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Schlaue Haustiere: Manche Hunde sind Sprachgenies

Einige Hunde können mehr als 100 verschiedene Bezeichnungen für Gegenstände lernen. Eine solche Auffassungsgabe besitzen aber nur extrem wenige Vierbeiner. Gehört Ihrer dazu?
Ein Golden Retriever heult
Mehr als nur »wau, wau«: Manche Hunde besitzen ein immenses Sprachtalent. Doch nur wenige Vierbeiner sind so begabt.

Hunde tauchen regelmäßig in den Top-Ten-Listen der intelligentesten Tiere der Welt auf. Wie jeder Tierbesitzer wahrscheinlich schon festgestellt hat, sind manche Hunde jedoch schlauer als andere. Und einige sind sogar – verglichen mit anderen Artgenossen – regelrechte Genies. Forscherinnen und Forscher haben in einer am 14. Dezember im Fachjournal »Scientific Reports« erschienenen Arbeit beschrieben, dass einzelne Hunde in der Lage sind, die Bezeichnungen von mehr als 100 verschiedenen Spielzeugen zu lernen.

Die meisten der untersuchten Tiere schienen dieses Sprachtalent von Natur aus zu besitzen, ohne dass sie gezielt darauf trainiert wurden. »Die Besitzer haben eines Tages festgestellt, dass ihr Hund die Namen der Spielzeuge kennt«, sagt die Hauptautorin der Studie, Shany Dror, Ethologie-Doktorandin an der ungarischen Eötvös-Loránd-Universität. »Jemand sagte: ›Pizza‹, und der Hund kam plötzlich mit dem Pizzaspielzeug an.«

Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Denkens, der Kommunikation und des kollektiven Funktionierens. Es gibt viele offene Fragen über die evolutionären Ursprünge dieses Verhaltens. Indem Fachleute die Sprachfähigkeiten anderer Tierarten untersuchen, lässt sich mehr über die Entstehung der menschlichen Sprache erfahren. Die meisten Studien konzentrierten sich bisher auf Affen oder Delfine. Allerdings beschäftigen sich solche Untersuchungen oft mit Tieren in Gefangenschaft, was die Ergebnisse verfälschen könnte.

Hunde hingegen leben seit etwa 15 000 bis 20 000 Jahren mit Menschen zusammen und sind ständig mit Sprache konfrontiert. »Die Art, wie wir mit unseren Hunden kommunizieren, ist der Weise, wie wir mit Kleinkindern interagieren, sehr ähnlich«, sagt Dror. »Auch die Verbindung, die Hunde mit ihren menschlichen Bezugspersonen eingehen, gleicht der mit Kleinkindern.«

Warum können Kinder sprechen, Hunde aber nicht?

Doch irgendwann lernen Babys zu sprechen, Welpen hingegen nicht. Nur wenige Fachleute haben versucht, den Grund dafür herauszufinden. 2004 berichtete eine Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dass ein Border Collie namens Rico die Wörter für mehr als 200 verschiedene Gegenstände kannte. Doch selbst 20 Jahre nach der Veröffentlichung dieser Arbeit haben Forschende außerhalb von Drors Team nur sechs weitere Hunde gefunden, die ein ähnliches Talent besitzen.

»Das war ein kläglicher Fehlschlag. Nach drei Monaten kannten die Hunde nicht einmal die Namen von zwei Spielzeugen«Shany Dror, Ethologin

Dror, die auch professionelle Hundetrainerin ist, brauchte für eine belastbare wissenschaftliche Untersuchung dringend mehr sprachbegabte Tiere. Daher versuchte sie zunächst, 34 Hunde aus gewöhnlichen Haushalten darauf zu trainieren, verschiedene Vokabeln zu lernen. »Das war ein kläglicher Fehlschlag«, sagt sie. »Wir haben alle sehr hart gearbeitet, aber nach drei Monaten kannten sie nicht einmal die Namen von zwei Spielzeugen.«

Wer hat den schlausten Hund?

Anstatt also zu versuchen, den Hunden etwas beizubringen, beschloss sie, die Besitzer von besonders schlauen Hunden ausfindig zu machen. Sie und ihre Kollegen riefen die »Genius Dog Challenge« ins Leben: ein live auf YouTube übertragener Wettbewerb, bei dem schlaue Hunde gegeneinander antreten, um ihr Sprachtalent unter Beweis zu stellen. Nach fünf Jahren hatten die Forschenden 41 sprachbegabte Hunde (die die Namen von mindestens fünf Spielzeugen kannten) identifiziert. Die Vierbeiner waren in neun verschiedenen Ländern auf drei Kontinenten verstreut. Mehr als die Hälfte waren Border Collies, aber das Team dokumentierte auch die Sprachfähigkeiten von verschiedenen Mischlingen, drei Labradoren, zwei Zwergspitzen, einem Pekinesen, einem Shih Tzu, einem Corgi, einem Zwergpudel, einem Deutschen Schäferhund und einer Kreuzung aus einem Australian Cattle Dog und einem Miniature Australian Shepherd.

Als Dror anfangs das Sprachtalent der Hunde anhand von Online-Videogesprächen untersuchte, kannten die Tiere durchschnittlich 29 Bezeichnungen für Spielzeuge – der Spitzenreiter unter ihnen kannte 86. Dann folgte das Sprachtraining. Die Hunde zeigten eine erstaunliche Lerngeschwindigkeit, sagt Dror. Die Besitzer berichteten, dass die Hunde nur etwa fünf Minuten brauchten, um den Namen eines neuen Spielzeugs zu lernen. Ältere Hunde waren davon nicht ausgenommen: Den Tieren gelang es, ihren Wortschatz im Lauf der Jahre stetig zu erweitern. Als das Team um Dror seine Arbeit abschloss, kannten 16 der Hunde die Namen von mehr als 100 Spielzeugen.

»Die Forschungsergebnisse stellen einen spannenden Fortschritt dar«, sagt Heidi Lyn, vergleichende Psychologin an der University of South Alabama, die nicht an der Arbeit beteiligt war. »Diese Studie ist ein großartiges Beispiel für das Potenzial von Citizen-Science-Projekten sowie dafür, unsere tierischen Begleiter besser verstehen zu lernen und umgekehrt.«

Dror und ihre Kollegen wissen derzeit noch nicht, was die tierischen Sprachgenies von anderen Hunden unterscheidet. Die Tiere in der Studie waren sehr motiviert, mit Spielzeug zu spielen, und hörten genau zu, wenn ihre Besitzer sprachen. Doch wie Dror betont, sind das keine einzigartigen Eigenschaften. Tatsächlich zeigen viele Hunde ein ähnliches Verhalten. Die Forscherin vermutet, dass die Umgebung, in der die Tiere aufwachsen, in Verbindung mit einer natürlichen Begabung eine Rolle dabei spielt, ob sie zu Sprachtalenten werden. »Wir können aber noch nicht sagen, woraus sich diese Faktoren zusammensetzen und wie sie zusammenwirken«, sagt sie.

»Wir sind immer daran interessiert, neue Hundebesitzer und ihre Tiere kennen zu lernen«Shany Dror, Ethologin

Die vergleichende Psychologin Irene Pepperberg von der Boston University, die nicht an der Studie beteiligt war, findet es interessant, dass nicht alle Arbeitshunde – oder solche, die als Hütehunde, Jäger oder Fährtenleser gezüchtet wurden – sprachbegabt sind. Umgekehrt sind jedoch fast alle Sprachtalente Arbeitshunde. Dazu gehören Schäferhunde und Labradore, aber auch weniger offensichtliche Rassen wie Pudel, die vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg in der Armee eingesetzt wurden, und Zwergspitze, die ursprünglich Wachhunde waren. »Rassen wurden – zumindest bis vor Kurzem, als sich die Schönheitsnormen weiterentwickelt und den Genpool beeinflusst haben – sorgfältig ausgewählt, um über Tausende von Jahren die menschliche Sprache zu lernen und darauf zu reagieren«, sagt Pepperberg.

Dror und ihre Kollegen möchten in weiteren Studien die Faktoren untersuchen, die zum Sprachtalent bestimmter Hunde beitragen. Sie hoffen zu erfahren, inwieweit sich der Lernansatz der Tiere von menschlichen Kindern unterscheidet. Das Team möchte auch die Stichprobengröße erweitern. Daher ermutigt Dror Hundebesitzer, die ein Talent in ihrem Haustier vermuten, sich bei ihnen zu melden. »Wir sind immer daran interessiert, neue Hundebesitzer und ihre Tiere kennen zu lernen«, sagt sie. Mit der Forschungsgruppe kann man unter folgendem Link in Kontakt treten.

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