zelle, wie sich in den letzten Jahren herauskristallisiert hat. Dazu gehört offenbar auch ein Mitwirken beim Altern von Zellen und des gesamten Organismus, berichtet ein Team um Jiyue Zhu von der Washington State University im Fachmagazin »PNAS«.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Region VNTR2-1 untersucht, eine Sequenz, die nicht im proteincodierenden Bereich des menschlichen Erbguts liegt. Sie reguliert wohl, wie aktiv das Telomerase-Gen abgelesen wird – die Bauanleitung eines sehr wichtigen Enzyms, das großen Einfluss auf die Lebensdauer der Chromosomen und damit auf die Alterung von Zellen hat. Die Telomerase verlängert die Enden der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung ein wenig kürzer werden, bis sie am Ende des Lebens der Zelle nicht mehr ordentlich vervielfältigt und ohne Fehler abgelesen werden können. Bislang war unklar, wie die Funktion dieses unverzichtbaren Zellreparaturwerkzeugs hochgefahren oder gebremst wird, was auch bei bestimmten Krebserkrankungen eine Rolle spielt.
Zhu und Kollegen hatten bei Krebszelllinien von Mäusen und Menschen verschiedene Abschnitte des nicht codierenden Erbguts mit unbekannter Funktion versuchsweise entfernt. Dabei fiel die Region VNTR2-1 ins Auge: Fehlte sie, so verkürze sich die Telomere aller Zellen rascher und ließen sie schneller altern; Tumoren wuchsen dagegen deutlich langsamer. Die Forscher machten sich nun in einer Datenbank mit Erbgutsequenzen von Menschen europäischer und afrikanischer Abstammung auf die Suche nach einer Bedeutung von VNTR2-1.
Tatsächlich ist der Abschnitt in der DNA der verschiedenen Spender unterschiedlich lang: Typische Sequenzen wiederholen sich zwischen 53- und 160-mal, was die statistische Auswertung belegt. Die Länge korreliert zudem mit der Lebenserwartung, wie eine weitere Auswertung zeigt, bei der die Wissenschaftler die DNA von hochbetagten Erbgutspendern analysiert haben, die zwischen 1988 und 2008 über 100 Jahre alt geworden sind. In dieser Altersgruppe finden sich im Vergleich weniger Menschen mit eher kurzen VNTR2-1-Sequenzen als im Rest der Bevölkerung.
Es sei allerdings zu früh, um eindeutig zu sagen, wie ein kurzer VNTR2-1-Abschnitt im nicht codierenden Erbgut die Lebenszeit verändert, sagt Zhu. Zwar sei die Telomerase in solchen Zellen weniger aktiv, dies könne aber auch positiv sein, weil es dafür sorgt, dass die Vermehrung von Krebszellen gebremst wird und Tumoren langsamer wachsen. Womöglich bekommen Menschen mit weniger aktiver Telomerase also seltener oder weniger lebensgefährliche Krebserkrankungen. Mit Blick auf die Forschung an Krebsursachen sei es jedenfalls unbedingt nötig, die lange wenig beachtete »Junk«-DNA in den Blick zu nehmen: Auch hier könnten Mutationen folgenschwer sein und bisher übersehene Krebsursachen lauern.
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