Sozialpsychologie : Lieber Elektroschocks als Nichtstun
Oftmals klagen wir darüber, dass wir zu viel zu tun haben. Nichtstun macht uns allerdings auch keinen Spaß. Darauf deuten zumindest die Ergebnisse einer Studie von Forschern um Timothy Wilson von der University of Virginia hin.
In einer Serie von mehreren Experimenten stellten die amerikanischen Wissenschaftler Probanden die simple Aufgabe, sich in einem schmucklosen Raum auf einen Stuhl zu setzen und ein paar Minuten nur den eigenen Gedanken nachzuhängen. Persönliche Gegenstände wie Handys, Bücher oder Schreibutensilien, die ansonsten als Ablenkung hätten dienen können, mussten die Versuchsteilnehmer vorher abgegeben. Bei einer anschließenden Befragung offenbarte sich, dass die meisten Probanden das Nichtstun nicht sonderlich genossen hatten. Zudem gaben viele von ihnen an, Schwierigkeiten dabei gehabt zu haben, ihre Gedanken auf ein bestimmtes Thema zu fokussieren. Stattdessen wanderte ihr Geist immer wieder umher, obwohl es eigentlich nichts in dem Zimmer gab, was sie hätte ablenken können.
Baten Wilson und seine Kollegen die Teilnehmer, den Versuch in ihren eigenen vier Wänden durchzuführen, fiel es diesen noch viel schwerer, sich für kurze Zeit nur mit ihren Gedanken zu beschäftigen. Einige Versuchspersonen schummelten sogar zwischendurch und warfen doch einen Blick auf ihr Handy oder hörten nebenbei Musik.
Stromstöße zur Beschäftigung
Doch wie weit würden Menschen im Zweifelsfall gehen, um sich zu beschäftigen? Um das herauszufinden, spitzten die Forscher den Versuch im letzten Durchlauf schließlich noch weiter zu und ließen einem Teil ihrer Probanden die Wahl, sich während des Nichtstuns per Knopfdruck selbst unangenehme Elektroschocks zu verpassen. Und tatsächlich: Etwa ein Viertel der weiblichen und sogar zwei Drittel der männlichen Versuchsteilnehmer drückten innerhalb von 15 Minuten mindestens einmal den Knopf! Dabei hatten die Probanden zuvor alle bereits testweise einen kleinen Stromstoß bekommen und angegeben, dass sie lieber fünf Dollar zahlen würden, als diese Erfahrung noch einmal zu machen.
Der beobachtete Geschlechterunterschied steht in Einklang mit den Ergebnissen früherer Studien, die darauf hindeuten, dass Männer grundsätzlich eher den Reiz der Abwechslung suchen als Frauen. Warum wir allerdings ganz allgemein so große Schwierigkeiten zu haben scheinen, mit unseren Gedanken allein zu sein, können sich die Forscher noch nicht erklären. Möglicherweise gelingt es den meisten Menschen schlichtweg nicht, ihren Geist dauerhaft auf angenehme Dinge zu lenken, ohne in bestimmten Meditations- oder Achtsamkeitstechniken geübt zu sein. Dass mobile Technologien wie Smartphones oder Tablets Schuld an diesem Phänomen sind, glaubt Wilson nicht. Er vermutet vielmehr, dass sich solche Geräte eben gerade deshalb durchgesetzt haben, weil Menschen den ständigen Drang verspüren, immer etwas zu tun haben zu müssen.
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