News: Leuchtende Taufliegen entschlüsseln Geheimnisse der Entwicklung
In der gerade veröffentlichten Studie haben sie den Dorsalverschluß während der Embryonal-Entwicklung von Fliegen untersucht. Dieser Prozeß ist vergleichbar mit dem Verschluß des Neuralrohrs bei Säugetierföten.
Die Wissenschaftler benutzten eine Zeitrafferkamera und ein hochauflösendes Lichtmikroskop, um zum ersten Male einen Dorsalverschluß bei Fliegen auf Video zu bannen. Sie glauben, diese neuen Informationen werden ihnen helfen, die Ursachen von Spina bifida zu verstehen. Spina bifida ist ein Geburtsfehler, bei dem sich die Wirbelsäule während der Entwicklung nicht richtig schließt. Es bleibt ein Loch im Rückgrat, das nach der Geburt operativ geschlossen werden muß.
Die Ergebnisse der Forscher unter der Leitung von Daniel Kiehart, Professor für Zellbiologie am Duke University Medical Center, wurden in Developmental Biology vom 1. November veröffentlicht. Sie beschreiben, wie sie Fliegen zum Leuchten brachten, indem sie ein im Labor konstruiertes Gen in die Fliegeneier einsetzten. Das neue Gen ist eine Kreuzung aus einem Fliegen-Gen, das während der Entwicklung zur Zellstruktur beiträgt, und dem green fluorescent protein (GFP)-Gen der Qualle Aequorea victoria. GFP gibt leuchtend grünes Licht ab, wenn es ultraviolettem oder blauem Licht ausgesetzt wird.
„Ältere Methoden zur Färbung von Zellen erforderten toxische Fixiermittel, das heißt jedes Bild stellt nur eine Momentaufnahme dessen dar, was sich gerade in der Zelle abspielt”, sagte Kiehart. „Wir wollten die Bewegung dynamisch verfolgen. Dieses fluoreszierende Protein erlaubt uns das. Es ist, als ob man von Photographien zu einem Film mit voller Länge übergeht.”
Taufliegen enthalten teilweise dieselbe grundlegende genetische Programmierung, die auch den komplizierten Weg von einem befruchteten menschlichen Ei zu einem gesunden Baby steuert. Deshalb kann, nach Kieharts Ansicht, das Studium der Taufliege – auch bekannt als Drosophila melanogaster – etwas über unsere eigene Entwicklung aussagen. Kiehart und seine Kollegen konzentrieren sich nun darauf, wie und warum sich Zellen während der Entwicklung bewegen. Sie möchten herausfinden, welche Gene für normale Bewegungen und Veränderungen der Zellform während der Entwicklung ausschlaggebend sind und warum Geburtsfehler entstehen können, wenn die Genprodukte nicht zur richtigen Zeit funktionieren.
Ein Schlüsselprotein, laut Kiehart, ist Myosin, das außerhalb von Muskeln vorkommt. Dieses Myosin steuert Veränderungen der Zellform und unterstützt während des Wachstums und der Differenzierung der Fliegen Zellbewegungen. Es ist außerdem sowohl bei Fliegen als auch bei Menschen für die normalen Zellfunktionen lebenswichtig. Kiehart hat bereits einen Typus dieses Myosins identifiziert. Fehlt dieser Typus bei Fliegen, so führt das zu Zellverformungen, die mit mit Spina bifida bei Menschen vergleichbar sind.
Mit GFP besitzen auch andere Forscher ein wirksames Untersuchungs-Werkzeug. Denn das leuchtende Protein, welches durch das veränderte Gen produziert wird, findet sich ebenfalls in sich entwickelnden Augen, dem Nervensystem, dem Darm, den Sinnesorganen, und insbesondere in den „wandernden” Zellen aller Organsysteme. Beispielsweise können die Wissenschaftler der Duke University nun direkt beobachten, wie sich die Actin-haltigen Mikrovilli in dem sich entwickelnden Auge bilden, insbesondere in den Rezeptorzellen und der Netzhaut. „Diese Lokalisierung macht es leichter, die Bildung des Auges zu untersuchen und Gene zu finden, die an der Entwicklung des Auges beteiligt sind”, sagte Kiehart.
Kiehart und sein Laborteam erweitern den Einsatz dieses leuchtenden Proteins. Sie möchten herausfinden, wie sich Hautzellen bewegen, um eine offene Wunde abzudecken. Es ist ihnen gelungen, das leuchtende Protein in die Hautzellen von Menschen und Mäusen in einer Petrischale im Labor einzusetzen. Nach Aussage von Kiehart erzeugen die menschlichen Zellen aktiv das leuchtende Protein, und es scheint auf sie nicht toxisch zu wirken.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.