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News: Lichtgeschwindigkeit veränderlich?

Seit Einstein gilt die Lichtgeschwindigkeit als universelle Konstante. Das heißt, Licht bewegt sich in beliebigen Bezugssystemen zu allen Zeiten immer gleich schnell. Oder war es früher vielleicht schneller als heute?
Vor etwas mehr als drei Jahren ging es der ersten Naturkonstante an den Kragen: Forscher um John Webb von der University of New South Wales in Sydney, die Spektren von fernen Quasaren untersuchten, entdeckten Unstimmigkeiten, die ihrer Meinung nach darauf hindeuten, dass eine bis dahin eher wenig beachtete Naturkonstante alles andere als konstant ist. Die so genannte Feinstrukturkonstante, die normalerweise mit dem griechischen Buchstaben Alpha abgekürzt wird, ist ein Maß für die Wechselwirkung zwischen den Photonen des Lichts und den Elektronen in Atomen. Doch welche Bedeutung hätte es, wenn der dimensionslose Wert tatsächlich im Laufe der Jahrmillionen größer geworden wäre?

Nachdem Webb und seine Kollegen ihre Vermutung mit weiteren Messdaten untermauerten, kamen nun einige andere Wissenschaftler aus Sydney auf den Plan, die Konsequenzen zu prüfen. Denn Alpha ist kein unabhängiger Messwert, sondern vielmehr aus weiteren Naturkonstanten zusammengesetzt. Ist also Alpha veränderlich, so ist es auch mindestens eine der anderen Konstanten, wie Paul Davis von der Macquarie University sowie Tamara Davis und Charles Lineweaver von der South Wales University feststellen.

Und die anderen Konstanten haben doch gleich viel klangvollere Namen: Da wäre zunächst das Planck'sche Wirkungsquantum, das eine Beziehung zwischen der Frequenz und der Energie eines Photons herstellt, dann die Elementarladung, also die kleinste in der Natur frei vorkommende elektrische Ladungsmenge, und schließlich die Lichtgeschwindigkeit, die seit Einstein das Tempolimit im Kosmos angibt. Welche dieser Konstanten soll nun mit der Feinstrukturkonstante fallen?

Da tatsächlich schon einige unkonventionelle, kosmologische Theoriegebäude existieren, die sowohl von einer variablen Ladung als auch von einer veränderlichen Lichtgeschwindigkeit ausgehen, stürzten sich Davies und seine Kollegen nur auf die Frage: Ladung oder Lichtgeschwindigkeit? "Allerdings lauten zwei bestens anerkannte Naturgesetze: Die Ladung eines Elektrons ändert sich nicht und die Lichtgeschwindigkeit ist unveränderlich", weiß Davies. "Einerlei in welche Richtung man also schaut, man kriegt ein Problem."

Offensichtlich entschieden sich die Wissenschaftler für das kleinere Übel und schlagen nun vor, dass sich die Lichtgeschwindigkeit verändert hat, genauer – dass sie sich verringert hat. Ansonsten hätte sich die Ladung vergrößern müssen – da sie, anders als die Lichtgeschwindigkeit, proportional zu Alpha ist. Eine wachsende Elementarladung wäre allerdings aus thermodynamischen Gründen äußerst ungünstig gewesen. Denn, wie Davies und seine Kollegen herleiteten, hätte das gleich noch ein weiteres ehernes Gesetz der Physik verletzt: den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.

Aber wie kommt man von der Elementarladung auf den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik? Davies und seine Kollegen betrachteten dazu Schwarze Löcher – zumindest theoretisch: So geht in die Formel zur Berechnung der Fläche des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs – jener Grenze, jenseits derer es selbst für Licht kein Entrinnen mehr gibt – zum einen die Elementarladung und zum anderen die Lichtgeschwindigkeit ein. Ferner ist diese Fläche gleich der Entropie des kosmischen Objekts. Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik für Schwarze Löcher lautet nun etwa wie folgt: Der Ereignishorizont darf nur schrumpfen, wenn sich gleichzeitig die Entropie in der Umgebung des Schwarzen Lochs erhöht.

Das sei aber wenig wahrscheinlich, selbst wenn ein Schwarzes Loch theoretisch über so genannte Hawking-Strahlung Wärmeenergie an die Umgebung abführen könnte. Geht man also davon aus, dass der Ereignishorizont nur wachsen aber nicht schrumpfen kann, dann bleibt rein rechnerisch nur noch die Möglichkeit, dass die Lichtgeschwindigkeit in den letzten paar Milliarden Jahren kleiner geworden ist.

Den Forschern ist durchaus klar, dass sie sich mit einer solchen Idee auf Glatteis begeben. Und entsprechend vorsichtig formuliert sind ihre Überlegungen auch. In einer Beziehung ist sich Davies allerdings sicher: "Einstein hätte das gehasst. Denn seine ganze Relativitätstheorie baut auf der Idee auf, dass die Lichtgeschwindigkeit eine festgelegte, universelle Größe ist."

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