Kernenergie: Letzte Ruhestätte für strahlende Altlasten
Für eine Million Jahre soll radioaktiver Müll im Erdboden eingeschlossen werden. Doch Fragen über dessen sichere Lagerung erhitzen die Gemüter: Es herrscht ein diffuses Bild über die Tatsachen der nuklearen Endlagerung in Deutschland. Die Frage der wissenschaftlich-technischen Machbarkeit rückt dabei zu oft in den Hintergrund.
Die Suche nach einem Endlager für den nuklearen Abfall hat hier zu Lande längst die Expertengremien verlassen, potenzielle Standort wurden wiederholt durch den politischen Fleischwolf gedreht und mit meinungsstarken Aussagen gewürzt. Dabei ist eine Lösung des Problems dringend nötig: Bis zum Laufzeitende aller deutschen Kernkraftwerke entsteht eine Abfallmenge von 17 000 Tonnen radioaktiver Schwermetalle in Form von abgebrannten Brennelementen und 280 000 Kubikmeter mit schwach- bis mittelradioaktivem Müll – ein Volumen, das rund 100 Olympiaschwimmbecken entspricht. Und erst in diesem Jahr hatte die Europäische Union einstimmig beschlossen, den nuklearen Abfall jeweils im Land, in dem er angefallen ist, unter die Erde zu bringen – und zwar sicher für die nächsten eine Million Jahre. Als Richtwert dient das in der Natur nur extrem selten vorkommende, hochgiftige Plutonium mit ebendieser langen Halbwertszeit.
"Differenzierte sachliche Darstellung"
"Die Diskussionen über eine sicherer Endlagerung in Deutschland sind von der Realität abgekoppelt. Deshalb werbe ich für eine differenzierte sachliche Darstellung", betont Dirk Bosbach vom Forschungszentrum Jülich. "Die Asse sieht aus wie ein Schweizer Käse. So etwas würde man für ein nukleares Endlager natürlich nicht haben wollen", führt er aus. Der Mineraloge beschäftigt sich an seinem Lehrstuhl mit Sicherheitsforschung sowie Reaktortechnik und weiß um das Kernproblem, das sich bei der Asse stellt: Eindringendes Grundwasser schwemmt Salz aus dem ehemaligen Bergwerk und gefährdet die Stabilität der Kammern mit den bereits eingelagerten schwach- und mittelradioaktiven Fässern. "Momentan kann die Situation noch kontrolliert werden", so Bosbach. Die Wassermassen werden stetig abgepumpt, ungewiss bleibt jedoch, wie lange die Menge an Wasser konstant und damit beherrschbar bleibt. Nun wird über eine komplizierte Rückholung des eingebrachten nuklearen Abfalls nachgedacht.
Detlef Appel, Geologe und Mitglied der 2002 aufgelösten Arbeitskommission Endlager (AkEnd) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, sieht sich dagegen in den lauter werdenden Stimmen, die die Stabilität des Deckgebirges bemängeln, bestätigt: "Das Gebirge am Salzstock Gorleben bietet keinen ausreichenden Beitrag zur Zurückhaltung von austretenden Radionukliden." Der Grund liege in der geologischen Vergangenheit des Gebiets, so der Experte: In früheren Eiszeiten trug die Erosion immer wieder große Teile der schützenden Deckschichten ab. Sollte es wieder zu einem Gletschervorstoß mit entsprechender Erosion kommen, könne das Eindringen von Oberflächenwasser und damit die Auswaschung des Salzstocks nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Entscheidung für den Standort Gorleben als einziges Endlager sei laut dem Geologen "allein auf Papierbasis" getroffen worden. Er ist überzeugt: "Ich halte es auf Grund der erdgeschichtlichen Entwicklung für schwierig, Gorleben als Endlageroption aufrechtzuerhalten."
Salzstöcke als Ideallösung
Bei der Wahl des Wirtsgesteins, den Formationen, die den radioaktiven Abfall umgeben sollen, sind sich die beiden Wissenschaftler allerdings einig. Steinsalz leitet im Gegensatz zu den Alternativen Tonstein und Granit Wärme besser und kompensiert so die entstehende Hitze beim fortschreitenden radioaktiven Zerfall. Überdies verhält sich das Salz unter Druck plastisch: Es kann damit Risse verringern und den Abfall komplett umschließen. Bleibt das schlechte Verhalten bei Wassereintritt. "Wenn es eine negative Eigenschaft des Gesteins gibt, schließt das die Option dennoch nicht aus, wenn der Rest stimmt", bedeutet Bosbach. Dem setzt sein Kollege Appel entgegen: "Ein schwaches Deckgebirge kann durch technische Maßnahmen nicht kompensiert werden."
Sein Rezept für eine sichere Endlagerstätte besteht aus den Kriterien, die er 2002 gemeinsam mit Kollegen im AkEnd vorgestellt hat, die die Politik jedoch nie umsetzte: Die Endlagerung erfolgt nach diesen Maßstäben in tiefen geologischen Formationen zwischen 300 Metern und bis zu eineinhalb Kilometern. Ein Salzstock als Wirtsgestein soll eine Mindestausdehnung von drei Quadratkilometern haben, um resistent gegen Spannung im Gestein zu wirken, was Risse und den daraus resultierenden Eintritt von Flüssigkeiten verhindert hilft. Und das vorhandene Gestein darf nur eine äußerst geringe Durchlässigkeit für Wasser besitzen.
Untersuchungswürdige Standorte
Neue Forschungsansätze für altes Problem
An völlig neuen technischen Verfahren zur sicheren Endlagerung forscht Bosbach an seinem Institut. Sein Team beschäftigt sich mit der Transmutation des toxischen Abfalls: Langlebige Radionuklide, die so genannten Actinoide, sollen aus Kernbrennstoffen abgetrennt und speziell konditioniert werden – eine Kernreaktion wandelt sie in kurzlebigere Elemente um. "Die Lebensdauer von den gefährlichen Isotopen ließe sich dadurch von einer Million Jahre auf einige tausend Jahre verkürzen – eine überschaubare Zeit aus Menschensicht", so Bosbach. Bis heute gibt es jedoch noch keine große Transmutationsanlage zur Beseitigung nuklearer Abfälle, denn Actinoide lassen sich noch nicht sortenrein aus dem radioaktiven Abfall herausfiltern.
Neben Experimenten nutzt Bosbachs Institut für seine Zukunftsvoraussagen zur Endlagersicherheit auch Beispiele aus der Natur – etwa Oklo in der afrikanischen Republik Gabun. In dieser Uranlagerstätte startete vor zwei Milliarden Jahren unter der Erdoberfläche eine natürliche Kettenreaktion und schuf so einen Kernreaktor, der über 500 000 Jahre lang strahlendes Plutonium erzeugte, ohne dass die Biosphäre kontaminiert wurde. "Konkret lässt sich aus diesem natürlichen Beispiel ableiten, dass radioaktive Substanzen – speziell Plutonium – sicher für lange Zeiträume in tiefen Formationen gelagert werden können", schließt der Sicherheitsforscher. Appel schwächt diese Aussage jedoch ab: Was man aus natürlichen Beispielen ableiten könne, sei einzig das Prozessverständnis. "Für die konkrete Umsetzung von Endlagerplänen ist der Fall Oklo nicht relevant und auf deutsche Verhältnisse schwer übertragbar. Bei dem natürlichen Kernreaktor in Gabun handelt es sich um poröse Sandsteinformationen, die sich äußerst wasserdurchlässig verhalten", erläutert er.
Das deutsche "Oklo" stellen sich die Wissenschaftler als eine Symbiose aus einem Mehrbarrierensystem vor: Der strahlende Abfall wird zuerst durch eine technische Begrenzung wie schwer lösliche Keramikhüllen und Lagerbehälter aus Kupfer isoliert, die langsamer korrodieren. Bis zu 10 000 Jahre halten diese Maßnahmen nachgewiesenermaßen äußeren Einflüssen wie eindringendem Wasser stand. Danach beeinflussen die natürlichen Barrieren, etwa die Geologie, die Langzeitsicherung. Sie bestimmen die Zeit, die nach einem Bruch der technischen Barriere noch verbleibt, bevor Radionuklide durch Grundwasser in die Biosphäre gelangen. Bosbach schließt daraus: "Aus technisch-wissenschaftlicher Sicht bin ich überzeugt, dass der sichere Einschluss von nuklearem Abfall tatsächlich gewährleistet werden kann und verantwortbar ist."
Immerhin: Deutschlands schwach- bis mittelradioaktiver Abfall findet ab 2013 seine – vielleicht vorerst – letzte Ruhe im Schacht Konrad, einem stillgelegten Erzbergwerk in Salzgitter. Und ein Blick ins Ausland offenbart mögliche Ansätze für den hochradioaktiven Rest: In Schweden soll der strahlende Müll in Granitformationen unter die Erde gebracht werden, die Schweiz bevorzugt hierfür Tonsteine. Da bisherige Einlagerungsversuche wie jene im Forschungslager Asse in der Bundesrepublik jedoch fehlschlugen, hält sich in der deutschen Bevölkerung bislang eine große Skepsis. Kann es daher für die hiesige unendliche Geschichte der Endlagerung eine realistische Lösung geben?
"Differenzierte sachliche Darstellung"
"Die Diskussionen über eine sicherer Endlagerung in Deutschland sind von der Realität abgekoppelt. Deshalb werbe ich für eine differenzierte sachliche Darstellung", betont Dirk Bosbach vom Forschungszentrum Jülich. "Die Asse sieht aus wie ein Schweizer Käse. So etwas würde man für ein nukleares Endlager natürlich nicht haben wollen", führt er aus. Der Mineraloge beschäftigt sich an seinem Lehrstuhl mit Sicherheitsforschung sowie Reaktortechnik und weiß um das Kernproblem, das sich bei der Asse stellt: Eindringendes Grundwasser schwemmt Salz aus dem ehemaligen Bergwerk und gefährdet die Stabilität der Kammern mit den bereits eingelagerten schwach- und mittelradioaktiven Fässern. "Momentan kann die Situation noch kontrolliert werden", so Bosbach. Die Wassermassen werden stetig abgepumpt, ungewiss bleibt jedoch, wie lange die Menge an Wasser konstant und damit beherrschbar bleibt. Nun wird über eine komplizierte Rückholung des eingebrachten nuklearen Abfalls nachgedacht.
Ganz anders stelle sich dagegen die Situation in Gorleben dar, das für hochradioaktiven Abfall ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Der dortige Salzstock ist mit einer Fläche von 40 Quadratkilometern der größte Salzstock Niedersachsens. "Man müsste in dem riesigen Gorlebener Salzstock nur kleine Hohlräume schaffen, in die man ein verhältnismäßig kleines Volumen von nuklearem Müll einbringt", meint Bosbach – und weist Kritik am angeblich unzureichenden Deckgebirge zurück: Diese Gesteinsschichten, die von der eigentlichen Lagerstätte bis zur Erdoberfläche reichen, dichteten den Salzstock hinreichend gegen die Außenwelt ab, so der Fachmann.
Detlef Appel, Geologe und Mitglied der 2002 aufgelösten Arbeitskommission Endlager (AkEnd) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, sieht sich dagegen in den lauter werdenden Stimmen, die die Stabilität des Deckgebirges bemängeln, bestätigt: "Das Gebirge am Salzstock Gorleben bietet keinen ausreichenden Beitrag zur Zurückhaltung von austretenden Radionukliden." Der Grund liege in der geologischen Vergangenheit des Gebiets, so der Experte: In früheren Eiszeiten trug die Erosion immer wieder große Teile der schützenden Deckschichten ab. Sollte es wieder zu einem Gletschervorstoß mit entsprechender Erosion kommen, könne das Eindringen von Oberflächenwasser und damit die Auswaschung des Salzstocks nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Entscheidung für den Standort Gorleben als einziges Endlager sei laut dem Geologen "allein auf Papierbasis" getroffen worden. Er ist überzeugt: "Ich halte es auf Grund der erdgeschichtlichen Entwicklung für schwierig, Gorleben als Endlageroption aufrechtzuerhalten."
Salzstöcke als Ideallösung
Bei der Wahl des Wirtsgesteins, den Formationen, die den radioaktiven Abfall umgeben sollen, sind sich die beiden Wissenschaftler allerdings einig. Steinsalz leitet im Gegensatz zu den Alternativen Tonstein und Granit Wärme besser und kompensiert so die entstehende Hitze beim fortschreitenden radioaktiven Zerfall. Überdies verhält sich das Salz unter Druck plastisch: Es kann damit Risse verringern und den Abfall komplett umschließen. Bleibt das schlechte Verhalten bei Wassereintritt. "Wenn es eine negative Eigenschaft des Gesteins gibt, schließt das die Option dennoch nicht aus, wenn der Rest stimmt", bedeutet Bosbach. Dem setzt sein Kollege Appel entgegen: "Ein schwaches Deckgebirge kann durch technische Maßnahmen nicht kompensiert werden."
Sein Rezept für eine sichere Endlagerstätte besteht aus den Kriterien, die er 2002 gemeinsam mit Kollegen im AkEnd vorgestellt hat, die die Politik jedoch nie umsetzte: Die Endlagerung erfolgt nach diesen Maßstäben in tiefen geologischen Formationen zwischen 300 Metern und bis zu eineinhalb Kilometern. Ein Salzstock als Wirtsgestein soll eine Mindestausdehnung von drei Quadratkilometern haben, um resistent gegen Spannung im Gestein zu wirken, was Risse und den daraus resultierenden Eintritt von Flüssigkeiten verhindert hilft. Und das vorhandene Gestein darf nur eine äußerst geringe Durchlässigkeit für Wasser besitzen.
Untersuchungswürdige Standorte
All dies erfüllt Gorleben eigentlich. Trotzdem zieht Appel alternative Salzstöcke in Betracht und fordert daher eine Öffnung des Verfahrens: "Andere Salzstöcke im norddeutschen Tiefland sind im Hinblick auf das Deckgebirge viel besser geeignet." Seine Aussage basiert auf einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus dem Jahr 1995, die vier Standorte identifizierte: Gülze-Sumte, Bad Zwischenahn, Wahn im Emsland und Waddekath. Auf Grund massiver Proteste aus der Bevölkerung sah die damalige Bundesregierung jedoch von deren Erforschung ab und hält bis heute an Gorleben fest. Ähnliche Proteststürme schränken die Forschung an Tonsteinen in Süddeutschland ein. "Es gibt dort Tonsteinformationen, die grundsätzlich in Frage kommen – das sind die gleichen Formationen, die zur nuklearen Endlagerung von den Schweizern intensiv erkundet werden", erklärt Appel. Das Schweizer Vorgehen und der Einbezug der Bevölkerung in den Entscheidungsprozess sieht er als Vorbild und bezeichnet es als "eine Ironie, dass gerade im Grenzbereich zu Deutschland die Schweiz ein Verfahren anwendet, wie es von Deutschland im AkEnd entwickelt, aber nie eingesetzt wurde".
Neue Forschungsansätze für altes Problem
An völlig neuen technischen Verfahren zur sicheren Endlagerung forscht Bosbach an seinem Institut. Sein Team beschäftigt sich mit der Transmutation des toxischen Abfalls: Langlebige Radionuklide, die so genannten Actinoide, sollen aus Kernbrennstoffen abgetrennt und speziell konditioniert werden – eine Kernreaktion wandelt sie in kurzlebigere Elemente um. "Die Lebensdauer von den gefährlichen Isotopen ließe sich dadurch von einer Million Jahre auf einige tausend Jahre verkürzen – eine überschaubare Zeit aus Menschensicht", so Bosbach. Bis heute gibt es jedoch noch keine große Transmutationsanlage zur Beseitigung nuklearer Abfälle, denn Actinoide lassen sich noch nicht sortenrein aus dem radioaktiven Abfall herausfiltern.
Neben Experimenten nutzt Bosbachs Institut für seine Zukunftsvoraussagen zur Endlagersicherheit auch Beispiele aus der Natur – etwa Oklo in der afrikanischen Republik Gabun. In dieser Uranlagerstätte startete vor zwei Milliarden Jahren unter der Erdoberfläche eine natürliche Kettenreaktion und schuf so einen Kernreaktor, der über 500 000 Jahre lang strahlendes Plutonium erzeugte, ohne dass die Biosphäre kontaminiert wurde. "Konkret lässt sich aus diesem natürlichen Beispiel ableiten, dass radioaktive Substanzen – speziell Plutonium – sicher für lange Zeiträume in tiefen Formationen gelagert werden können", schließt der Sicherheitsforscher. Appel schwächt diese Aussage jedoch ab: Was man aus natürlichen Beispielen ableiten könne, sei einzig das Prozessverständnis. "Für die konkrete Umsetzung von Endlagerplänen ist der Fall Oklo nicht relevant und auf deutsche Verhältnisse schwer übertragbar. Bei dem natürlichen Kernreaktor in Gabun handelt es sich um poröse Sandsteinformationen, die sich äußerst wasserdurchlässig verhalten", erläutert er.
Das deutsche "Oklo" stellen sich die Wissenschaftler als eine Symbiose aus einem Mehrbarrierensystem vor: Der strahlende Abfall wird zuerst durch eine technische Begrenzung wie schwer lösliche Keramikhüllen und Lagerbehälter aus Kupfer isoliert, die langsamer korrodieren. Bis zu 10 000 Jahre halten diese Maßnahmen nachgewiesenermaßen äußeren Einflüssen wie eindringendem Wasser stand. Danach beeinflussen die natürlichen Barrieren, etwa die Geologie, die Langzeitsicherung. Sie bestimmen die Zeit, die nach einem Bruch der technischen Barriere noch verbleibt, bevor Radionuklide durch Grundwasser in die Biosphäre gelangen. Bosbach schließt daraus: "Aus technisch-wissenschaftlicher Sicht bin ich überzeugt, dass der sichere Einschluss von nuklearem Abfall tatsächlich gewährleistet werden kann und verantwortbar ist."
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