News: Links vor Rechts
Offensichtlich eignen sich die langen, schmalen, parallelnervigen Blätter der Schraubenpalmen (Pandanus sp.) hervorragend für diesen Zweck. Aus ihnen knabbert die Krähe spitz zulaufende Teile aus und funktioniert sie anschließend zu Stocherinstrumenten um. Zwar ist die Abfolge von präzisem Schneiden und Reißen festgelegt, und die Tiere arbeiten sich immer vom Stamm weg. Doch in einem Punkt müssen sie sich noch entscheiden: Sollen sie an der rechten oder der linken Blattkante ansetzen?
Gavin Hunt hatte schon vor einiger Zeit festgestellt, dass sich innerhalb einzelner Gruppen offenbar eine Vorliebe für links herausgeprägt hatte. Daraufhin durchkämmte er mit seinen Kollegen von der University of Auckland die gesamte Inseln und sammelte insgesamt 3727 Blätter von 733 Pandanus-Bäumen an 19 verschiedenen Lokalitäten, die sich größtenteils mindestens zehn Kilometer voneinander entfernt und über eine Strecke von 300 Kilometern verstreut befanden. Die äußeren Umrisse jener Pflanzenteile offenbarten gewissermaßen als Negativ die endgültige Gestalt der Krähen-Instrumente.
Und die Auswertung bestätigte den interessanten Links-Trend auch in größerem Maßstab. Zwar bestimmte die Richtung, in der sich die Blätter spiralig aufrollten, teilweise mit, ob der Vogel seinen Schnabel eher links oder rechts an der Kante ansetzte: So boten Blätter, die im Uhrzeigersinn gewunden waren, den Vögeln einen leichteren Zugang zu den linken Kanten, während bei entgegengesetzt gerollten Wedeln der rechte Randbereich frei lag. Und trotzdem überwogen auf der ganzen Insel von links bearbeitete Blätter, eine Vorliebe, die zweifelsfrei nicht auf Umweltfaktoren oder lokalen sozialen Traditionen basieren kann.
Die auffällig gleichmäßige Form der zugespitzten Instrumente ist jedoch nicht nur auf das Ausgangsmaterial zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Tiere selbst. Vermutlich steuert ein bestimmtes neuronales Programm die Herstellung jener Hilfsmittel zum Beutefang. Die Bevorzugung der linken Seite spiegelt unter Umständen nicht nur die Komplexität des Werkzeugbaus, sondern auch eine Spezialisierung der Gehirnhemisphären der Krähen wider, spekulieren die Forscher. Und die nun nachgewiesene Händigkeit bezüglich manipulatorischer Fähigkeiten sucht in der Tierwelt ihresgleichen, denn bis auf den Menschen ist bislang keine weitere Art bekannt, die dazu in der Lage ist.
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