Zoologie: Lernfähige Fische
Obwohl uns Welten trennen, haben Menschen und Fische vielleicht doch mehr gemeinsam als man meinen möchte. So verfügt nach jüngsten Ergebnissen eines Forscherteams um Jeremy Kendal von der Durham University in Großbritannien der Neunstachlige Stichling über die typisch menschliche Fähigkeit zum sozialen Lernen: Er vergleicht das Verhalten seiner Artgenossen mit seinen eigenen Erfahrungen und nutzt das so gewonnene Wissen bei der Wahl seiner Nahrungsquellen.
In einem Experiment mit 270 Stichlingen konditionierten die Forscher einen Teil der Fische zunächst darauf, in einem Wasserbecken mit einem Futterspender an beiden Enden denjenigen auszuwählen, der konstant mehr Würmer abgab. Danach konnten die Tiere eine andere Gruppe bei der Nahrungsaufnahme beobachten. Diesmal waren allerdings die beiden Spender vertauscht, und die zweite Stichlinggruppe bevorzugte folglich denjenigen, der sich zuvor als weniger ergiebig erwiesen hatte. Dann durften die Originalfische wieder ins Becken. Die große Frage war: Würden sie ihre Konditionierung beibehalten?
Tatsächlich reagierten die Fische unerwartet clever: Ob sie bei ihrer früheren Wahl blieben oder ihre Artgenossen nachahmten, hing davon ab, wie viele Würmer diese an ihrem Spender ergattert hatten. Waren das mehr, als die erste Gruppe an dem für sie ergiebigeren anderen Exemplar erhalten hatte, schwenkten 78 Prozent der Fische um und wählten nun den zuvor verschmähten Spender. Waren es aber nur gleich viel oder weniger Würmer, sahen die meisten keinen Grund für einen Wechsel.
Demnach besitzen Stichlinge, so Kendal „die menschliche Fähigkeit, das Verhalten ihrer Artgenossen nur dann zu kopieren, wenn deren Ausbeute besser ist als ihre eigene.“ Das ist umso erstaunlicher, als Stichlinge ein sehr kleines Gehirn haben, dem man höhere kognitive Leistungen nicht zutraut. Dazu Kendal: „Unseren Ergebnissen zufolge ist die Gehirngröße eben nicht alles, wenn es um die Fähigkeit zu sozialem Lernen geht.“
Andreas Baumann
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