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Magnetsinn: Schildkröten »tanzen«, wenn sie auf bekannte Futterplätze treffen

Unechte Karettschildkröten nutzen Magnetfelder nicht nur zur Orientierung, sie verknüpfen sie auch mit Erlebnissen. Erkennen sie über ihren Magnetsinn einen Futterplatz wieder, führen sie ein Tänzchen auf.
Eine Unechte Karettschildkröte schwimmt unter Wasser in klarem, türkisfarbenem Wasser. Die Schildkröte ist nah am Betrachter und schein ihn anzuschauen. Im Hintergrund ist der sandige Meeresboden sichtbar.
Unechte Karettschildkröten wiegen bis zu 110 Kilogramm.

Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta) nutzen die Magnetfelder der Erde nicht nur zur Orientierung. Sie prägen sie sich auch ein und verknüpfen sie mit Erfahrungen: An Orten, an denen sie zuvor Futter fanden, zeigen sie beim erneuten Besuch ein besonderes Verhalten. Sie führen eine Art Tänzchen auf, wie eine Studie in »Nature« zeigt.

Um zu testen, wie gut sich Schildkröten magnetische Signaturen merken können, hielt ein Team um Kenneth Lohmann von der University of North Carolina in Chapel Hill junge Meeresschildkröten in Tanks mit nachgebildeten Magnetfeldern. Die Jungtiere verbrachten zwei Monate lang gleich viel Zeit in zwei Magnetfeldern, wurden aber nur in einem Bereich gefüttert. Sobald sie sich im Magnetfeld mit der vorherigen Futtererfahrung aufhielten, begannen sie, einen kleinen Tanz aufzuführen. Die Tiere öffneten dabei das Maul, neigten ihren Körper vertikal, paddelten mit den Vorderflossen und drehten sich gelegentlich auf der Stelle.

© Goforth et al., Nature (2025)
Verhaltenstanz bei Unechten Karettschildkröten
In Gefangenschaft lebende Unechte Karettschildkröten zeigen bei der Fütterung ein charakteristisches Tanzverhalten. Diese Bewegungen machen sie auch, wenn sie sich in einem Magnetfeld befinden, in dem sie zuvor Futter bekamen – selbst wenn sie tatsächlich keine Nahrung erhalten. Das Verhalten ist dann aber schwächer ausgeprägt. Zum Vergleich sieht man am Ende des Videos eine Schildkröte in einem Magnetfeld, in dem sie noch nie Futter bekam. Sie zeigt kein Tanzverhalten.

In Gefangenschaft gehaltene Schildkröten zeigen das Verhalten in der Regel in Anwesenheit von Futter. Doch in dem Experiment tanzten sie schon in Erwartung der Fütterung – als wüssten sie anhand der magnetischen Signatur, dass sie hier – wie schon zuvor – Nahrung bekommen würden. Ohne Futter war der Tanz allerdings zurückhaltender als sonst. Laut den Autoren können die Schildkröten Magnetfelder also nicht nur wahrnehmen, sondern sie mit bestimmten Erfahrungen verknüpfen und diese Erinnerung zur Orientierung und Futtersuche nutzen.

Die Forschenden entdeckten außerdem, dass dieser Sinn auf einem anderen Mechanismus beruht als der magnetische »Kompass« der Schildkröten. In Experimenten mit oszillierenden Magnetfeldern im Radiofrequenzbereich störten Lohmann und seine Kollegen bestimmte magnetische Rezeptoren der Reptilien. Während die Schildkröten weiterhin Futterorte erkannten, beeinträchtigten die Felder ihre allgemeine Orientierung stark. Das deute darauf hin, dass bei ihnen zwei getrennte Systeme der Magnetwahrnehmung existieren: eine »Magnetkarte«, die den Schildkröten hilft, sich Orte räumlich zu merken, und ein »Magnetkompass«, der für die Orientierung dient.

Die unterschiedlichen Instrumente der Magnetorezeption könnten auch bei den meisten Wirbeltierarten vorhanden sein, so die Fachleute. Meeresschildkröten sind für ihre Langstreckenwanderungen bekannt und kehren oft zu ihren Futterplätzen zurück. Wie genau sie navigieren, ist jedoch noch wenig verstanden.

  • Quellen
Nature 10.1038/s41586–024–08554-y, 2025

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