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News: Macht der Hormone

Nach der Entschlüsselung des Humangenoms steht es fest: wir müssen wohl mit etwa 30 000 Genen auskommen. Dass man aus der mageren Vorlage trotzdem über 100 000 verschiedene Proteine zaubern kann, liegt mit in der Hand der Hormone.
Die Schätzungen, wie viele Gene der Mensch denn nun habe, lagen vor der Vollendung des Humangenomprojekts zwischen 50 000 und 150 000. Schließlich bringt es schon die kleine Taufliege Drosophila melanogaster auf imposante 13 600 Gene. Da kann die "Krone der Schöpfung" natürlich nicht zurückstehen.

Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße, als für den Menschen eine erstaunlich kläglich anmutende Genzahl ermittelt wurde: Lediglich zwischen 26 000 und 40 000 Gene sollen ihm zur Verfügung stehen. Wenn man bedenkt, dass die erwähnte Fliege oder auch ein Wurm schon die Hälfte davon besitzt, erscheint dies nicht besonders viel.

Da der Mensch sich durch die Masse seiner Erbanlagen allein keine Vorteile ergattern kann, wendet er einen findigen Trick an: Er baut seine Vorlagen nach Bedarf um, sodass er mehr als das Dreifache an verschiedenen Proteinen daraus herstellen kann. Denn wie in einem Stecksystem ist die Zelle in der Lage, auf dem Weg vom Gen zum Protein regulierend einzugreifen und die Gene dabei neu zu ordnen. Möglich ist dies unter anderem durch den Prozess des so genannten alternativen Spleißens.

Hierbei macht sich die Zelle die Tatsache zunutze, dass die Erbinformation immer sicher im Zellkern verwahrt bleibt. Tritt ein Gen in Aktion, fertigen entsprechende Enzyme von der im Zellkern verbleibenden Vorlage eine Kopie an. Doch diese Kopie wird nachträglich noch überarbeitet: Bestimmte Abschnitte werden herausgeschnitten oder anders miteinander verknüpft, weitere Stücke werden ganz entfernt. Aus einem einzigen Gen kann so eine Vielzahl unterschiedlicher Kopien entstehen, die alle ein anderes Protein hervorbringen.

Unverzichtbar für diese effiziente Arbeit sind natürliche Hormone, wie die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron und das Glucocorticoid Cortisol. Bert O´Malley und seine Kollegen vom Baylor College of Medicine haben nun die Spur der Hormone verfolgt und dabei entdeckt, wie die Hormone diese Leistung vollbringen. Jede der als Steroidhormone beweglichen Strukturen wandert zuerst quer durch die Zellmembran ins Zellinnere ein, findet dort seinen spezifischen Partner, den Rezeptor, und bewegt sich im Doppelpack auf die wartenden Gene zu.

Haben sie das passende Gen gefunden, rekrutieren sie ein ganzes Set spezieller Moleküle, die Coaktivatoren. Diese Proteine schließlich machen sich auf die Suche nach den unerlässlichen Spleiß-Faktoren, die letztendlich entscheiden, welche Teile des ersten Transkripts erhalten bleiben und somit Bestandteil der beweglichen RNA-Kopie werden. Die Coaktivatoren können hierbei über zwei Punkte entscheidend in den Prozess eingreifen: Zum einen können sie die Menge der bereitgestellten Boten-RNA variieren und zum anderen auch das hergestellte Protein verändern.

So viel Macht hatte man den kleinen Hormonen gar nicht zugetraut. "Wenn Hormone positiv oder negativ wirken, dann liegt es vielleicht nicht daran, dass sie zu viel oder zu wenig von einem Protein produzieren, sondern daran, dass sie das falsche Protein in Auftrag geben", spekuliert O´Malley. "Und das könnte für alles mögliche gelten, von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Krebs." Als nächstes wollen sich Forscher auf die Suche nach einem Molekül machen, das hier regulierend eingreifen kann. Doch das ist bisher nichts weiter als Zukunftsmusik.

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