Paläontologie: Mahlsteinlose Mühle?
Was tun, wenn man keine guten Zähne hat und das Futter schwer verdaulich ist? Richtig: Hilfswerkzeuge nutzen. Doch dienten Dinos hierfür wirklich Steine im Magen? Neue Forschungen sprechen gegen diese Theorie.
Die Riesendinosaurier hatten ein Problem: Sie waren groß, benötigten viel Energie und mussten deshalb viel fressen. Viele von ihnen hatten im Verhältnis zum Körper einen sehr kleinen Kopf und nur schmale, spitze Zähne, die eher zum Abreißen als zum Zerkauen von Pflanzen geeignet waren. Ein Gutteil der Nährstoffe blieb ihnen deshalb wohl verschlossen – es sei denn, sie bedienten sich körperfremder Hilfsmittel. Bislang vermuteten viele Forscher, dass dies Steine waren, die sie herunterschluckten. In ihrem muskulösen Magen wirkten sie dann wie eine Art "Magenmühle".
Gelegentlich seien zwar Steine zusammen mit Sauropodenskeletten gefunden worden, doch geschehe dies bei Sauropodenfunden nicht regelmäßig, so der Bonner Forscher weiter. Und wenn vorhanden, ist ihre Masse im Verhältnis zur Körpergröße viel geringer als bei Vögeln, die zumindest bei den Straußen durchschnittlich einem Prozent ihrer Körpermasse entsprach.
Es gibt jedoch eine andere Gruppe Dinosaurier, deren Magensteinüberreste sich Wings' Untersuchungen zufolge gut mit einer vogelähnlichen Magenmühle in Übereinstimmung bringen lassen: die so genannten Theropoden. Aus ihnen haben sich später die heutigen Vögel entwickelt.
Diese Magenmühle findet sich heute noch in pflanzenfressenden Vögeln, deren zahnloser Schnabel das Grünzeug ebenfalls nicht recht zerkleinern kann. Strauße beispielsweise lösen auf diese Weise ihr Ernährungsproblem. Sie besitzen einen Muskelmagen, der mit einer Hornschicht ausgekleidet ist und Steine enthält, welche die Pflanzenkost zerkleinern und zerreiben und dadurch beim Verdauen der Nahrung helfen.
Was für die vergleichsweise kleinen Strauße gilt, müsste eigentlich viel mehr noch für die Riesendinosaurier aus der Jura- und Kreidezeit (200 Millionen bis 65 Millionen Jahre vor heute) wie Seismosaurus und Cedarosaurus zutreffen: Die teilweise mehr als dreißig Tonnen schweren Tiere waren die größten Pflanzenfresser, die es je gegeben hat. Dabei mussten sie für ihr schnelles Wachstum und den Stoffwechsel ihrer überdimensionierten Körper enorme Futtermengen verdauen, was bei einem im Mund vorgefertigten Nahrungsbrei deutlich effizienter abliefe. Glatt geschliffene Steine, die in mehreren Fällen zusammen mit Skeletten von Sauropoden ausgegraben wurden, interpretierte die Wissenschaft daher bislang ebenfalls als Magensteine.
Oliver Wings von der Universität Tübingen und Martin Sander von der Universität Bonn haben nun jedoch nachgewiesen, dass es sich zumindest nicht um eine Magenmühle handeln kann, wie sie die Vögel als heutige Verwandte der Dinosaurier besitzen. Die beiden Geowissenschaftler boten Straußen – die größten gefiederten Vegetarier – auf einer deutschen Zuchtfarm Steine wie Kalkstein, Rosenquarz und Granit zum Fressen an, deren Beschaffenheit sie nach dem Schlachten der Tiere neuerlich untersuchten. Doch diese sahen nun gänzlich anders aus, als jene bisweilen sogar als Gastrolithe verkauften Gegenstücke aus Dino-Mägen. Denn die Straußen-Steine wurden innerhalb kurzer Zeit im Muskelmagen abgenutzt und enthielten keine Politur mehr – im Gegenteil: Ihre Oberfläche raute sich während der Experimente im Magen auf. "Wir halten sie deshalb nicht für Überreste einer Magenmühle, wie sie bei Vögeln vorkommt", kommentiert dies Sander.
Gelegentlich seien zwar Steine zusammen mit Sauropodenskeletten gefunden worden, doch geschehe dies bei Sauropodenfunden nicht regelmäßig, so der Bonner Forscher weiter. Und wenn vorhanden, ist ihre Masse im Verhältnis zur Körpergröße viel geringer als bei Vögeln, die zumindest bei den Straußen durchschnittlich einem Prozent ihrer Körpermasse entsprach.
Doch wozu waren die Magensteine der Dinosaurier sonst gut? Möglicherweise wurden sie versehentlich mit gefressen oder zur Verbesserung der Mineralstoffaufnahme absichtlich verschluckt, vermuten die beiden Forscher. Deshalb müssen sich die Urzeitechsen anderweitig beholfen haben. Denn bei der Zersetzung der großen Mengen schwer verdaulichen Materials müssen Bakterien im Verdauungstrakt helfen, diese können das Futter aber umso besser abbauen, je kleiner die Stücke sind. Um die Verdauung zu verbessern, war der Sauropodendarm also vielleicht so gebaut, dass die Nahrung sehr lange dort zurückgehalten wurde.
Es gibt jedoch eine andere Gruppe Dinosaurier, deren Magensteinüberreste sich Wings' Untersuchungen zufolge gut mit einer vogelähnlichen Magenmühle in Übereinstimmung bringen lassen: die so genannten Theropoden. Aus ihnen haben sich später die heutigen Vögel entwickelt.
© Universität Tübingen
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