Das aktuelle Stichwort: LHC - Aufbruch in neue Dimensionen
Der Large Hadron Collider in Genf soll einmal neue Physik aufdecken, indem er subatomare Teilchen mit enormen Energien aufeinander schießt. Was die Kollisionen tatsächlich hervorbringen oder auch nicht, wird sich vielleicht schon bald zeigen.
Zwischen Frankreich und der Schweiz liegen rund vier Milliarden Euro unter der Erde begraben. Nicht in Form von Gold oder Diamanten, sondern als 27 Kilometer langer Tunnel voller Stahl, Eisen und Hightech. Die Rede ist vom Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik (CERN) bei Genf. Nach gut zwanzig Jahren der Planung war es am 10. September 2008 endlich so weit: Erstmals wurde der gesamte Speicherring des leistungsstärksten Teilchenbeschleunigers der Welt für Testläufe genutzt. Am 21. Oktober soll dann die offizielle Einweihung stattfinden – ein ursprünglich für das Frühjahr 2005 anvisiertes Ziel.
Doch selbst im besten Fall werden noch weitere Monate verstreichen, bis der Koloss seinem Namen endlich gerecht wird und subatomare Teilchen darin mit voller Wucht aufeinander krachen. Bei den Geschossen handelt es sich um so genannte Hadronen. Damit bezeichnen Physiker Teilchen, die sich aus Quarks – nach heutiger Ansicht einer der zwei fundamentalen Bausteine der Materie – zusammensetzen. Größtenteils schießen die Physiker im LHC mit Protonen, aber auch Bleiionen werden in einer Tiefe von 50 bis 175 Meter miteinander kollidieren.
Maschine der Superlative
Um die Partikel bei derart hohen Geschwindigkeiten auf ihrer Kreisbahn halten zu können, bestückten die Forscher den Ring mit 1800 supraleitenden Ablenkmagneten – jeweils auf etwa minus 271 Grad Celsius heruntergekühlt und damit kälter als der Weltraum. Im Beschleunigerring herrscht zudem ultrahohes Vakuum, denn sonst würde die Luft die Teilchen abbremsen. So lässt sich dann auch die jährliche Stromrechnung von schätzungsweise rund 19 Millionen Euro erklären, die der LHC inklusive seiner Experimente an den gut 270 Arbeitstagen verschlingt.
Verglichen mit den Energien, mit denen wir es im Alltag zu tun haben, ist das aber geradezu lächerlich: Ein Teraelektronenvolt entspricht der Bewegungsenergie einer fliegenden Mücke. Doch im LHC ist die Energie auf ein Volumen zusammengequetscht, das etwa eine Billion Mal kleiner ist als eine Mücke. Und so herrschen während der Karambolage Bedingungen, wie sie im Universum während des ersten Bruchteils einer Sekunde nach dem Urknall vorzufinden waren. Auf diese Weise hoffen die Forscher, noch nie zuvor nachgewiesene Partikel entstehen zu lassen.
Hoffnung auf Nachwuchs im Teilchenzoo
Und da gäbe es noch ein ganzes Heerschar an Kandidaten, die bislang einzig und allein in den Köpfen der Theoretiker herumschwirren – den Verantwortlichen der mysteriösen Dunklen Materie etwa. Doch auch scheinbar simplere Dinge stehen auf dem Plan: Obwohl das Standardmodell der Teilchenphysik die Eigenschaften der Elementarteilchen und der Kräfte zwischen ihnen sehr erfolgreich beschreibt, kann es nicht erklären, warum manche von ihnen schwer und andere leicht sind.
Allerdings sind auch andere auf der Suche nach dem göttlichen Teilchen: Zum Beispiel am Konkurrenzbeschleuniger Tevatron am Fermi National Accelerator Laboratory nahe Chicago, der bislang den Spitzenplatz unter den Teilchenbeschleunigern einnimmt. Eine nicht auszudenkende Niederlage für das LHC-Team, würden sie zuerst auf das heiß begehrte Higgs-Teilchen oder Spuren davon stoßen. Denn es zu finden, wäre gleichzeitig eine enorme Bestätigung für die Korrektheit des Standardmodells als Plan der subatomaren Welt.
Ein alternatives Modell bietet die Stringtheorie, die Elementarteilchen nicht länger als punktförmige Objekte beschreibt, sondern als schwingende Fädchen (strings). Zwar gilt sie als heißer Kandidat für eine "Theorie von Allem", doch funktioniert sie nur, wenn neben den uns wohl bekannten noch bislang unbemerkte Dimensionen existieren. Und darin liegt einer ihrer großen Makel: Diese zusätzlichen Dimensionen sind viel zu klein, um sie mit heutigen Mitteln zu beobachten. Allerdings glauben einige Physiker, dass sich ihre subtilen Auswirkungen auf unsere Welt möglicherweise im LHC bemerkbar machen.
Obskure Verschwörungstheorien
Von diesen Ereignissen sind auch längst nicht alle spannend – nur etwa 100 Kollisionen pro Sekunde werden interessante Ergebnisse liefern, schätzen die Wissenschaftler. Dennoch würde die angehäufte Datenmenge auf CD gebrannt pro Jahr einen zwanzig Kilometer hohen Stapel ergeben. Aus diesem Grunde speichern sie die Informationen nicht mehr zentral, sondern verteilen sie mit Hilfe eines neuartigen Computernetzwerks über die gesamte Welt. Tausende von Wissenschaftler machen sich dann daran, die Datenflut zu analysieren.
Außerdem, so argumentieren sie, würde seit Jahrmilliarden ständig kosmische Strahlung mit der Erde und anderen Himmelskörpern kollidieren und das mit viel höheren Energien als im LHC. Und bislang sei nichts passiert – weder im Universum noch in anderen Teilchenbeschleunigern dieser Welt.
Doch selbst im besten Fall werden noch weitere Monate verstreichen, bis der Koloss seinem Namen endlich gerecht wird und subatomare Teilchen darin mit voller Wucht aufeinander krachen. Bei den Geschossen handelt es sich um so genannte Hadronen. Damit bezeichnen Physiker Teilchen, die sich aus Quarks – nach heutiger Ansicht einer der zwei fundamentalen Bausteine der Materie – zusammensetzen. Größtenteils schießen die Physiker im LHC mit Protonen, aber auch Bleiionen werden in einer Tiefe von 50 bis 175 Meter miteinander kollidieren.
Zunächst durchlaufen die Teilchenstrahlen aber eine Kette von Vorbeschleunigern, bevor sie schließlich mit einem Bruchteil der finalen Energie in den LHC eingespeist werden. Die Protonen reisen gleich bündelweise an: 3000 Teilchenpakete á 100 Milliarden Teilchen. Bei jedem Umlauf werden sie mit Hilfe eines elektrischen Feldes weiter beschleunigt und bewegen sich nach rund zwanzig Minuten und Millionen von Umrundungen mit ihrem Spitzentempo von 99,9999991 Prozent der Lichtgeschwindigkeit fort, das heißt, in einer Sekunde durchfliegen sie den 27 Kilometer langen Ring mehr als 11 000 Mal.
Maschine der Superlative
Um die Partikel bei derart hohen Geschwindigkeiten auf ihrer Kreisbahn halten zu können, bestückten die Forscher den Ring mit 1800 supraleitenden Ablenkmagneten – jeweils auf etwa minus 271 Grad Celsius heruntergekühlt und damit kälter als der Weltraum. Im Beschleunigerring herrscht zudem ultrahohes Vakuum, denn sonst würde die Luft die Teilchen abbremsen. So lässt sich dann auch die jährliche Stromrechnung von schätzungsweise rund 19 Millionen Euro erklären, die der LHC inklusive seiner Experimente an den gut 270 Arbeitstagen verschlingt.
Anstatt mit den kostspieligen Teilchenstrahlen ein fixiertes Ziel anzupeilen, lassen die Wissenschaftler je zwei davon zusammenstoßen. So gibt es schließlich mehr Energie bei der Kollision. In einem mikroskopisch kleinen Bereich prallen die Protonen mit einer Energie von 14 Teraelektronenvolt (ein TeV sind 1012 eV) aufeinander. Die Strahlen aus Bleiionen bringen es sogar auf 1150 TeV. Beide Kollisionsenergien – oder genauer eine solche Energiekonzentration – sind bislang von Menschen unerreicht.
Verglichen mit den Energien, mit denen wir es im Alltag zu tun haben, ist das aber geradezu lächerlich: Ein Teraelektronenvolt entspricht der Bewegungsenergie einer fliegenden Mücke. Doch im LHC ist die Energie auf ein Volumen zusammengequetscht, das etwa eine Billion Mal kleiner ist als eine Mücke. Und so herrschen während der Karambolage Bedingungen, wie sie im Universum während des ersten Bruchteils einer Sekunde nach dem Urknall vorzufinden waren. Auf diese Weise hoffen die Forscher, noch nie zuvor nachgewiesene Partikel entstehen zu lassen.
Hoffnung auf Nachwuchs im Teilchenzoo
Und da gäbe es noch ein ganzes Heerschar an Kandidaten, die bislang einzig und allein in den Köpfen der Theoretiker herumschwirren – den Verantwortlichen der mysteriösen Dunklen Materie etwa. Doch auch scheinbar simplere Dinge stehen auf dem Plan: Obwohl das Standardmodell der Teilchenphysik die Eigenschaften der Elementarteilchen und der Kräfte zwischen ihnen sehr erfolgreich beschreibt, kann es nicht erklären, warum manche von ihnen schwer und andere leicht sind.
Diese Frage könnte im LHC mit der Entdeckung des bereits in den 1960er Jahren vom Physiker Peter Higgs postulierten Teilchens seine Antwort finden. Nicht ohne Grund wird das Higgs-Boson auch das "Teilchen Gottes" genannt, denn es verleiht den Atomen und damit letztlich auch uns Masse. Je stärker etwas mit diesem Teilchen in Wechselwirkung tritt, desto massereicher ist es.
Allerdings sind auch andere auf der Suche nach dem göttlichen Teilchen: Zum Beispiel am Konkurrenzbeschleuniger Tevatron am Fermi National Accelerator Laboratory nahe Chicago, der bislang den Spitzenplatz unter den Teilchenbeschleunigern einnimmt. Eine nicht auszudenkende Niederlage für das LHC-Team, würden sie zuerst auf das heiß begehrte Higgs-Teilchen oder Spuren davon stoßen. Denn es zu finden, wäre gleichzeitig eine enorme Bestätigung für die Korrektheit des Standardmodells als Plan der subatomaren Welt.
Ein alternatives Modell bietet die Stringtheorie, die Elementarteilchen nicht länger als punktförmige Objekte beschreibt, sondern als schwingende Fädchen (strings). Zwar gilt sie als heißer Kandidat für eine "Theorie von Allem", doch funktioniert sie nur, wenn neben den uns wohl bekannten noch bislang unbemerkte Dimensionen existieren. Und darin liegt einer ihrer großen Makel: Diese zusätzlichen Dimensionen sind viel zu klein, um sie mit heutigen Mitteln zu beobachten. Allerdings glauben einige Physiker, dass sich ihre subtilen Auswirkungen auf unsere Welt möglicherweise im LHC bemerkbar machen.
Selbst wenn sich keine der bislang nur hypothetischen Partikel und Theorien nachweisen lassen, können die Physiker den bereits bekannten Teilchenzoo im LHC genauer untersuchen. Um sich ja nichts entgehen zu lassen, bauten sie sechs gigantische Detektoren um die Kollisionsstellen, die alle Teilchenspuren aufzeichnen. Ungefähr dreißig Millionen Mal pro Sekunde werden sich die Protonenpakete durchdringen. Und obwohl jeweils 200 Milliarden Wasserstoffkerne aufeinander prasseln, kommt es nur rund zwanzigmal zum Crash.
Obskure Verschwörungstheorien
Von diesen Ereignissen sind auch längst nicht alle spannend – nur etwa 100 Kollisionen pro Sekunde werden interessante Ergebnisse liefern, schätzen die Wissenschaftler. Dennoch würde die angehäufte Datenmenge auf CD gebrannt pro Jahr einen zwanzig Kilometer hohen Stapel ergeben. Aus diesem Grunde speichern sie die Informationen nicht mehr zentral, sondern verteilen sie mit Hilfe eines neuartigen Computernetzwerks über die gesamte Welt. Tausende von Wissenschaftler machen sich dann daran, die Datenflut zu analysieren.
Bei all dem Enthusiasmus, den die Betreiber beim Gedanken an den LHC versprühen, rufen solch enorme Energiekonzentrationen auch Kritiker auf den Plan. Besonders die Erzeugung alles verschlingender Schwarzer Löcher oder hypothetische, die Erde zerstörende Teilchen grassierte durch die Medien und sorgte für Aufruhr. Diese Theorien lassen die Verantwortlichen natürlich nicht auf sich sitzen und legten entsprechende Gegengutachten vor. Diese streiten zwar nicht ab, dass sich zum Beispiel Schwarze Löcher in den Kollisionen bilden können. Allerdings wären sie sehr klein und würden im Nu wieder zerstrahlen – keine Gefahr für die Menschheit also.
Außerdem, so argumentieren sie, würde seit Jahrmilliarden ständig kosmische Strahlung mit der Erde und anderen Himmelskörpern kollidieren und das mit viel höheren Energien als im LHC. Und bislang sei nichts passiert – weder im Universum noch in anderen Teilchenbeschleunigern dieser Welt.
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