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Krebstherapie: Magic bullet?

Wer eine tödliche Krankheiten besiegen will, nimmt auch Kollateralschäden in Kauf. So holen die in der Krebstherapie verwendeten Chemotherapeutika zum Rundumschlag aus und töten gleich etliche gesunde Zellen mit ab. Neue Ansätze in der Krebstherapie setzen dagegen auf einen zielgerichteten Angriff.
Eine sichere Methode, sich nicht an einer grassierenden Grippewelle anzustecken, besteht darin, den infektiösen Keimen aus dem Weg zu gehen – sofern das gelingt. Mit einem ähnlichen Trick versuchen Wissenschaftler, die Entwicklung schwerer nicht ansteckender Krankheiten wie Krebs gleich im Keim zu ersticken: Sie suchen nach Molekülen, die dafür verantwortlich sind, dass manche Zellen aus ihrem normalen Lebensstil ausbrechen und eine Karriere als Krebszellen beginnen, indem sie sich unablässig teilen. Gelänge es, diesen entscheidenden Molekülen ihr übles Handwerk zu legen, hätte der Krebs keine Chance.

Ein solches Molekül scheint Plk1 (polo-like kinase 1) zu sein. Dieses Enzym, das in vielen Tumorzellen stark vermehrt vorkommt, sorgt dafür, dass die Krebszellen niemals damit aufhören, sich zu teilen. Darum nahm nun Premkumar Reddy von der Temple-Universität in Philadelphia zusammen mit seinen Kollegen dieses Protein ins Visier und fahndete nach einer Waffe, um dessen sinistres Werk lahm zu legen. Dabei stießen sie auf eine neue Substanz namens ON01910, die das Zeug zu einer Wunderwaffe gegen Plk1 hat.

Die Forscher ließen ON01910 auf die Zellen 94 verschiedener Tumorarten los. Die Arbeit des Mittels konnte sich sehen lassen: Sämtliche getestete Krebszellen fielen ihm zum Opfer, darunter selbst Tumortypen, die dem Angriff gängiger Chemotherapeutika widerstehen. Vollkommen unbeeindruckt von ON01910 blieben lediglich gesunde menschliche Zellen.

Wirkung von ON01910 | Wirkung von ON01910 auf die Teilung von Tumorzellen: In den unbehandelten Zellen (oben) bildet sich eine Teilungsspindel (grün), welche die Chromosomen (rot) auf die Tochterzellen verteilt.
ON01910 (unten) verhindert den ordnungsgemäßen Aufbau des Spindelapparates; die Tumorzellen können sich nicht mehr teilen und sterben ab.
Auch den Trick, mit dem die neue Substanz arbeitet, entlarvten die Wissenschaftler: Sie fesselt dem Übeltäter Plk1 die Hände. Dadurch gelingt es den Krebszellen nicht mehr, die Chromosomen richtig an die Fäden des Spindelapparates anzuheften, mit Hilfe dessen sie ihr Erbgut gleichmäßig auf beide Tochterzellen verteilen. Zudem bauen sie unter dem Einfluss von ON01910 den gesamten Spindelapparat nicht ordnungsgemäß auf. Die Folge: Die Krebszellen bleiben mitten im Teilungsprozess stecken und begehen schließlich Selbstmord.

Dies gelingt der neuen Waffe nicht nur in der Zellkultur, sondern auch im lebenden Tier. Pflanzten Reddy und seine Kollegen Mäusen menschliche Krebszellen ein, so wucherten innerhalb weniger Tage Tumore in den Nagern. Behandelten die Forscher die Tiere dann mit ON01910, stoppte der Krebs sein Wachstum. Noch besser war der Erfolg, wenn die Mäuse zusätzlich auch noch ein gängiges Chemotherapeutikum erhielten. Dann verschwanden die Geschwuste sogar vollständig. Das Schöne daran: Die neue Waffe verrichtete ihren Job ohne gravierende Nebenwirkungen.

Angesichts der beeindruckenden Leistungen und der guten Verträglichkeit der neuen Substanz haben bereits erste klinische Studien begonnen. Die Wissenschaftler hoffen, dass ON01910 einmal – möglicherweise in Kombination mit herkömmlichen Chemotherapeutika – erfolgreich gegen Krebs im fortgeschrittenen Stadium oder gegen resistente Tumoren eingesetzt werden kann.

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