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News: Maisbedingte Verdauungsprobleme

Wer als Eulenfalter-Larve dick und rund werden will, sollte um manche Maissorten einen großen Bogen machen. Denn der Schmaus bekommt dem Schmetterlingsnachwuchs schlecht: Ein in den Blättern enthaltenes Enzym durchlöchert die innere Membran des Verdauungstraktes.
Pflanzen könnnen nicht weglaufen, also müssen sie sich mit anderen Methoden gegen jene wehren, die sie zum Anbeißen finden. Sie beweisen dabei einen beeindruckenden Einfallsreichtum – sie produzieren Substanzen, die das Wachstum der Angreifer hemmen, ihren Häutungsprozess unterbinden oder sie schlicht vergiften, um nur einige Mechanismen zu nennen. Und trotzdem fallen noch viele Blätter, Früchte und Wurzeln hungrigen Fraßfeinden zum Opfer.

Auch die Maispflanze (Zea mays) hat mit einigen unerwünschten Untermietern zu kämpfen. So tun sich unter anderem die Larven des Eulenfalters Spodoptera frugiperda gern an den Blättern gütlich, doch haben einige Maislinien hier offensichtlich ein Abwehrmittel parat: eine 33 Kilodalton große Cystein-Protease. Schon eine Stunde nach dem ersten Biss reichert sich dieses Enzym an der verwundeten Stelle an und scheint den hungrigen Raupen den Appetit zu verderben. Denn der Schmetterlingsnachwuchs, der sich die Blätter jener wehrhaften Sorten einverleibte, legte nur die Hälfte an Gewicht zu im Vergleich zu den Artgenossen, die von anfälligen Sorten fraßen. Saßen sie gar auf gentechnisch verändertem Zellgewebe, welches das Enzym herstellt, brachten sie bis zu 80 Prozent weniger auf die Waage.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen brachten nun ans Licht, wie die Protease dabei zu Werke geht. Tibor Pechan von der Mississippi State University und seine Kollegen fütterten vier Tage alte Spodoptera-Larven mit Blättern von anfälligen sowie resistenten Pflanzen und undifferenziertem Gewebe aus genetisch veränderten Zellen, die das Enzym ebenfalls herstellen. Weitere vier Tage später wogen sie ihre Versuchstiere und präparierten deren Darm heraus, um ihn von innen genauer zu betrachten.

Dabei interessierten sie sich besonders für die peritrophische Membran, eine vierlagige Schicht aus Chitin und verschiedenen Proteinen und anderen Molekülen, die den Verdauungstrakt innen auskleidet. Sie spielt eine entscheidende Rolle für die Aufnahme von Nährstoffen und den Transport des Nahrungsbreis, außerdem schützt sie das empfindlichere Gewebe vor Verletzungen durch die verschlungenen Mahlzeiten.

Auf den ersten Blick sahen die Forscher keine großen Unterschiede zwischen den einzelnen Tieren. Es fiel allerdings auf, dass die Larven von den fraßresistenten Pflanzen nur einzelne Nahrungsbrei-Brocken in ihrem Darm aufwiesen und keine zusammenhängende Wurst wie ihre Artgenossen.

Der zweite, detailliertere Blick offenbarte dann das Zerstörungswerk: Bis zu mehrere Mikrometer große Kratzer, Risse und regelrechte Löcher durchzogen bei den untergewichtigen Larven vor allem die innere Schicht der peritrophischen Membran, die mit dem Nahrungsbrei in direktem Kontakt steht. Die Cystein-Protease oder eines ihrer katalytischen Produkte hatten nach den nur vier Tagen ganze Arbeit geleistet. Im Freiland, wo die Larven bis zur Verpuppung an den Blättern der Maispflanzen fressen, dürfte der Darm ein einziges Sieb darstellen.

Wie das Enzym, das eine Bindungsstelle für Chitin aufweist, das Gewebe schädigt, bleibt allerdings noch unklar. Vielleicht setzt es sich an die Stelle eines anderen Chitin-bindenden Proteins und stört damit den natürlichen Aufbau. Oder es heftet sich an die Membran und beeinträchtigt benachbarte Proteine. Das saure Milieu, das es für seine zerstörerische Arbeit in dem sonst alkalischen Darm braucht, entsteht wahrscheinlich lokal durch ausgeschüttete Verdauungsenzyme – die Tiere schaffen also selbst erst die Bedingungen, die ihnen anschließend den Appetit verderben.

Da Wirbeltiere – und damit einige der natürlichen Feinde der Schmetterlingslarven – keine vergleichbare Chitin-Membran in ihrem Verdauungstrakt aufweisen, ist die Cystein-Protease für sie harmlos. Die Folgen für andere Insekten müssen noch untersucht werden. Dann aber könnte sich der nun entdeckte Verteidigungsmechanismus der Maispflanzen nach Ansicht der Forscher als neue Waffe im Kampf gegen Fraßinsekten entpuppen – denen dann zumindest einige Blätter weniger zum Opfer fallen würden.

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