Phono-Physiologie: Geschlechter hören Größe unterschiedlich
An bestimmten akustischen Merkmalen von Wörtern und Rufen können Menschen hören, wie groß der Sprechende ist. Das scheint allerdings gerade bei tiefen Tönen Männern viel besser zu gelingen als Frauen, berichten nun Benjamin Charlton und seine Kollegen von der University of Sussex. Die Ursache für die geschlechtsspezifische Wahrnehmungsleistung ist unbekannt; womöglich aber war es im Lauf der Evolution für Männer wichtiger, die physische Potenz eines potenziell bedrohlichen Rivalen einschätzen zu können, spekulieren die Forscher.
Das Team hatte eine wesentliche akustische Komponente menschlicher Lautäußerung analysiert, die so genannten Formanten, und bestimmt, wie Männer und Frauen diese wahrnehmen. Formanten sind besonders verstärkte Frequenzbereiche, die durch den menschlichen Vokaltrakt individuell und geschlechtsspezifisch geformt werden: Sie entstehen, weil der Nasen- und Rachenraum als Resonator die vom Stimmapparat abgegebene Schalldruckwelle auf charakteristische Weise filtert, den Schall reflektiv sowie additiv überlagert und je nach Ausdehnung des anatomischen Schalltrichters verändert.
Tatsächlich korrelieren der Resonanzeffekt und damit die Formanten mit der anatomischen Größe des Resonators und somit auch mit der physischen Erscheinung eines Rufenden. Im Experiment mit 18 Männern und 37 Frauen zeigte sich tatsächlich, dass die Größeninformation anhand unterschiedlicher Formanten in tiefen Frequenzbereichen entschlüsselt werden kann – allerdings nur von Männern. Frauen waren deutlich seltener in der Lage, aus synthetisch generierten Lautäußerungen verschiedene Formanten herauszuhören.
Die Ursache der geschlechtsspezifischen Formantenerkennung ist unklar, ergänzt aber andere Untersuchungen. Dabei war ermittelt worden, dass Frauen tatsächlich Formanten weniger unterscheiden als Männer, dafür aber etwa Tonlagen genauer bewerten – etwa, um die Attraktivität eines Sprechers einzuschätzen. Charltons Team vermutet in den Ergebnissen eine Bestätigung der Hypothese, es sei für Männer im Lauf der Evolution wichtig gewesen, bereits an der Stimme eines rivalisierenden Gegenübers abschätzen zu können, wie physisch imposant – sprich gefährlich – dieser bei Handgreiflichkeiten sein mag. Zumindest bei manchen Säugetieren ist so ein Zusammenhang schon nachgewiesen – ob er für Menschen auch zutrifft, ist allerdings ungeklärt.
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