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Verschränkung: Lösung eines jahrzehntealten Quantenrätsels sorgt für Ernüchterung

Können bestimmte Quantenzustände auch unter realistischen Bedingungen existieren? Ein Physiker hat nun bewiesen, dass das unmöglich ist. Das könnte Quantentechnologien Probleme bereiten.
Zwei Quantenobjekte
Die Verschränkung von Teilchen ist eines der merkwürdigsten Konzepte der Quantenphysik – und wirft noch viele Fragen auf.

Das wohl merkwürdigste Konzept der Quantenphysik irritierte schon Albert Einstein. Als »spukhafte Fernwirkung« betitelte er das Phänomen der Verschränkung. Diese besagt, dass Quantenteilchen selbst über enorme Distanzen hinweg verbunden sein können – und augenblicklich aufeinander reagieren. Auch wenn das der speziellen Relativitätstheorie zu widersprechen schien, ist inzwischen klar: Durch Verschränkung lässt sich keine Information übertragen. Damit behält die Lichtgeschwindigkeit ihre Rolle als oberstes Tempolimit im Universum.

Dennoch gibt es viele offene Fragen, die sich um Verschränkung und andere Phänomene der Quantenmechanik drehen. Vor etwa 20 Jahren sammelten Fachleute die wichtigsten Probleme des Bereichs. Auf Platz 5 der Liste mit insgesamt 29 Problemen landete die Frage, ob speziell verschränkte Teilchensysteme in realistischen Szenarien existieren können. Sprich: Bleiben die Teilchen auf bestimmte Weise verschränkt, auch wenn äußere Einflüsse sie stören? Nun konnte der Physiker Julio I. de Vicente von der Universidad Carlos III in Madrid diese Frage erstmals mit einem klaren Nein beantworten. In einer bei der Fachzeitschrift »Physical Review Letters« erschienenen Arbeit hat er mathematisch bewiesen, dass selbst kleinste Störungen den begehrten verschränkten Zustand zerstören – mit unangenehmen Folgen für Quantentechnologien.

Es gibt kaum einen Text zur Quantenphysik, in dem Verschränkung nicht vorkommt. Dank diesem Phänomen sollen Quantencomputer beispielsweise Aufgaben bewältigen, an denen selbst die besten Supercomputer scheitern. Und auch andere Quantentechnologien wie Quantensensoren nutzen verschränkte Zustände, etwa um erstaunlich präzise Messungen durchzuführen.

Maximale Verschränkung

Die meisten Anwendungen setzen dafür auf »maximal verschränkte Zustände«, die stärkste Art der Verschränkung. Angenommen, zwei Teilchen können die Zustände 1 und 0 (und Überlagerungen daraus) annehmen und sind maximal miteinander verschränkt. Misst man eines der Teilchen, dann weiß man dadurch automatisch, in welchem Zustand sich das andere befindet. Wenn zwei Teilchen hingegen nicht maximal verschränkt sind, dann ist der Zustand des zweiten Teilchens nach der Messung des ersten nicht eindeutig festgelegt. Wenn die erste Messung beispielsweise 1 ergibt, dann könnte das andere Teilchen mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent in Zustand 0 sein. Wenn Teilchen nicht maximal miteinander verschränkt sind, hängen ihre Zustände zwar voneinander ab, aber sie sind nicht vollständig voneinander bestimmt.

»Die Berechnung hängt mit sehr schwierigen Optimierungsproblemen zusammen. Deswegen gab es in den letzten Jahren keine Fortschritte«Julio I. de Vicente, Physiker

Im Jahr 2001 fragten sich die drei Physiker Frank Verstraete, Koenraad Audenaert und Bart De Moor, ob maximal verschränkte Zustände auch in realistischen Umgebungen existieren können. »Die mathematische Struktur (des Problems) ist leider recht umständlich«, schreibt de Vicente dazu in seiner Veröffentlichung, »die Berechnung hängt mit sehr schwierigen Optimierungsproblemen zusammen. Deswegen gab es in den letzten Jahren keine Fortschritte.« Das änderte der Physiker nun, indem er verschiedene Ansätze aus der Quanteninformationstheorie miteinander verband.

De Vicente zeigte auf diese Weise mathematisch, dass ein maximal verschränktes Quantensystem in einer verrauschten Umgebung nicht existieren kann. Solange man Quantenteilchen also nicht vollständig von äußeren Einflüssen isoliert, ist maximale Verschränkung unmöglich. Für Quantentechnologien ist das eine schlechte Nachricht. Doch glücklicherweise schließt de Vicentes Ergebnis nicht aus, dass Teilchen immer noch stark miteinander verschränkt sind. Und da in der Realität sowieso niemals ideale Bedingungen herrschen, sind auch kleine Abweichungen von einer maximalen Verschränkung wahrscheinlich hinnehmbar.

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