Naturschutz: Lebensrettender Handel
Tigerknochen, Bärengallen, Billardkugeln aus Elfenbein: Kommerzielle Begehrlichkeiten bekommen den meisten Tierarten nicht gut, gefährden sie oder rotten sie gar aus. Einer kleinen Schneckenart aus der Südsee sicherte der Mensch aber dadurch vielleicht das Überleben.
Was die Darwin-Finken für Galapagos, die Kleidervögel für die Hawaii-Inseln oder Buntbarsche für ostafrikanische Seen sind, bedeuten die Baumschnecken der Gattung Partula für die Inselwelten Französisch-Polynesiens und angrenzender Eilande: ein Musterbeispiel der Evolution für die Entwicklung neuer Arten. Aus wenigen, auf Treibgut an den Strand geschwemmten oder an Vogelfüßen haftenden fortpflanzungsfähigen Schnecken entstanden im Laufe der Zeit, in einem als adaptive Radiation bezeichneten Prozess, insgesamt 120 einzigartige Molluskenarten – jede von ihnen perfekt an eine eigene ökologische Nische angepasst.
Prekäre Lage
Für viele Partula-Schnecken begann dieses biologische Versäumnis in den 1960er Jahren langsam fatal zu wirken: Damals wollte ein findiger Landwirt auf der Insel Moorea nahe Tahiti die bis zu dreißig Zentimeter langen Großen Achatschnecken (Achatina fulica) aus Ostafrika kommerziell züchten, um ihr Fleisch gewinnbringend zu vermarkten. Dieses Unternehmen schlug jedoch kurze Zeit später fehl, was den Farmer dazu veranlasste seine restlichen Mollusken in der freien Natur zu entsorgen. Ohne natürliche Feinde vermehrte sich die Art dort nach gewisser Anlaufzeit rasch wie umfassend und begann sich bald massenhaft an den Feldprodukten der lokalen Bauern zu delektieren.
Als biologische Schädlingsbekämpfung führten diese deshalb ein weiteres Weichtier ein, das unter den Achatschnecken aufräumen sollte: die amerikanische Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea). Doch statt des Schädlings – er entpuppte sich als zu groß für den auf Artverwandte spezialisierten Räuber – vertilgte er nun die zarten Partulas, die genau den richtige Happen bildeten. Und während die Bestände der beiden Invasoren in die Höhe schossen, wurden die lokalen Endemiten von zwei Seiten in die Zange genommen: Die einen fraßen ihnen das Futter weg, die anderen verzehrten sie gleich selbst. Was folgte war ein regelrechtes Massaker, an dessen Ende 1987 alle einheimischen Baumschnecken Mooreas als vor Ort ausgestorben oder verschollen galten.
Ähnlich verheerend entwickelte sich die Situation auf Tahiti und anderen Gesellschaftsinseln aus, da auch dort exotische Neuankömmlinge und Naturzerstörung die einzigartigen Baumschnecken verdrängen: Etwa die Hälfte der bekannten 120 Spezies soll heute zumindest in freier Wildbahn ausgerottet sein. Doch wie Wissenschaftler um Diarmaid Ó Foighil von der Universität von Michigan in Ann Arbor herausgefunden haben, tat der Mensch immerhin einer der ursprünglichen Arten früher etwas Gutes – indem er sie handelte. Die Art Partula hyalina war jedenfalls nicht immer so selten wie heute und stieg wegen ihres schmucken Äußeren zum Zahlungsmittel und Schmuckstück in Polynesien auf: Ihre ästhetischen, leuchtend weißen Gehäuse machten sie zu begehrter Ware, die zu Ketten und anderen Preziosen verarbeitet wurden.
Begehrte Ware
Folglich wurde sie auch mit anderen Eilanden ausgetauscht und diente als Zahlungsmittel: Bis zu einer Distanz von 1000 Kilometern zu Tahiti finden sich Schalen oder zierende Artefakte, die von den kleinen Mollusken stammen und auf einen regen Warentransfer schließen lassen – quasi alle anderen Baumschnecken sind normalerweise einzig auf ihre Heimatinsel beschränkt. Natürliche Ausbreitung kann deshalb ausgeschlossen werden, obwohl die Malakologen auf vielen Inseln der abgelegenen Austral- und Cook-Gruppe bei ihren Nachforschungen auch auf lebende Partula hyalina stießen. Genetische Untersuchungen belegen jedoch enge Verwandtschaften mit den Tieren der ursprünglichen tahitischen Heimat, die sich bis in einzelne Täler des Eilands zurückverfolgen lassen.
Für die Art war die kommerzielle Verschleppung jedoch ein Glücksfall, denn so entkamen ihre Exilbestände den gefräßigen Wolfsschnecken, die in der alten Heimat unter den Artgenossen und der verwandten Partula clara – sie war wegen ihres hell- bis dunkelbraunen Gehäuses kaum begehrt – aufräumten. Beide wandeln heute in kleiner Zahl nur noch in wenigen Tälern Tahitis am Rande des Aussterbens, während die emigrierten Partula hyalina als einzige von 61 Baumschneckenarten der Gesellschaftsinseln unversehrt prosperieren.
Immerhin gibt es aber auch für den bedrohten Teil dieser Weichtierfauna einen leichten Hoffnungsschimmer: Als sich das nahe Ende vieler Baumschneckenarten abzeichnete, sammelten Wissenschaftler und Naturschützer auf Moorea einige der letzten Exemplare ein und brachten sie in Zoos und Museen in Europa und Nordamerika. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit vermehrten sie sich dort auch prächtig, sodass sie zumindest fern der Südsee überlebten. Und seit Mitte der 1990er Jahre kriechen die ersten Partulas sogar wieder durch die alte Heimat – in speziellen raubschneckenfreien Reservaten.
Ihre Lebensräume sind allerdings auf den kleinen Inseln naturgemäß beschränkt, was die Lage für die Weichtiere prekär macht. Denn sie haben kaum Rückzugsräume, sodass sie anfällig gegenüber Lebensraumveränderungen oder eingeschleppten Tieren und Pflanzen sind: Ohne ein umfassendes Räuberspektrum fehlen ihnen Schutzmechanismen wie gute Tarnung oder ein Arsenal an abwehrenden Giftstoffen gegenüber gefährlichen Beutegreifern, was die Tiere zu leichten Opfern macht.
Prekäre Lage
Für viele Partula-Schnecken begann dieses biologische Versäumnis in den 1960er Jahren langsam fatal zu wirken: Damals wollte ein findiger Landwirt auf der Insel Moorea nahe Tahiti die bis zu dreißig Zentimeter langen Großen Achatschnecken (Achatina fulica) aus Ostafrika kommerziell züchten, um ihr Fleisch gewinnbringend zu vermarkten. Dieses Unternehmen schlug jedoch kurze Zeit später fehl, was den Farmer dazu veranlasste seine restlichen Mollusken in der freien Natur zu entsorgen. Ohne natürliche Feinde vermehrte sich die Art dort nach gewisser Anlaufzeit rasch wie umfassend und begann sich bald massenhaft an den Feldprodukten der lokalen Bauern zu delektieren.
Als biologische Schädlingsbekämpfung führten diese deshalb ein weiteres Weichtier ein, das unter den Achatschnecken aufräumen sollte: die amerikanische Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea). Doch statt des Schädlings – er entpuppte sich als zu groß für den auf Artverwandte spezialisierten Räuber – vertilgte er nun die zarten Partulas, die genau den richtige Happen bildeten. Und während die Bestände der beiden Invasoren in die Höhe schossen, wurden die lokalen Endemiten von zwei Seiten in die Zange genommen: Die einen fraßen ihnen das Futter weg, die anderen verzehrten sie gleich selbst. Was folgte war ein regelrechtes Massaker, an dessen Ende 1987 alle einheimischen Baumschnecken Mooreas als vor Ort ausgestorben oder verschollen galten.
Ähnlich verheerend entwickelte sich die Situation auf Tahiti und anderen Gesellschaftsinseln aus, da auch dort exotische Neuankömmlinge und Naturzerstörung die einzigartigen Baumschnecken verdrängen: Etwa die Hälfte der bekannten 120 Spezies soll heute zumindest in freier Wildbahn ausgerottet sein. Doch wie Wissenschaftler um Diarmaid Ó Foighil von der Universität von Michigan in Ann Arbor herausgefunden haben, tat der Mensch immerhin einer der ursprünglichen Arten früher etwas Gutes – indem er sie handelte. Die Art Partula hyalina war jedenfalls nicht immer so selten wie heute und stieg wegen ihres schmucken Äußeren zum Zahlungsmittel und Schmuckstück in Polynesien auf: Ihre ästhetischen, leuchtend weißen Gehäuse machten sie zu begehrter Ware, die zu Ketten und anderen Preziosen verarbeitet wurden.
Begehrte Ware
Folglich wurde sie auch mit anderen Eilanden ausgetauscht und diente als Zahlungsmittel: Bis zu einer Distanz von 1000 Kilometern zu Tahiti finden sich Schalen oder zierende Artefakte, die von den kleinen Mollusken stammen und auf einen regen Warentransfer schließen lassen – quasi alle anderen Baumschnecken sind normalerweise einzig auf ihre Heimatinsel beschränkt. Natürliche Ausbreitung kann deshalb ausgeschlossen werden, obwohl die Malakologen auf vielen Inseln der abgelegenen Austral- und Cook-Gruppe bei ihren Nachforschungen auch auf lebende Partula hyalina stießen. Genetische Untersuchungen belegen jedoch enge Verwandtschaften mit den Tieren der ursprünglichen tahitischen Heimat, die sich bis in einzelne Täler des Eilands zurückverfolgen lassen.
Wahrscheinlich, vermutet Ó Foighil, brachten Handlungsreisende während der letzten Jahrtausende einzelne Schneckengruppen zu ihren isolierten Heimatorten mit, um auf diese Weise die hohen Transportkosten zu umgehen und konstanten Nachschub an Gehäusen zu sichern. Auf unmittelbar benachbarten Inseln wie Moorea waren Ansiedelungsprojekte dagegen unnötig, da der unkomplizierte rege Handel hier steten Nachschub an leeren Gehäusen brachte. Das könnte auch erklären, warum nie lebende Exemplare im direkten Umfeld Tahitis gefunden wurden.
Für die Art war die kommerzielle Verschleppung jedoch ein Glücksfall, denn so entkamen ihre Exilbestände den gefräßigen Wolfsschnecken, die in der alten Heimat unter den Artgenossen und der verwandten Partula clara – sie war wegen ihres hell- bis dunkelbraunen Gehäuses kaum begehrt – aufräumten. Beide wandeln heute in kleiner Zahl nur noch in wenigen Tälern Tahitis am Rande des Aussterbens, während die emigrierten Partula hyalina als einzige von 61 Baumschneckenarten der Gesellschaftsinseln unversehrt prosperieren.
Immerhin gibt es aber auch für den bedrohten Teil dieser Weichtierfauna einen leichten Hoffnungsschimmer: Als sich das nahe Ende vieler Baumschneckenarten abzeichnete, sammelten Wissenschaftler und Naturschützer auf Moorea einige der letzten Exemplare ein und brachten sie in Zoos und Museen in Europa und Nordamerika. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit vermehrten sie sich dort auch prächtig, sodass sie zumindest fern der Südsee überlebten. Und seit Mitte der 1990er Jahre kriechen die ersten Partulas sogar wieder durch die alte Heimat – in speziellen raubschneckenfreien Reservaten.
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