Direkt zum Inhalt

News: Machtkampf im Ameisennest

In den Lebensgemeinschaften sozialer Insekten haben Männchen eigentlich nur noch einen Lebenszweck: Sie begatten die Königin. Trotzdem ziehen manche Ameisenstaaten mehr männlichen Nachwuchs auf als ihre Artgenossinnen. Bisher gingen Forscher davon aus, dass die Arbeiterinnen, die sich um die Brutpflege kümmern, die Geschlechterverteilung bestimmen - schließlich entscheiden sie, wer Futter bekommt und wer nicht. Zumindest bei Feuerameisen liegt das Schicksal aber doch in den Händen der Königin: Denn sie reguliert bei ihren Eiern, wieviele sie befruchten lässt - und legt so die "Männerquote" in ihrem Staat fest.
Sie sind das Musterbeispiel für perfekte Organisation und Arbeitsteilung: staatenbildende Insekten. Ihre komplexen Sozialgefüge bestehen meist aus einer Königin an der Spitze, die für den Nachwuchs sorgt, und einer Vielzahl an Arbeiterinnen, die sich um das Alltagsgeschäft kümmern. Männchen sind in der weiblichen Gesellschaft offenbar nur noch nötig, um die Stammmutter zu befruchten. Aber wie sind die Machtverhältnisse verteilt? Handelt es sich um eine absolute Monarchie oder eher um ein Arbeiterparadies, in dem die Königin nichts zu sagen hat und zur reinen Legemaschine reduziert ist?

Zumindest was die geschlechtliche Zusammensetzung ihrer Kolonie betrifft, räumten Wissenschaftler den Arbeiterinnen ein sehr gewichtiges Mitspracherecht ein. Denn schließlich liegt es in deren Hand, welche der von der Königin gelegten Eier auch tatsächlich heranwachsen, da sie die Brut pflegen. Allerdings überleben in manchen Kolonien mehr Männchen, als für eine von den Arbeiterinnen dominierte Gesellschaft zu erwarten wäre.

Laurent Keller von der Université de Lausanne und seine Kollegen präsentieren nun eine Lösung für dieses Rätsel. Sie untersuchten Kolonien von Feuerameisen (Solenopsis invicta), einer ursprünglich in Lateinamerika heimischen Art, die sich zunehmend nach Norden ausbreitet. In ihren Staaten sind die Geschlechterverhältnisse unterschiedlich, manche Kolonien hegen fast ausschließlich weiblichen Nachwuchs, andere haben sich darauf spezialisiert, mehr Männchen aufzuziehen.

Um herauszufinden, wer letztendlich die "Männerquote" bestimmt – die Königin oder die Arbeiterinnen – tauschte Kellers Team die Königinnen von verschieden spezialisierten Kolonien gegeneinander aus. Und das kehrte sofort die Verhältnisse um: Ehemals weiblich dominierte Staaten zogen nun mehr Männchen auf und umgekehrt, die Geschlechterverteilung war also an die Königin gebunden.

Ein genauerer Blick auf die frisch gelegten Eier erklärte auch, warum: Königinnen aus Kolonien mit überwiegend weiblichen Nachkommen produzierten fast ausschließlich weibliche, also befruchtete Eier, während ihre Artgenossinnen aus Staaten mit einem höheren Männchen-Anteil mehr als 50 Prozent unbefruchtete, also männliche Eier ablegten. Die Tiere können die Befruchtung ihrer Eivorräte selbst steuern – und bestimmen somit die grundlegende geschlechtliche Zusammensetzung der Nachkommenschaft.

Nun hätten die Arbeiterinnen während der Aufzucht allerdings immer noch die Möglichkeit, dieses Verhältnis nach ihrem Gutdünken zu verschieben. Doch das unterlassen sie offenbar, wahrscheinlich um keine wertvollen Ressourcen der Gemeinschaft zu verschwenden. In diesem Machtkampf trägt also die Königin den Sieg davon – aber natürlich nur zum Wohle des Gesamten.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.