Lichtverschmutzung: Das künstliche Himmelsleuchten zerstört die Nacht
Auf der Liste der selbst gemachten Umweltprobleme, mit denen wir uns derzeit konfrontiert sehen, steht auch die Lichtverschmutzung. Das künstliche Licht bei Nacht bringt die innere Uhr von Mensch und Tier durcheinander und stört ganze Ökosysteme. In vielen Regionen der Erde wird es nachts nicht mehr richtig dunkel: ein Phänomen, das auch als Himmelsleuchten (vom Englischen »skyglow«) bezeichnet wird. In einer im Fachmagazin »Science« erschienenen Studie beschreiben Forscherinnen und Forscher um Christoph Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam die Ergebnisse eines Citizen-Science-Projekts, das jenes Himmelsleuchten über zehn Jahre lang auf der ganzen Welt beobachtet hat. Das Ergebnis: Die Nacht wird sehr schnell sehr viel heller als bislang angenommen.
Die Lichtverschmutzung – oder vielmehr Nachthimmelverschmutzung – als globales Umweltproblem ist schwer messbar. Natürlich gibt es direkt vor Ort Hinweise, wo es besonders viel davon gibt: in dicht besiedelten Großstädten mit vielen Straßenlaternen, hellen Schaufenstern und Werbereklamen, aber auch in ländlichen Gegenden, wo ganze Gärten nachts mit den günstig gewordenen LED-Lampen ausgeleuchtet werden. Es gibt Satelliten, die das Himmelsleuchten von verschiedenen Erdumlaufbahnen aus vermessen: Deren Messungen ergeben, dass der Nachthimmel pro Jahr um ein bis zwei Prozent heller wird.
In weniger als einem Jahrzehnt hat sich die Helligkeit des Nachthimmels verdoppelt
Das Citizen-Science-Projekt »Globe at Night« kommt nun zu einem deutlich drastischeren Schluss: Demnach nimmt das Himmelsleuchten in Europa jedes Jahr sogar um 6,5 Prozent und in Nordamerika um 10,4 Prozent zu. Dafür hatten die Freiwilligen dieses Projekts den Nachthimmel beobachtet und nach Sternen Ausschau gehalten. Je heller das Himmelsleuchten, desto weniger Sterne sind zu sehen. In stark lichtverschmutzten Gegenden sind anstatt einem Sternenteppich am Nachthimmel oft nur noch wenige, leuchtstarke Sterne auszumachen – von der Milchstraße ganz zu schweigen. Anhand des Vergleichs mit Sternenkarten des Himmels bei unterschiedlichen Helligkeiten konnten die Freiwilligen so auf den Verschmutzungsgrad des von ihnen beobachteten Himmels schließen. Im Zeitraum von 2011 bis 2022 kamen so mehr als 50 000 Beobachtungen zusammen, die meisten davon aus Nordamerika und Europa.
Anders ausgedrückt: Wird ein Kind heute in einer Region geboren, in der am Himmel gut 250 Sterne zu sehen sind, werden es unter diesen Bedingungen an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 sichtbare Sterne sein.
Wie ist nun der Unterschied zu den Satellitenmessungen zu erklären, die für den gleichen Zeitraum weit weniger Lichtverschmutzung aus dem All gemessen haben – und für Nordamerika sogar eine leichte Abnahme des künstlichen Lichts bei Nacht? Das Team um Christopher Kyba macht dafür einen potenziellen Schuldigen aus: LED-Leuchten. Diese sind im letzten Jahrzehnt immer verbreiteter geworden – auch, weil sie energieeffizienter sind als herkömmliche Leuchten und deshalb weniger sparsam eingesetzt werden. Allerdings sind die Satelliten in den Erdumlaufbahnen nicht für das kurzwellige, blaue Licht sensibel, das von einem Großteil der LED-Lampen ausgesendet wird. Darüber hinaus detektieren sie horizontal abgestrahltes Licht wie etwa von Leuchtreklamen nicht so gut wie das menschliche Auge, das vom Erdboden nach oben blickt.
Wenn der Himmel auch lange nach Sonnenuntergang noch in einer künstlichen Dämmerung erstrahlt, hat das aber nicht nur negative Folgen für die Beobachtung von Sternen, sondern es kommt auch zu gravierenden Folgen für die Umwelt. Viele Verhaltensweisen und physiologische Prozesse von Lebewesen sind von tageszeitlichen und saisonalen Rhythmen bestimmt – und damit vom Licht beeinflusst. Dieser Tag-Nacht-Rhythmus gerät aus dem Takt. Ein hoher Blauanteil im Spektrum stellt zudem ein erhebliches Problem für die Orientierung nachtaktiver Insekten und Zugvögel dar.
Trotz einiger bereits bestehender Maßnahmen, die Lichtverschmutzung zu verringern, wie etwa Zeitschaltuhren an Straßenlaternen oder der Einsatz von eher rötlich gelben Lichtquellen, nimmt das Umweltproblem also nicht etwa ab, sondern zu – und zwar sehr viel stärker, als es bislang zu vermuten gewesen wäre.
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