Direkt zum Inhalt

Partnerwahl: Männerdiskriminierung

Mag es bei einer Taufliegen-Massenversammlung auch danach aussehen, dass jede mit jedem oder so ähnlich - der Eindruck trügt. Die Weibchen mancher Arten sind dermaßen skeptisch gegenüber Fremden, dass selbst eigen Flügel und Rüssel nicht zum Zuge kommt. Schuld daran scheint ein eigentlich Unbeteiligter zu sein: der Parasit einer ganz anderen Spezies.
Taufliege
"Heut' Abend am Pilz" – dort trifft sich die Szene der nordamerikanischen Taufliegen-Arten Drosophila subquinaria und D. recens. Wer auf der Suche nach Männlein oder Weiblein ist, wird dort fündig. Das gilt natürlich auch für Forscher, die wissen wollen, in welchen Gebieten die beiden Spezies vorkommen und ob sich diese Regionen überschneiden. Warum also nicht Studenten auf einen Campingurlaub quer durch Nordamerika schicken, damit sie entsprechende Pilze suchen, Fliegen fangen und sie säuberlich verpackt ans heimische Labor senden?

Gedacht, getan – und das mit Erfolg: Wie John Jaenike von der Universität Rochester und seine Mitarbeiter feststellen konnten, teilen sich die Vertreter der beiden Arten so manches Liebesnest in einem 1200 Kilometer breiten Streifen in Kanada. Ein Ergebnis, das zunächst nur für Tiergeografen spannend ist, die Verbreitungskarten pflegen – also für nicht viele, ehrlich gesagt.

Aber für Jaenike und seine Kollegen war die Freilandaktion nur der erste Streich. Denn eigentlich ging es ihnen um etwas ganz anderes – und hier wird Forschung wieder einmal voyeuristisch: Würden Männlein und Weiblein der beiden Arten trotzdem miteinander, also, na, Sie wissen schon? Schließlich geht so im Gedränge auch mal was daneben. Das im Freiland beim Campen zu beobachten, wäre etwas viel verlangt. Im Labor aber, schön geordnet im Gläschen, fällt das Zuschauen leichter. Und damit es noch etwas umfassender wird, durften auch Artgenossen aus ferneren Gebieten beim fröhlichen Reigen mitmachen.

Drosophila subquinaria und D. recens | Kenn ich nicht, mag ich nicht: Ein Weibchen der Art Drosophila subquinaria lässt ein Männchen der verwandten Spezies D. recens links liegen. Es schützt sich so vor einer eventuellen Infektion mit dessen bakteriellem Untermieter Wolbachia. Manche der Weibchen gehen dafür sogar so weit, auch Männchen der eigenen Art zu verschmähen, wenn diese aus einer anderen Population stammen.
D. recens, so scheint es, nimmt alles und jeden: Artgenossen von nah und fern ebenso wie die nahen Verwandten aus jeglicher Gegend. D. subquinaria hingegen zeigte sich etwas zickiger. Die Weibchen ließen sich nur in besonderen Fällen und eher ungern mit Männchen der anderen Art ein – wenn beispielsweise die Alternative fehlte. Stammten die Tiere aus dem überlappenden Verbreitungsgebiet, lehnten sie die D.-recens-Männchen sogar völlig ab – dann half auch längerer gemeinsamer Gläschenarrest nicht, die Barriere zu überwinden.

Die Männerdiskriminierung erstreckte sich aber nicht nur auf die Fremden der anderen Art, sondern auch auf Fremde des eigenen Stalls: Selbst Männchen aus entfernteren Populationen konnten bei ihren Artgenossinnen aus dem Überlappungsgebiet nicht landen. Und das, obwohl das Erbgut der verschiedenen Vertreter sich kaum unterscheidet – nicht genug jedenfalls, um das wählerische Verhalten zu erklären.

Wolbachia in Drosophila-Hoden | Wolbachia (gelb) in Drosophila-Hoden (Zellkerne rot): Die Bakterien sorgen dafür, dass bei der Begattung eines nicht infizierten Weibchens die Nachkommen absterben.
Wirklich auflösen lässt sich das Rätsel wohl mit Wolbachia. Dieses Bakterium, das über die Mütter an die Nachkommen weiter gegeben wird, infiziert viele Insekten und ist berüchtigt dafür, die Fortpflanzung seiner Wirte kräftig durcheinander zu bringen bis hin zum Absterben ganzer Bruten und Sterilisierung. Im Falle der Taufliegen ist D. repens davon geplagt, D. subquinaria aber nicht.

Der erste Schritt – nicht infiziertes D.-subquinaria-Weibchen versetzt Parasitenträger D-recens-Männchen – ist daher klar: So vermeidet die Mutter in spe, ihre Nachkommen zu verlieren, bevor sie geboren werden. Denn das wäre der Preis der Paarung – Wolbachia lässt nur die Brut infizierter Weibchen überleben. Um diese Gefahr auszuschalten, gehen D.-subquinaria-Weibchen, die am Pilz auf infizierte Männchen treffen könnten, lieber gleich auf Nummer sicher und verweigern sich allen, die ihnen irgendwie fremd sind – auch den eigenen, aber doch fremden Artgenossen aus ferneren Heimaten.

Und nun wird es für die Tiergeografen wieder spannend, die sich fragen, welche Art wo vorkommt und warum: Müssen sie demnächst für D. subquinaria neue Karten erstellen, weil sich die einzelnen Populationen in eigene Spezies aufspalten? Schließlich ist ein solch wählerisches Verhalten in der Partnerwahl häufig der erste Schritt zur endgültigen Trennung. Und sollten die sich auseinander Lebenden keine gemeinsamen Pilze mehr finden, könnte dieser Pfad weit stärker in verschiedene Richtungen führen als die in Kanada noch immer verschlungenen Wege von D. subquinaria und D. recens.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.