News: Lügen haben kurze Flossen
Wie die finnische Biologin Ulrika Candolin von der University of East Anglia in Norwich beschreibt, geht es jedoch nicht immer so ehrlich zu (Animal Behaviour vom Oktober 2000). Ältere oder kranke Stichlingsmännchen täuschen mitunter mit ihrem rotem Bauch eine Gesundheit vor, über die sie gar nicht mehr verfügen. Die Natur arbeitet hier mit knallharten Kosten-Nutzen-Analysen: Normalerweise können sich nur gesunde, gut genährte Männchen den Luxus leisten, ihren Bauch durch Beta-Carotinoide aus der Nahrung zu färben. Ein altes oder krankes Männchen, das nicht mehr lange leben wird, hat jedoch nichts zu verlieren. Es setzt alles auf eine Karte und färbt seinen Bauch leuchtend rot, um so seine letzte Chance auf Nachwuchs zu nutzen. Der Betrug kann soweit gehen, dass das Männchen die Eier des getäuschten Weibchens frisst, statt sie zu besamen und zu pflegen. Aus den Energiereserven der Eier schöpft der Betrüger neue Kraft für eine weitere Balz.
Doch konkurrierende Männchen machen dem Betrüger einen Strich durch die Rechnung. Der rote Bauch ist nicht nur ein Schlüsselreiz für laichbereite Weibchen, sondern auch für andere Männchen. Erblickt ein paarungsbereites Männchen den gefärbten Bauch eines Nebenbuhlers, sieht es im wahrsten Sinne des Wortes rot. Der Konkurrent wird sofort attackiert.
Als Ulrika Candolin unterschiedlich gesunde Männchen zusammenführte, verloren die betrügenden, schwachen Männchen ihre Rotfärbung, sobald sie ihre gesunden Artgenossen sahen. Offensichtlich konnten sie so einen Angriff vermeiden und verzichteten daher auf ihren Betrug. "Dass die Ehrlichkeit bei Konkurrenz unter Männchen steigt, ist ein wenig unerwartet", meint Candolin, "Wettbewerb gilt normalerweise nicht als förderlich für Ehrlichkeit." Doch die Natur scheint auch hier für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 1.8.2000
"Kavaliere mit Grenzen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 22.5.2000
"Mit fremden Federn geschmückt"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 6/98, Seite 72
"Wie Weibchen Partner wählen"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 6/93, Seite 78
"Fortpflanzungsstrategien des Dreistachligen Stichlings"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.