Sinnesorgane: Lichtleiter-Schichtdienst im Auge
Das Auge von Menschen und anderen Wirbeltieren ist von Anatomen ab und an scherzhaft als Fehlkonstruktion bezeichnet worden: Denn aus entwicklungsbiologischen Gründen ist unser Sehsinnesorgan falsch herum gebaut, also "invertiert". Anders als etwa beim Auge von Tintenfischen liegen daher die eigentlichen optischen Sinneszellen der Retina beim Wirbeltier auf der vom einfallenden Licht entfernten, hinteren Seite des Auges. Dort treffen die Lichtwellen erst ein, nachdem sie vorher das ganze Auge durchquert haben, wobei sie durch verschiedene davorliegende Zellausläufer blockiert werden können. Nach den Gesetzen der Optik müssten sie die Lichtwellen brechen, streuen und reflektieren und damit die räumliche Auflösung, Lichtausbeute und Bildqualität verschlechtern. Das Gegenteil ist allerdings der Fall: Tatsächlich verbessert der Retinaaufbau das Bild sogar, berichten Amichai Labin vom Technion im israelischen Haifa und seine Kollegen.
Einen wesentlichen Anteil daran haben die so genannten Müllerzellen, die früher zunächst als reine Stütz- und Versorgungszellen verkannt waren. Seit einigen Jahren weiß man aber, dass die Müllerzellen als Lichtleiter fungieren: Sie durchspannen als längliche Zylinder die gesamte Retina, sammeln dabei mit einer trichterförmigen Ausbuchtung an der Lichtseite Photonen und dirigieren sie wie klassische Lichtleiter ziemlich verlustarm ins Innere zu den eigentlichen Fotosinneszellen.
Labin und Kollegen haben nun das Feintuning dieses Systems untersucht. Dabei zeigte sich, wie selektiv und gezielt die Müllerlichtleiter arbeiten: Sie leiten vor allem die grünen und roten Wellenlängen des sichtbaren Lichts auf die für das Farbensehen im Hellen zuständigen Zapfen-Sinneszellen der Retina.
Gleichzeitig sorgt die Anordnung der Zellstrukturen dafür, dass Photonen auf die lichtsensitiven, im Dunklen wichtigeren Stäbchen direkt eintreffen – sie werden daher von mehr ungefilterter blauvioletter Strahlung erreicht. Das System der Müllerzellen sorgt daher insgesamt dafür, dass tagsüber möglichst viele Photonen die Zapfen erreichen, ohne dass dadurch die Photonenabsorption der Stäbchen bei schwachem Licht beeinträchtigt wird, fassen die Forscher aus Israel zusammen.
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