Lecanemab: Vorerst keine Zulassung von Alzheimermedikament in der EU
Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hat eine Empfehlung des Alzheimerwirkstoffs Lecanemab abgelehnt. Das Risiko schwerer Nebenwirkungen des Antikörpers sei höher zu bewerten als der erwartete gesundheitliche Nutzen. Dabei verwies die Behörde insbesondere auf mögliche Wassereinlagerungen und Blutungen im Gehirn von Menschen, die mit dem Präparat behandelt werden.
Lecanemab – Handelsname Leqembi – ist ein Antikörperpräparat, das an Beta-Amyloid-Moleküle im Gehirn bindet und sie so für den Abbau durch Immunzellen markiert. Beta-Amyloid lagert sich im Gehirn von Alzheimerpatienten in großen Mengen ab, schädigt die Nervenzellen und ist somit wahrscheinlich für den kognitiven Abbau mitverantwortlich. Studien zufolge kann Lecanemab – ebenso wie ein ähnliches Präparat namens Donanemab – das Fortschreiten einer Demenz messbar verlangsamen. In den USA steht es deshalb schon seit Anfang 2023 zur Behandlung der Alzheimerkrankheit im Frühstadium zur Verfügung.
Allerdings sind die Effekte so gering, dass viele Fachleute anzweifeln, ob die Betroffenen in ihrem Alltag davon überhaupt etwas merken: Der Krankheitsfortschritt verzögert sich in der Regel nur um wenige Monate. Relativ deutlich fallen hingegen die Nebenwirkungen aus, zu denen Blutungen und Schwellungen im Gehirn zählen. Patienten, die den Wirkstoff erhalten, müssen daher engmaschig mit Hirnscans überwacht werden. Insgesamt gehen Fachleute davon aus, dass der Antikörper nur für einen sehr begrenzten Kreis von Alzheimerpatienten in Frage kommt.
Der zuständige Ausschuss der EMA entschied nach Mitteilung der Behörde, »dass der beobachtete Effekt des Präparats beim Abbremsen des kognitiven Verfalls das Risiko von ernsthaften Nebenwirkungen (...) nicht aufwiegt«. Die Empfehlung der Behörde ist notwendig für die Zulassung von Medikamenten in der EU. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) kritisierte die Entscheidung: »Damit beschreitet Europa nicht nur einen Sonderweg, sondern befördert auch eine Zweiklassenmedizin«, teilte sie in einer Erklärung mit. »Wer es sich leisten kann, wird das Medikament über die internationale Apotheke beziehen und sich in Deutschland verabreichen lassen.«
Der Neurologe Wenzel Glanz hingegen, leitender Arzt der Gedächtnissprechstunde der Uniklinik Magdeburg, kann die Entscheidung »bedingt nachvollziehen«, wie er der Deutschen Presse-Agentur gegenüber äußerte. »Ödeme und Blutungen gibt es bei etwa 30 Prozent der Behandelten«, sagte er der dpa. »Daher erfordert die Therapie ein konstantes Monitoring, zum Beispiel durch regelmäßige MRT-Untersuchungen.«
(dam/dpa)
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