Nordamerika: Letzter Ausweg Great Dismal Swamp
Für entflohene Sklaven war es eine sichere, aber unwirtliche Zufluchtsstätte: das riesige Moor Great Dismal Swamp im Südosten des US-Bundesstaats Virginia. Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden hier – gut versteckt – zahllose Siedlungen, in denen sich die Sklaven zu Überlebensgemeinschaften zusammengeschlossen hatten. Erst im Laufe der 1860er Jahre verließen viele Flüchtlinge allmählich das Moor – vermutlich um im amerikanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Nordstaaten zu kämpfen. Schließlich gab man die Gemeinschaften komplett auf, als nach Kriegsende die Sklaverei abgeschafft wurde. Was einst Menschen als Zufluchtsort diente, ist heute ein Refugium der Natur: 1973 erklärte man Great Dismal Swamp zum staatlich geschützten Naturreservat.
Seit drei Jahren führt der Archäologe Dan Sayers von der American University in Washington Grabungen in Great Dismal Swamp durch und stieß bereits auf mehrere Moorsiedlungen. epoc sprach mit ihm über seine bisherigen Ergebnisse.
Dan Sayers: Ich habe mich schon immer für die Geschichte der Sklaven begeistert, die sich ihrem Schicksal nicht ergeben mochten. Ihre Zufluchtsorte in den Mooren gehören zu den Stätten, die am besten archäologisch untersucht werden können. Sie geben uns einen guten Einblick, wie sich neue Gemeinschaften mit neuen kulturellen Traditionen bildeten, und wie diese Menschen einen kleinen Teil ihrer Eigenständigkeit zurückgewannen. Als ich ein Thema für meine Doktorarbeit suchte, empfahl mir mein Betreuer, über Great Dismal Swamp zu arbeiten, da hier den historischen Überlieferungen zufolge tausende von Flüchtlingen gelebt haben sollen.
Das Moor ist riesig. Woher wussten Sie, wo Sie suchen mussten?
Es gibt eine Reihe von schriftlichen Quellen aus jener Zeit, in denen beschrieben ist, dass sich die Entflohenen vor allem dort niederließen, wo keine Überschwemmungen drohten. Wir suchten also in erster Linie in den eher trockenen Regionen.
Was haben Sie bisher entdeckt?
Von den Behausungen zeugen vor allem noch Reste von Holz und anderen organischen Materialien. Dort fanden wir auch Gebrauchsgegenstände wie Steinwerkzeuge, Feuersteine, ein paar Scherben von selbst hergestellter Keramik – auch Teile einer Tabakpfeife.
Ja, man sieht, dass die Objekte mit einfachen Mitteln hergestellt wurden. Man musste improvisieren, denn es gab ja nur das Material, das sich im Moor finden ließ. Auch die Behausungen waren aus dem Holz der Umgebung. Ihre Bewohner mieden natürlich jede Verbindung nach außen und versorgten sich mit dem, was sie fanden. Je weniger Außenstehende von ihrer Siedlung wussten, desto sicherer war ihr Versteck.
Was passierte, wenn diese Moorsiedlungen trotzdem entdeckt wurden?
Von anderen Moorgebieten in den Südstaaten ist überliefert, dass regionale Milizen sich gezielt auf die Suche nach flüchtigen Sklaven machten, um sie wieder einzufangen und die Siedlungen zu zerstören. Zuvor dokumentierten diese Sklavenfänger, wo im Moor sich eine Siedlung befand und wie viele Menschen dort lebten. Great Dismal Swamp war jedoch so weitläufig und unübersichtlich, dass diese Milizen hier wenig erfolgreich waren. Die entflohenen Sklaven fanden im Moor also ein relativ sicheres und langfristiges Versteck – bis Amerika 1865 nach dem Bürgerkrieg die Sklaverei endlich abschaffte.
Das Gespräch führte Miriam Jolien Blümel
Seit drei Jahren führt der Archäologe Dan Sayers von der American University in Washington Grabungen in Great Dismal Swamp durch und stieß bereits auf mehrere Moorsiedlungen. epoc sprach mit ihm über seine bisherigen Ergebnisse.
epoc: Was führte Sie in den Great Dismal Swamp?
Dan Sayers: Ich habe mich schon immer für die Geschichte der Sklaven begeistert, die sich ihrem Schicksal nicht ergeben mochten. Ihre Zufluchtsorte in den Mooren gehören zu den Stätten, die am besten archäologisch untersucht werden können. Sie geben uns einen guten Einblick, wie sich neue Gemeinschaften mit neuen kulturellen Traditionen bildeten, und wie diese Menschen einen kleinen Teil ihrer Eigenständigkeit zurückgewannen. Als ich ein Thema für meine Doktorarbeit suchte, empfahl mir mein Betreuer, über Great Dismal Swamp zu arbeiten, da hier den historischen Überlieferungen zufolge tausende von Flüchtlingen gelebt haben sollen.
Das Moor ist riesig. Woher wussten Sie, wo Sie suchen mussten?
Es gibt eine Reihe von schriftlichen Quellen aus jener Zeit, in denen beschrieben ist, dass sich die Entflohenen vor allem dort niederließen, wo keine Überschwemmungen drohten. Wir suchten also in erster Linie in den eher trockenen Regionen.
Was haben Sie bisher entdeckt?
Von den Behausungen zeugen vor allem noch Reste von Holz und anderen organischen Materialien. Dort fanden wir auch Gebrauchsgegenstände wie Steinwerkzeuge, Feuersteine, ein paar Scherben von selbst hergestellter Keramik – auch Teile einer Tabakpfeife.
Sind Sie sicher, dass all dies von den Sklaven stammt?
Ja, man sieht, dass die Objekte mit einfachen Mitteln hergestellt wurden. Man musste improvisieren, denn es gab ja nur das Material, das sich im Moor finden ließ. Auch die Behausungen waren aus dem Holz der Umgebung. Ihre Bewohner mieden natürlich jede Verbindung nach außen und versorgten sich mit dem, was sie fanden. Je weniger Außenstehende von ihrer Siedlung wussten, desto sicherer war ihr Versteck.
Was passierte, wenn diese Moorsiedlungen trotzdem entdeckt wurden?
Von anderen Moorgebieten in den Südstaaten ist überliefert, dass regionale Milizen sich gezielt auf die Suche nach flüchtigen Sklaven machten, um sie wieder einzufangen und die Siedlungen zu zerstören. Zuvor dokumentierten diese Sklavenfänger, wo im Moor sich eine Siedlung befand und wie viele Menschen dort lebten. Great Dismal Swamp war jedoch so weitläufig und unübersichtlich, dass diese Milizen hier wenig erfolgreich waren. Die entflohenen Sklaven fanden im Moor also ein relativ sicheres und langfristiges Versteck – bis Amerika 1865 nach dem Bürgerkrieg die Sklaverei endlich abschaffte.
Das Gespräch führte Miriam Jolien Blümel
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