Astrophysik: MACHO-Stern rast durch die Milchstraße
Bei einer systematischen Untersuchung von rund 100 veränderlichen Sternen vom Typ RR Lyrae stieß ein Forscherteam um Andrea Kunder vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam auf den Stern MACHO 176.18833.411. Er entpuppte sich als ausgesprochener Schnellläufer, der mit 482 Kilometern pro Sekunde durch den Zentralbereich unseres Milchstraßensystems rast. Dabei legt er pro Stunde rund die 4,5-fache Entfernung Erde-Mond zurück – dagegen sind selbst die schnellsten Raumsonden lahme Enten. Der Stern befindet sich nicht in der unmittelbaren Nähe des zentralen Schwarzen Lochs. MACHO 176.18833.411 bewegt sich knapp unterhalb der galaktischen Fluchtgeschwindigkeit, so dass er unsere Galaxis nicht verlassen kann.
RR-Lyrae-Sterne sind pulsationsveränderlich und haben einen periodischen Lichtwechsel. Ähnlich wie die bekannten Cepheiden-Sterne haben sie eine definierte absolute Helligkeit, die sich an ihrer Periode ablesen lässt. Allerdings sind ihre Perioden sehr viel kürzer als diejenigen der Cepheiden. Anhand der gemessenen Helligkeiten lässt sich die absolute Helligkeit des Sterns errechnen und daraus seine Entfernung zu uns bestimmen. Aus spektralen Untersuchungen folgte zusätzlich die Geschwindigkeit relativ zum Milchstraßensystem, und es ließ sich die dreidimensionale Bewegungsrichtung ableiten. Mittels der dabei gewonnenen Daten konnte das Team um Kunder die Bahn von MACHO 176.18833.411 um den Zentralbereich der Milchstraße in der letzten Milliarde Jahren rekonstruieren. Es zeigt sich, dass der Stern das Zentrum auf extrem lang gezogenen Bahnen umrundet, die durch Vorübergänge an Massenansammlungen in der Galaxis ihre Lage im Raum und ihre Form ständig verändern.
Anhand der rekonstruierten Bahnen und weiterer spektraler Eigenschaften von MACHO 176.18833.411 gehen die Astronomen davon aus, dass dieser veränderliche Stern aus den Außenbereichen unseres Milchstraßensystems stammt. Er kommt aus dem so genannten Halo, einer kugelförmigen Region, welche die Scheibe unserer Galaxis umgibt. Die Forscher um Kunder planen nun, mit Hilfe detaillierterer Untersuchungen weitere Schnellläufersterne dieses Typs in unserem Milchstraßensystem aufzuspüren.
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