Paläoklima: Lösten erste Landpflanzen Eiszeiten aus?
Für die Pflanzen war es vielleicht nur noch ein kleiner Schritt, dem Planeten brachte der Landgang der ersten Gewächse jedoch wohl riesige Umwälzungen: Vor rund 470 Millionen Jahren begannen Moose erstmals auf dem Festland zu wachsen, was – in geologischen Maßstäben – kurze Zeit später eine Serie von Eiszeiten ausgelöst haben soll. Zu diesem Schluss kamen Wissenschaftler um Tim Lenton von der University of Exeter, als sie die klimatischen und geologischen Folgen dieser biologischen Revolution im Erdzeitalter des Ordoviziums erforschten.
Die urtümlichen Pflanzen beeinflussten das Klima demnach durch zwei verschiedene Mechanismen: Zum einen entzogen sie der Atmosphäre Kohlendioxid für ihre Fotosynthese und reduzierten damit die Konzentration des Treibhausgases, so dass sich dessen Wirkung abschwächte. Ein größerer Anteil der eingestrahlten Sonnenenergie wurde dadurch wieder ins All reflektiert, statt als Wärme in der Lufthülle des Planeten zurückzubleiben. Zudem entzogen die frühen Pflanzen dem Grundgestein – etwa Granit – verschiedene Nährelemente und -stoffe wie Kalzium, Magnesium, Eisen und Phosphat, die sie ebenfalls für ihr Wachstum benötigten.
Das derartig angegriffene und biogen verwitterte Silikatgestein reagierte dann wiederum mit Kohlendioxid; zugleich wurden Kalzium- und Magnesiumionen ins Meer geschwemmt, wo sie sich mit dem CO2 zu Karbonaten verbanden, die sich anschließend als Sedimentgestein ablagerten. Beide Prozesse verringerten ebenfalls die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre, die vor etwa 435 Millionen Jahren drastisch abnahm. Geologen konnten dafür bislang noch keine vollkommen schlüssigen Erklärungen liefern: Statt 22-mal so viel CO2 wie heute waberte damals nur noch achtmal so viel des Spurengases durch die Erdatmosphäre. Der Rückgang reichte aus, um Eiszeiten auszulösen.
Lentons Team kann für seine These derzeit noch keine fossilen Belege vorlegen, denn sie beruht auf Laborexperimenten und anschließenden Computersimulationen. Die Forscher setzten bemoosten und blanken Granit drei Monate lang verschiedenen Witterungseinflüssen aus und maßen, wie stark das Gestein in dieser Zeit verwitterte. Tatsächlich veränderte sich der bewachsene Granit deutlich stärker als die nackten Gegenstücke, wahrscheinlich weil die Moose organische Säuren ausscheiden, die dann das Gestein angreifen und die erwünschten Nährstoffe herauslösen.
Neben Kalzium und Magnesium gelangten dadurch auch Phosphat und Eisen in die Ozean, die dort das Algenwachstum anregten. Diese Planktonblüten trugen ihren Anteil zum CO2-Rückgang in der Luft bei; gravierender wirkte sich jedoch ein anderes, damit unmittelbar zusammenhängendes Phänomen aus: Auch die Fressfeinde der Algen vermehrten sich explosiv durch das plötzliche Nahrungsüberangebot. Die Organismenmassen im Wasser zehrten allerdings den Sauerstoff im Ozean weit gehend auf, und es entstanden so genannte Todeszonen, die auch heute in überdüngten Meeresgebieten beobachtet werden. Sie könnten das marine Massenaussterben am Ende des Ordoviziums ausgelöst haben, so die Wissenschaftler. Die Moose selbst überstanden diese globalen Umbrüche relativ unbeschadet: Sie überlebten in den eisfreien Tropen.
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