Mähmaschinen: »Der Bauernverband macht Druck gegen jede Regel, die Tiere schützt«
Frau Felde, von Anfang Mai an sind auf den Äckern wieder die Mähmaschinen für den ersten Grünlandschnitt des Jahres im Einsatz. Welche Folgen hat das für die Tiere, die dort leben?
Für viele Wildtiere hat das tödliche Folgen. Mähmaschinen fügen ihnen mit ihren scharfen Messern schwerste Verletzungen zu, die sie häufig nicht überleben.
Welche Tiere kommen dabei zu Schaden?
Verletzt werden vor allem Rehkitze, Feldhasen sowie Vögel, die auf den Wiesen brüten, aber auch andere, kleinere Wirbeltiere wie Kröten und Lurche. Ebenso fallen unzählige Insekten den großen Geräten zum Opfer. Insekten und auch Amphibien sind im Vergleich zu Hasen, Vögeln und Rehen eher unbeliebt, spielen für das Ökosystem aber eine wichtige Rolle. Die Tiere leiden allerdings nicht nur unter den gefährlichen Mähmaschinen, auch Düngemaschinen können ihnen schaden. Ein Beispiel: Kleine Hasen werden von ihren Müttern häufig auf Feldern und Wiesen abgelegt. Werden sie dort mit Dünger bespritzt, werden sie von ihrer Mutter verstoßen. Sie sterben anschließend allein im Feld.
Wie viele Tiere verenden denn in Deutschland so auf Feldern und Wiesen?
Die CDU/CSU-Fraktion berief sich für eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag im Jahr 2023 auf eine Schätzung der Deutschen Wildtierstiftung. Demnach fallen bundesweit eine halbe Million Wildtiere jedes Jahr landwirtschaftlichen Mähmaschinen zum Opfer. Darunter sind allein 90 000 Rehkitze sowie tausende Feldhasen, Kleinsäuger, Amphibien, Vögel und Insekten. Ich gehe allerdings davon aus, dass die tatsächliche Zahl viel größer ist.
Bei den Rehkitzen hat sich das Problem herumgesprochen.
Ja, der Schutz der Rehkitze ist immer wieder Thema in der medialen Berichterstattung. Die werden in etwa zur selben Zeit, in der die Bauern mähen, von ihren Müttern in den Wiesen abgelegt und nur einmal am Tag gesäugt. Das große Problem ist, dass die Kitze keinen Fluchtreflex haben und nicht weglaufen, sondern sich ins Gras drücken, wenn eine Maschine kommt. Dabei legen Feldhasen das gleiche Verhalten an den Tag. Und auch Bodenbrüter haben im Feld keine Chance, wenn die Maschine kommt, wie auch die Feldhamster, die immer seltener werden.
Von skalpierten Feldhamstern liest man deutlich seltener. Lenken die rührseligen Bambi-Berichte vom wahren Ausmaß des Problems ab?
Davon gehe ich aus. Bambi kennt und mag jeder, deshalb tut sich auch viel in der Vorsorge. Mit Drohnen werden die Tiere in den Wiesen geortet und herausgeholt, bevor sie unter die Messer geraten. Solche – bislang aber noch nicht bundesweit existierenden – Projekte werden sogar vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert. Aber alle anderen Tiere, die nicht so beliebt sind, fallen hinten runter; zum Teil auch, weil man sie mit der Drohnentechnik nicht orten kann. Vielen Menschen sind die anderen Tiere auch egal. Das ist schlimm, weil es sich um wichtige und nützliche Tiere handelt.
Wie ist die aktuelle Rechtslage genau? Worauf müssen Bauern achten?
Im Prinzip ist die Rechtslage eindeutig und simpel. Das Tierschutzgesetz schützt jedes Wirbeltier, unabhängig davon, ob es ein so genanntes Nutztier, ein Heimtier oder ein Wildtier ist. Insekten, Spinnen, Schnecken und Würmer sind entsprechend nicht erfasst. Festgelegt ist die Strafvorschrift im Paragraf 17: Niemand darf ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund töten oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügen. Die Strafnorm verlangt allerdings den Vorsatz des Täters. Die direkte Form, die Absicht, wird bei Landwirten hoffentlich in den wenigsten Fällen vorliegen. Macht man es aus Versehen, ist es also nicht strafbar. Allerdings ist vom Gesetz auch der so genannte bedingte Vorsatz erfasst. Dieser liegt vor, wenn der Bauer damit rechnen muss, dass Rehkitze zu einer bestimmten Jahreszeit in der Wiese liegen. Niemand darf die Erkenntnis übergehen: Oh, da könnte ein Kitz liegen. Strafbar macht sich aber nur, wer ein Kitz auch erwischt.
»Das Strafrecht setzt immer erst dann an, wenn das Tier verletzt oder tot ist. Sinnvoller für alle Seiten wären präventiv wirkende Vorgaben«
Dann ist es für das Tier aber ohnehin zu spät.
Das ist das Problem. Das Strafrecht setzt immer erst dann an, wenn das Tier verletzt oder tot ist. Sinnvoller für alle Seiten wären präventiv wirkende Vorgaben im Recht, also Vorgaben, die man einhalten muss, damit es erst gar nicht dazu kommt, dass ein Tier verstümmelt oder getötet wird. Wir müssten eine Vorschrift schaffen, die den Einsatz von Mähmaschinen ohne wirksame Vorrichtungen grundsätzlich verbietet. Und genau darauf hatten wir eigentlich gehofft …
Sie sprechen die Überarbeitung des Tierschutzgesetzes an, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Hält die Ampel Wort, den Tierschutz zu verbessern?
Der erste Referentenentwurf aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium wurde uns vergangenes Jahr durchgestochen. Da stand in der Tat drin, dass man nicht mähen darf, ohne Vorkehrungen zu treffen, um Tiere in der Wiese zu schützen. Dieser Entwurf erfasste auch landwirtschaftliche Flächen.
Was ist jetzt daraus geworden?
Im Februar ist der offizielle Referentenentwurf erschienen, der die Landwirte wieder aus der Pflicht entlässt. Darin werden nur noch Privatgärten und dabei vor allem Mähroboter, die Igeln schaden, von dieser Verbotsvorschrift erfasst. Das hat uns ziemlich erschreckt. Offenbar wurde die Passage auf Druck der Landwirte wieder entschärft. Und wir haben keine Hoffnung, dass sich daran noch etwas ändert. Die Bauern wollen mähen, wann sie wollen und ohne Vorkehrungen – und die Politik lässt das zu. Nur die Privatleute sollen in ihrem Garten gefälligst aufpassen.
Dass die Leute im Garten auf Igel und andere kleine Tiere achtgeben sollen, ist doch aber eine gute Entwicklung. Mähroboter töten tausende Tiere, vor allem nachts.
Natürlich. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Der Gesetzgeber wird die Bauern also voraussichtlich verschonen. Die von Ihnen geforderten Präventionsvorgaben dürften am Ende nicht im Gesetz stehen.
So ist das beim Tierschutz im Grunde schon immer gewesen. Der Bauernverband macht regelmäßig Druck gegen Vorschriften, die Tiere schützen. Und natürlich haben wir jetzt Sorge, dass auch der neue Tierschutzgesetzentwurf in die Schublade gelegt wird. Seit Januar gehen die Bauern auf die Straße und protestieren gegen die Ampel – in erster Linie wegen der Agrardieselsache. Aber natürlich ist ihnen auch das Tierschutzgesetz ein Dorn im Auge. Im schlechtesten Fall ändert sich für die Bauern also mal wieder gar nichts.
»Viele Bauern finden es schrecklich, wenn sie ein Rehkitz auf dem Gewissen haben. Die haben Angst vor jeder Mahd. Anderen ist das egal«
Dass Bauern heute Rehkitze retten, ist ohnehin nicht ihrer Tierliebe geschuldet. Die wurden einst dazu gerichtlich verdonnert, oder?
Da in der Vergangenheit viele tote oder verletzte Kitze von Spaziergängern gefunden wurden, ist das irgendwann vermehrt angezeigt worden. So sind die ersten Urteile zu Stande gekommen. Die Rechtsprechung lautet deshalb: Wenn der Landwirt damit zu rechnen hat, dass in seiner Wiese kleine Rehe liegen, macht er sich strafbar, wenn er die Wiese – ohne Vorkehrungen zu treffen – mäht und eines oder mehrere Kitze verletzt oder sogar tötet. Er muss die Wiese vorher also absuchen oder sie mit einer Drohne abfliegen. Sonst kann er wegen Tierquälerei verurteilt werden. Davor haben einige Landwirte zu Recht Angst. Ob die Landwirte das aber von sich aus machen oder quasi von der Rechtsprechung gezwungen werden, lässt sich pauschal nicht beantworten. Viele Bauern finden es schrecklich, wenn sie ein Rehkitz auf dem Gewissen haben. Die haben Angst vor jeder Mahd. Anderen ist das egal. Grundsätzlich gilt aber: Es ist nicht gut fürs Heu, wenn darin Kadaver eingeschlossen sind. Wenn diese verwesen, werden Giftstoffe freigesetzt, die Pferden und Rindern nicht gut bekommen.
Mit einem Urteil des Amtsgerichts Biedenkopf im Jahr 2010 wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass Rehkitze vor der Mähmaschine nicht sicher sind.
Das war das erste Urteil, das in den juristischen Datenbanken veröffentlicht wurde. Seit Jahren sammle ich Urteile zu diesem Thema. Wir kriegen seit einiger Zeit immer mehr Anfragen von Spaziergängern, die verletzte oder getötete Tiere finden. Die Leute schauen heute besser hin.
»Früher hat der Bauer zwei Tage vor der Mahd eine Vogelscheuche aufgestellt und dann gehofft, kein Tier zu erwischen. Heute gibt es richtig ausgefeilte technische Methoden«
Dass Tiere im Feld liegen können, wissen die Bauern aber nicht erst seit 2010.
Tatsächlich ist es so, dass Landwirte schon immer auf die Gefahr aufmerksam gemacht wurden. So sagen die Jäger bereits seit Jahrzehnten zu den Bauern: Wir gehen mit unseren Hunden durch die Wiese, bevor du mähst – ruf uns einfach kurz vorher an! Früher hat der Bauer zwei Tage vor der Mahd eine Vogelscheuche aufgestellt und dann gehofft, kein Tier zu erwischen. Heute gibt es richtig ausgefeilte technische Methoden. Die mit Wärmebildkameras ausgestatteten Drohnen sind das Nonplusultra. Es gibt so viele Möglichkeiten – ich verstehe wirklich nicht, warum die Politik vor den Bauern eingeknickt ist.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.