Geschlechternormen: Liebe ist … wenn sie seinen Namen annimmt
Bei der Namenswahl sind Frauen und Männer theoretisch gleichberechtigt, jedenfalls vor dem Gesetz. In den Augen der Gesellschaft allerdings nicht. Denn die urteilt noch immer nach alten Geschlechterkategorien. Das bedeutet: Eine Ehefrau, die ihren Mann liebt, soll seinen Namen führen. Verstößt sie gegen diese Konvention, wirft das ein schlechtes Licht auf die Ehe. Zu diesem Schluss kommt eine Onlineumfrage von Kristin Kelley vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Die Auskünfte stammen von rund 500 Erwachsenen in den USA, die in Alter, Geschlecht, Bildung und ethnischer Herkunft repräsentativ ausgewählt wurden. Sie bekamen einen Text über ein Paar zu lesen, das kurz vor der Hochzeit stand. In einer Variante hieß es, die Frau werde den Nachnamen ihres Mannes annehmen, in der zweiten Variante wollten beide ihre Namen behalten und in der dritten einen gemeinsamen Doppelnamen tragen. Die Versuchspersonen sollten nun Mann und Frau beurteilen: Wie verliebt (»in love«), wie verbunden (»committed«) waren sie? Und wie sehr entsprachen sie dem Idealbild von Ehemann und Ehefrau?
Wollte die Frau ihren Namen behalten oder einen Doppelnamen tragen, attestierten die Versuchspersonen ihr im Mittel weniger Liebe und Commitment zum Partner als den Geschlechtsgenossinnen, die seinen Namen annehmen wollten: auf einer Skala von 1 bis 10 mehr als einen Punkt weniger. Die Frau entsprach damit auch weniger dem Idealbild einer Ehefrau, urteilten die Probandinnen und Probanden. Die zugehörigen Männer hingegen kosteten getrennte Familiennamen nicht einmal halb so viele Punkte.
»Paare, die mit Geschlechternormen brechen, werden nach wie vor negativer beurteilt«, fasst Kristin Kelley in einer Pressemitteilung zusammen. Das liege aber nicht an der Symbolik eines gemeinsamen Namens, wie die Soziologin erläutert: Wäre das der Fall, dürfte der gemeinsame Doppelname nicht ähnlich negativ ausgelegt werden, wie verschiedene Namen zu tragen. Vielmehr hätten die negativeren Urteile mit der Erwartung zu tun, dass sich Frauen in der Ehe unterzuordnen hätten: Behalten sie ihren Namen oder nehmen sie einen Doppelnamen an, verletzen sie das althergebrachte Ideal der hingebungsvollen Ehefrau. Und auch die zugehörigen Partner passen nicht ins traditionelle Männerbild, wenn ihre Frau mit den ungeschriebenen Regeln bricht.
Wie sich die Namenswahl bei gleichgeschlechtlichen Paaren auswirkt, wurde nicht untersucht. Laut Kelley könnten auch sie unter heteronormativen Erwartungen zu leiden haben, etwa wenn eine der beiden Personen in der Beziehung eher eine traditionell weibliche oder traditionell männliche Rolle übernimmt.
In heterosexuellen US-Ehen tragen laut einer Studie von 2018 knapp neun von zehn Frauen den Namen ihres Partners. Nur drei Prozent der Männer wählten den Familiennamen ihrer Frau oder einen Doppelnamen. In Deutschland geht es kaum fortschrittlicher zu. Seit 1976 haben die Paare die Wahl. Doch eine Untersuchung der Gesellschaft für deutsche Sprache zeigte noch 2018: Auf einen Mann, der den Familiennamen seiner Frau annimmt, kommen zwölf Frauen, die den ihres Mannes übernehmen (6 versus 74 Prozent). 13 Prozent entschieden sich für getrennte Nachnamen und 7 Prozent für einen Doppelnamen – darunter aber wiederum nur jeder Zehnte ein Mann.
Anders als in den USA darf in Deutschland derzeit nur eine Person einen Doppelnamen tragen, die andere behält ihren alten Namen. Damit gibt es keine Möglichkeit, dass beide ihren Namen behalten und zugleich teilen können. Das soll sich künftig ändern: Laut Medienberichten will das Justizministerium das Namensrecht so ändern, dass Eheleute einen gemeinsamen Doppelnamen führen und an ihre Kinder weitergeben dürfen. Das »Gesetz zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts und des Internationalen Namensrechts« wurde im Juni 2024 beschlossen und soll am 1. Mai 2025 in Kraft treten.
(Anm. d. Red.: Der Artikel wurde am 12.12.2024 aktualisiert.)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.