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LHC-Beschleuniger: Traum von der Teilchen-Revolution

Beim Zerfall so genannter B-Mesonen entstehen Elektronen scheinbar etwas häufiger als ihre beleibteren Geschwister. Verantwortlich könnten bisher unbekannte Elementarteilchen sein.
In einer unterirdischen Kaverne am Teilchenlabor CERN befindet sich das LHCb-Experiment, ein etwa 10 Meter hoher und 20 Meter langer Detektorkomplex.

Neue Messdaten vom weltgrößten Teilchenbeschleuniger LHC lassen Physiker von einem großen Durchbruch träumen: Myonen, die großen Brüder der Elektronen, könnten ein klein wenig anders mit Materie interagieren als ihre leichteren Geschwister. Darauf deuten jedenfalls neue Daten des LHCb-Experiments hin, einer von vier Messstationen an dem Genfer Beschleuniger.

Schon seit 2011 sichten die 1400 Forscherinnen und Forscher der LHCb-Gruppe die Trümmer der Atomkernkollisionen in der 27 Kilometer langen Vakuumröhre des LHC-Beschleunigers. Seit Längerem sind sie dabei einer winzigen Abweichung vom Standardmodell der Teilchenphysik auf der Spur, dem etablierten Regelwerk für den Mikrokosmos. So genannte B-Mesonen könnten demnach bei ihrer Umwandlung in andere Teilchen etwas seltener Myonen als Elektronen auszuspucken. Dabei sagt das Standardmodell eigentlich, dass die Natur die Geschwisterteilchen gleich behandeln sollte.

Bedroht: Die Leptonenuniversalität

Experten sind sich einig: Sollte die Welt des Allerkleinsten gegen diese »Leptonenuniversalität« verstoßen, wäre das das wichtigste Teilchenphysik-Ergebnis seit der Entdeckung des Higgs-Teilchens. Denn erklären ließe sich die Abweichung vom Standardmodell nur, wenn etwas bisher Unbekanntes die Begegnungen im Mikrokosmos beeinflusst, etwa neue Teilchen oder versteckte Extradimensionen. In Frage kämen hier beispielsweise so genannte Leptoquarks oder neue Botenteilchen, welche ein Hinweis auf eine fünfte Grundkraft zwischen den Bausteinen der Materie wären.

Ob die LHCb-Daten zu solch einer Entdeckung führen werden, ist noch offen. Bisher könne man lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 Prozent ausschließen, dass die Anomalie auf eine zufällige Häufung von Ereignissen zurückgeht, schreibt die Gruppe in ihrem aktuellen Fachaufsatz. Im Jargon der Teilchenphysik entspricht das 3,1 Standardabweichungen, auch Sigma genannt. Was nach einer soliden Sache klingt, ist laut den strengen Maßstäben der Disziplin noch weit von einer echten Entdeckung entfernt: Erst wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit auf 0,00003 Prozent (»5 Sigma«) sinkt, gilt eine Beobachtung als reales Phänomen.

Bei den LHCb-Experimenten ist es sehr mühsam, diese Schwelle zu erreichen. Sie befassen sich mit Mesonen – Zusammenschlüssen aus zwei Quarks, die nach einigen Sekundenbruchteilen in andere Partikel zerfallen. B-Mesonen enthalten hierbei die zweitschwerste der sechs Quark-Varianten, das Bottom-Quark. Aber nur jedes Millionste der Schwergewichte gibt bei der Umwandlung in ein anderes Meson Elektronen oder Myonen ab. Und als wäre das noch nicht knifflig genug, muss man diese Ladungsträger auch noch von Vettern aus anderen Zerfällen trennen, deren Häufigkeit man teils nur ungefähr abschätzen kann.

Unterirdischer Beschleunigerring | Eine schematische Skizze des rund 26,7 Kilometer langen Ringtunnels des LHC mit den vier Detektorsystemen ATLAS, ALICE, CMS und LHCb.

Gewissheit werden daher frühestens Daten bringen, die der LHC nach einer langen Wartungsphase von 2022 an liefern soll. Dann wird sich auch zeigen, ob der Unterschied zwischen Myonen und Elektronen ebenfalls in anderen Teilchenreaktionen auftaucht. Schwache Hinweise darauf gibt es bereits, was die Träume mancher Physiker befeuert. Andere verweisen auf die Vergangenheit: Hier sind an Teilchenbeschleunigern immer wieder spannende Phänomene im 3-Sigma-Bereich aufgetaucht, nur um dann bei genaueren Messungen wieder zu verschwinden.

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