Jüngere Dryas: Leiser Abschied vom großen Knall
Die letzte Eiszeit endete vor etwa 11 000 Jahren, aber die Welt erwärmte sich nicht gleichmäßig. Nachdem die Gletscher einige Jahrhunderte lang kontinuierlich abgeschmolzen waren, unterbrach eine drastische Kältephase den Erwärmungstrend. Als Ursache des als Jüngere Dryas bezeichneten Kälteeinbruchs identifizieren die meisten Forscher und Forscherinnen eine kurze Pause im ozeanischen Wärmetransport, ausgelöst durch einen Schwall Süßwasser in der Arktis – das Schmelzwasser der vergehenden Gletscher hatte sich aus einem riesigen See in das Nordpolarmeer ergossen.
Eine recht lautstarke Minderheit jedoch vertritt eine andere, explosivere These: Vor 12 900 Jahren sei demnach ein Asteroid in Nordamerika eingeschlagen, habe Waldbrände ausgelöst, die Megafauna ausgerottet und die Erde in eine zeitweilige Kaltphase gestürzt. Zusätzlich soll der Einschlag auch der nordamerikanischen Clovis-Kultur den Garaus gemacht haben, von der die ältesten bekannten menschlichen Spuren auf dem Kontinent stammen.
Die Idee allerdings ist umstritten, denn es gibt derzeit keinen sicher datierten Krater aus jener Zeit, und auch keine klassischen Einschlagkennzeichen wie geschockte Quarzkristalle. Stattdessen wollen Befürworter des Impakt-Szenarios in Sedimentschichten aus jener Epoche indirekte Hinweise wie Schmelzkügelchen und Nanodiamanten gefunden haben, die ebenfalls bei Einschlägen entstehen sollen.
Manche Wissenschaftler jedoch halten einen anderen, profaneren Ursprung dieser Funde für wahrscheinlicher – oder können sie gar nicht erst reproduzieren, wie zum Beispiel kleine magnetische Kügelchen im Sediment, die oft große Mengen des Elements Iridium enthalten. Schon in der Ursprungsveröffentlichung [1] von 2007 meinten Richard Firestone und Kollegen, überdurchschnittlich viele dieser Partikel am Beginn der Jüngeren Dryas gefunden zu haben – doch in einem Vortrag auf dem Herbstreffen der American Geophysical Union präsentierte Marcy Nadel von der Universität Minnesota sorgfältig vermessene Bodenprofile, die dieser These widersprechen. Seit die Impakt-Hypothese im Jahr 2007 weithin Aufmerksamkeit erhielt, wiederholt sich das Muster: Ein Team publiziert neue Indizien, und etwas später berichten andere Forscher, dass sie das Ergebnis nicht bestätigen können.
Wenig überzeugend
Der neueste Versuch, die Außenseiterhypothese zu erhärten, stammt von einem Team um Mukul Sharma [2] vom Darthmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire. Die Forscher untersuchten Sedimentproben auf magnetische Kügelchen, winzige Schmelzespritzer aus dem gesuchten Einschlag selbst und ungewöhnliche Verteilungen unterschiedlicher Isotope des Metalls Osmium – beides mögliche Marker für außerirdisches Material aus einem größeren Asteroideneinschlag.
Doch selbst bei wohlwollender Bewertung bleiben die Ergebnisse uneindeutig. "Abgesehen von offenen Fragen zur exakten Herkunft und Datierung der Proben sind die Ergebnisse eigentlich negativ", erklärt der Geochemiker Christian Köberl von der Universität Wien. "Mit viel Mühe versuchen die Autoren das Fehlen eines extraterrestrischen Signals wegzuerklären, allerdings wenig überzeugend." Tatsächlich sei das Osmium-Signal in Sedimenten von bestätigten Impakt-Ereignissen genau entgegengesetzt zu den Befunden von Sharma und Kollegen.
Auch nach Ansicht der meisten anderen Expertinnen und Experten sind die Indizien für die Impakt-Hypothese seit ihrer ersten Präsentation im Jahr 2007 wenn überhaupt eher schwächer geworden. Die wichtigsten Gegenargumente kommen inzwischen aus den Reihen der Paläoklimatologen: Dass die Jüngere Dryas überhaupt so ein außergewöhnliches Klimaereignis war, das einer besonderen Erklärung bedurfte, steht inzwischen in Zweifel: Klimadaten deuten darauf hin, dass auch am Ende früherer Vereisungen ähnliche Kälteeinbrüche die damaligen Erwärmungstrends unterbrachen [3].
Vor allem aber hätte der hypothetische Einschlag durch Ruß und Asche die gesamte Erdkugel deutlich abkühlen sollen. Die Abkühlung der Jüngeren Dryas allerdings war regional beschränkt – auf der Südhalbkugel wurde es zu jener Zeit deutlich wärmer. Angesichts dieser Gegenargumente müssten die Befürworter der Impakt-Hypothese schon sehr substanzielle Belege vorweisen, um die Fachwelt noch auf ihre Seite zu ziehen. Doch gerade das gelingt Mukul Sharma und seinen Kollegen auch in der neuen Veröffentlichung nicht. Und so spricht Christian Köberl wohl für die meisten Fachleute, wenn er sagt: "Die für mich logische Erklärung: außer Wunschdenken nichts gewesen."
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