Direkt zum Inhalt

Magnetsinn: Künstliche Magnetfelder verändern Ameisengehirne

Stört man den Magnetsinn der Ameisen, entwickeln sich Teile des Gehirns falsch. Das betrifft zwei Regionen, die für räumliche Orientierung und den Himmelskompass entscheidend sind.
Eine Ameise auf Sand.
Ameisen der Gattung Cataglyphis leben in trockenen, heißen Ökosystemen.

Veränderungen des Magnetfelds haben grundlegende Auswirkungen auf die Hirnstruktur von Ameisen. Wenn Wüstenameisen (Cataglyphis nodus) bei ihrem ersten Ausflug aus dem Nest einem anderen Magnetfeld als dem natürlichen ausgesetzt sind, bleiben zwei für die Orientierung wichtige Hirnbereiche kleiner und schwächer vernetzt. Wie Wissenschaftler um Pauline N. Fleischmann von der Universität Würzburg berichten, betrifft das vor allem den Pilzkörper, der Sehinformation verarbeitet. Die Ergebnisse legten nahe, dass die Ameisen einen funktionierenden Magnetsinn benötigen, um räumliche Informationen über ihre Umgebung zu verarbeiten und visuelle Erinnerungen dauerhaft abzuspeichern, schreibt das Team in der Fachzeitschrift »PNAS«.

Wie auch viele andere Tiere nehmen Ameisen das natürliche Magnetfeld wahr und nutzen es, um sich zu orientieren. Doch wie das Gehirn diese Sinnesinformation verarbeitet und mit anderen Wahrnehmungen zusammenführt, ist bisher ungeklärt. Um das herauszufinden, fiel die Wahl der Arbeitsgruppe auf die Wüstenameise. Denn das Nervensystem von Cataglyphis ist gut erforscht und die Tiere zeigen ein sehr typisches Verhalten im Zusammenhang mit räumlicher Orientierung: Wenn sie erstmals ihr Nest verlassen, führen sie einen »Lern-Lauf« durch, bei dem sie ihren mit polarisiertem Licht arbeitenden »Himmelskompass« kalibrieren und sich wichtige Orientierungspunkte in der Landschaft merken. Dabei blicken sie immer wieder zurück zum Nesteingang.

Das Verhalten verschwand jedoch, wenn die Fachleute neben dem Nest eine stromdurchflossene Spule aufstellten. Die erzeugt ein künstliches Magnetfeld und stört so den Magnetsinn der Tiere. Wie die Forschenden herausfanden, benötigen die Insekten offenbar die horizontal gerichtete Komponente des Magnetfelds, um die räumliche Umgebung ihres Nests korrekt zu lernen. Mikroskopische Analysen der Ameisengehirne ergaben, dass sich bei den Tieren mit gestörtem Magnetsinn der Pilzkörper nicht normal entwickelt hatte. Dieser Teil des Insektenhirns verarbeitet visuelle Informationen. Außerdem fand die Gruppe sichtbare Veränderungen im Zentralkomplex, jenem Teil des Nervensystems, in dem Himmelskompass und Bewegungskontrolle verortet sind. Sie vermutet deswegen, dass die Ameisen das statische Erdmagnetfeld nutzen, um den für ihre Orientierung entscheidenden Himmelskompass zu kalibrieren.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.