Direkt zum Inhalt

News: Lücken im Gedächtnis

Wenn alte Leute ein schlechtes Gedächtnis haben, dann liegt das daran, daß ihre Gehirnzellen langsam weniger werden - denken viele und liegen mit dieser Meinung völlig falsch. Tatsächlich nimmt unsere graue Masse das ganze Leben über ab, ohne daß es zu Ausfällen kommt. Nach Ansicht einer Wissenschaftlerin sind nicht die fehlenden, sondern die vorhandenen Zellen schuld an den Erinnerungslücken.
Michela Gallagher, Professorin für Psychologie an der Johns Hopkins University, verkündete auf der 28. Jahreskonferenz der Society for Neuroscience, es gäbe mittlerweile eine Unmenge von Hinweisen dafür, daß der kognitive Verfall im Alter weit weniger das Ergebnis einer Neurodegeneration ist, als allgemein angenommen wurde.

Sie verbrachte einen Großteil des letzten Jahrzehnts damit, die mysteriösen Prozesse zu erforschen, die Gedächtnis und Altern verbinden, indem sie Daten von Menschen studierte und die neurologischen Pfade von mehr als 800 gesunden Ratten in jedem Lebensalter verfolgte. Dabei entdeckte sie, daß es sich bei dem gefürchteten Verlust grauer Zellen, der nach Ansicht vieler Menschen ein natürliches Ergebnis des Alterns ist, tatsächlich um einen Prozeß handelt, der während der gesamten Lebenszeit eines Menschen abläuft. Die Anzahl der Neuronen nimmt beständig langsam ab, da von der Jugend bis ins hohe Alter dauernd Zellen absterben. Das Gehirn legt dabei die bemerkenswerte Fähigkeit an den Tag, diese Verluste wettzumachen, wobei es wahrnehmbaren Auswirkungen vorbeugt, bis die Verluste, wie Gallagher es ausdrückt, "sehr, sehr tiefgreifend werden". Die Neuronenverluste beschränken sich zudem anscheinend auf Zellpopulationen, die für das Gedächtnis keine signifikante Rolle spielen.

"Es stellt einen echten Paradigmenwechsel in der Neurowissenschaft dar", sagte Gallagher. "Seit Jahren haben Wissenschaftler danach gesucht, was den Tod von Gehirnzellen während der Alterung verursacht. Unsere Forschung hat diese Idee ziemlich auf den Kopf gestellt. Wir wissen jetzt, daß es wichtiger ist, die vorhandenen Zellen zu verstehen, als jene, die nach Ansicht der meisten Menschen verloren gehen. Die Idee des raschen Verlustes von Neuronen im Alter kann einfach nicht mehr aufrecht erhalten werden."

Die Überzeugung, daß der Grund für den Gedächtnisverlust mit zunehmendem Alter eine Neurodegeneration ist, stammt teilweise aus früheren Forschungen zur Alzheimerschen Krankheit, bei welcher das Absterben von Nervenzellen und ein großer Verlust von Gehirnmasse das Gedächtnis sowie andere kognitive Funktionen zerstören. Weil der Beginn von Alzheimer in das mittlere bis ins hohe Alter fällt, sagte Gallagher, hat man angenommen, daß das fehlerhafte Gedächtnis bei gesunden Erwachsenen ebenfalls durch den Tod von Neuronen verursacht wurde.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.