Geologisch-biologische Koevolution : Magnetsinn entstand schon kurz nach dem Magnetfeld
Auch einige Gruppen von Bakterien haben einen Magnetsinn: Wie Bienen oder Tauben können sich diese magnetotaktischen Keime anhand der Feldlinien orientieren. Als Sinnesorgan dienen ihnen dabei Magnetosomen, komplexe, aus ferromagnetischen Mineralen zusammengesetzte Zellkonstrukte, die wie Kompassnadeln reagieren. Damit erlauben sie den Bakterien wohl im Wesentlichen, oben und unten zu unterscheiden, indem diese den je nach Inklination und geografischer Breite unterschiedlich schräg abwärts einfallenden Magnetfeldlinen folgen. Die Urahnen solcher Bakterien haben sicherlich als erste irdische Lebensformen den Magnetsinn erfunden – unklar blieb aber, wie lange es nach dem Aufbau des Erdmagnetfelds dauerte, bis die Evolution auch die ersten Magnetfeldsensoren hervorgebracht hat. Die Antwort gibt nun ein Team von Mikrobiologen: überraschend kurz. Offenbar gab es die ältesten Magnetfeldrezeptoren schon bald nachdem das Erdmagnetfeld vor mehr als drei Milliarden Jahren nennenswert stark geworden war.
Aus derart alten Zeiten existieren kaum Überbleibsel: Die bislang ältesten, wahrscheinlich aus Bakterien stammenden Magnetosom-Kristall-Fossilien sind um die 1,9 Milliarden Jahre alt. Sicher gab es bakterielle Magnetsensoren aber schon deutlich früher, meinen nun Yongxin Pan von der chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen, nachdem sie mit Gensequenzvergleichen die Evolution zweier Bakterienlinien nachvollzogen haben: der magnetotaktischen Nitrospirae sowie ihrer Schwestergruppe, der nicht mit einem Magnetsinn ausgestatteten Proteobacteria. Die beiden Linien trennten sich vor rund drei Milliarden Jahren – und um diese Zeit herum müssen die Nitrospirae jene Genvarianten entwickelt haben, die den Aufbau der Magnetosomen verwalten. Die Forscher konnten ausschließen, dass diese Gene später von anderen Spezies durch horizontalen Gentransfer übernommen wurden.
Damals war das Magnetfeld der Erde wohl gerade erst dauerhaft stark genug, um von biologischen Messinstrumenten wie den Magnetosomen sinnvoll ausgelesen werden zu können: Man vermutet, dass erst eine ständige Feldstärke von mehr als sechs Mikrotesla den Unterhalt eines Magnetsinns zur Orientierung rechtfertigt. Im mittleren Archaikum – zu Zeiten der ersten Nitrospirae – war das Magnetfeld nach dem Anlaufen des Erddynamos schon stetig und ausgeprägt genug.
Ungeklärt bleibt noch die Frage, wozu die frühen Bakterien damals den Magnetsinn eigentlich brauchten. Heute dient er den sauerstoffscheuen, magnetotaktischen Bakterien wohl dazu, ihren Weg nach unten zu finden, um so das von ihnen bevorzugte O2-arme Milieu etwa in Seesedimenten aufzusuchen. Dies war im reduzierenden, fast gänzlich sauerstofffreien Urozean der frühen Erde aber kaum nötig. Spekuliert wird daher, ob es nicht doch auch im frühen Urozean sauerstoffreichere Taschen gegeben hat, die es zu vermeiden galt – oder ob die frühen magnetotaktischen Keime oben und unten unterschieden haben, um sich zum Beispiel eine optimale Nische zwischen Schichten aus verschieden stark oxidierten Eisenverbindungen zu eigen zu machen, die manche Forscher für die Sedimente im Urozean postulieren.
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