Grippewelle: Manche mögen's trocken
Es ist doch jedes Jahr das gleiche: Pünktlich zum Winteranfang startet auch die neue Grippesaison. Über die Ursachen streiten sich Forscher seit Langem. Ob nun Vitaminmangel oder Stubenhocken – immer wird die Schuld beim Opfer gesucht. Dabei ist das Lieblingswetter des Influenzavirus doch mindestens genauso spannend.
Taschentuch, Fieberthermometer und eine dampfende Tasse Kamillentee – Utensilien, die schon fast zur Standardausrüstung eines jeden Grippekranken gehören. Hat wieder einmal Influenza zugeschlagen, ist der obligatorische Griff zum Tempo nicht nur für die Taschentuchindustrie ein Segen, sondern auch für das Virus selbst: So kann es sich bestens vom Nasensekret über die Hände auf Türklinken und Telefonhörer ausbreiten und von dort schließlich die Mitmenschen anstecken. Außerhalb des Körpers können Viren Minuten bis zu einigen Stunden infektiös bleiben.
Bei der Lösung des großen Grippe-Rätsels "Warum häufen sich Influenzainfektionen im Winter?" spielte diese Fähigkeit bislang nur eine Statistenrolle. Die Vermutungen konzentrierten sich weniger auf den Täter als auf das Opfer und dessen Anfälligkeit. So sollte beispielsweise ein Mangel an Vitamin D das Immunsystem schwächen, da sich durch das spärliche Tageslicht weniger davon in der Haut bildet. Eine andere Theorie ging davon aus, dass das Infektionsrisiko steigt, weil sich Menschen im Winter meist in geschlossenen Räumen aufhalten und sich wegen des engeren Kontakts über Tröpfchen oder Berührungen häufiger gegenseitig anstecken.
Eine Studie aus dem Jahr 2007 rückte schließlich wieder den Verursacher in den Mittelpunkt. Forscher der Mount Sinai School of Medicine in New York fanden in einem Experiment an Meerschweinchen heraus, dass eine geringe relative Luftfeuchtigkeit die Ausbreitung des Virus via Respirationströpfchen begünstigt. Jeffrey Shaman von der Oregon State University in Corvallis und Melvin Kohn vom Oregon Department of Health Services in Portland werteten diese Versuchsdaten jetzt neu aus und entdeckten, dass sowohl die Überlebensrate der Viren als auch die Übertragungseffizienz weniger von der relativen als vielmehr von der absoluten Luftfeuchtigkeit abhängen – ist diese niedrig, scheint sich Influenza besonders wohl zu fühlen.
Die relative Luftfeuchtigkeit gibt das Sättigungsverhältnis der Luft an – also den prozentualen Anteil des tatsächlich vorhandenen Wasserdampfes an der maximal möglichen Gesamtmenge. Durch sie lässt sich zum Beispiel abschätzen, wie schnell sich Tauwasser bzw. Nebel bildet oder wie schnell Verdunstungsvorgänge ablaufen. Die absolute Luftfeuchtigkeit hingegen gibt die Gesamtmenge des Wassers in der Luft an – üblicherweise in Gramm pro Kubikmeter.
Mit ihrem überraschenden Ergebnis glauben Shaman und Kohn nun endlich die Saisonalität der Grippeinfektionen erklären zu können: Denn die absolute Luftfeuchtigkeit ist im Winter sowohl in Innenräumen als auch im Freien besonders niedrig – beste Voraussetzungen für Influenza. Die Sommerluft hingegen fühlt sich wegen ihrer niedrigen relativen Luftfeuchte zwar trockener an, beinhaltet jedoch eine höhere Gesamtmenge an Wasser als die nasskalte Brise eines Wintermorgens – weshalb viele Menschen in der Julihitze vor der Grippe verschont bleiben.
Eine schlüssige Erklärung, warum die Stabilität des Virus mit der absoluten Luftfeuchte variiert, liefern Shaman und Kohn allerdings nicht. Die Forscher führen zudem die größere Infektionsrate im Meerschweinchenexperiment direkt auf eine höhere Überlebensrate der Erreger während des Lufttransports zurück und lassen dabei die Möglichkeit einer verringerten Immunantwort in den Atemwegen der Tiere außer Acht. Vielleicht liegt die Schuld für den winterlichen Erfolg von Influenza eben doch wieder beim Opfer und seinen augetrockneten Schleimhäuten.
Lässt sich das Ergebnis aber bestätigen und der dahintersteckende Mechanismus aufdecken und auf andere Viren übertragen, könnten uns in Zukunft in der Notaufnahme feuchte Bedingungen erwarten – glauben zumindest Shaman und Kohn.
Bis zu diesem Tag bleiben uns jedoch nur die üblichen Methoden, um sowohl uns als auch die Mitmenschen vor Influenza zu schützen: Grippeimpfung, Abstand zu Erkrankten halten, und wenn es einen dann doch erwischt hat, auch mal auf das Taschentuch verzichten. Mit der Alternative, dem Nasehochziehen, hat man zwar nicht Knigge, dafür aber die Medizin und Arthur Schopenhauer auf seiner Seite, der einmal schrieb: "Der Schluck aus der Nase ist die Auster des kleinen Mannes."
Bei der Lösung des großen Grippe-Rätsels "Warum häufen sich Influenzainfektionen im Winter?" spielte diese Fähigkeit bislang nur eine Statistenrolle. Die Vermutungen konzentrierten sich weniger auf den Täter als auf das Opfer und dessen Anfälligkeit. So sollte beispielsweise ein Mangel an Vitamin D das Immunsystem schwächen, da sich durch das spärliche Tageslicht weniger davon in der Haut bildet. Eine andere Theorie ging davon aus, dass das Infektionsrisiko steigt, weil sich Menschen im Winter meist in geschlossenen Räumen aufhalten und sich wegen des engeren Kontakts über Tröpfchen oder Berührungen häufiger gegenseitig anstecken.
Eine Studie aus dem Jahr 2007 rückte schließlich wieder den Verursacher in den Mittelpunkt. Forscher der Mount Sinai School of Medicine in New York fanden in einem Experiment an Meerschweinchen heraus, dass eine geringe relative Luftfeuchtigkeit die Ausbreitung des Virus via Respirationströpfchen begünstigt. Jeffrey Shaman von der Oregon State University in Corvallis und Melvin Kohn vom Oregon Department of Health Services in Portland werteten diese Versuchsdaten jetzt neu aus und entdeckten, dass sowohl die Überlebensrate der Viren als auch die Übertragungseffizienz weniger von der relativen als vielmehr von der absoluten Luftfeuchtigkeit abhängen – ist diese niedrig, scheint sich Influenza besonders wohl zu fühlen.
Die relative Luftfeuchtigkeit gibt das Sättigungsverhältnis der Luft an – also den prozentualen Anteil des tatsächlich vorhandenen Wasserdampfes an der maximal möglichen Gesamtmenge. Durch sie lässt sich zum Beispiel abschätzen, wie schnell sich Tauwasser bzw. Nebel bildet oder wie schnell Verdunstungsvorgänge ablaufen. Die absolute Luftfeuchtigkeit hingegen gibt die Gesamtmenge des Wassers in der Luft an – üblicherweise in Gramm pro Kubikmeter.
Mit ihrem überraschenden Ergebnis glauben Shaman und Kohn nun endlich die Saisonalität der Grippeinfektionen erklären zu können: Denn die absolute Luftfeuchtigkeit ist im Winter sowohl in Innenräumen als auch im Freien besonders niedrig – beste Voraussetzungen für Influenza. Die Sommerluft hingegen fühlt sich wegen ihrer niedrigen relativen Luftfeuchte zwar trockener an, beinhaltet jedoch eine höhere Gesamtmenge an Wasser als die nasskalte Brise eines Wintermorgens – weshalb viele Menschen in der Julihitze vor der Grippe verschont bleiben.
Eine schlüssige Erklärung, warum die Stabilität des Virus mit der absoluten Luftfeuchte variiert, liefern Shaman und Kohn allerdings nicht. Die Forscher führen zudem die größere Infektionsrate im Meerschweinchenexperiment direkt auf eine höhere Überlebensrate der Erreger während des Lufttransports zurück und lassen dabei die Möglichkeit einer verringerten Immunantwort in den Atemwegen der Tiere außer Acht. Vielleicht liegt die Schuld für den winterlichen Erfolg von Influenza eben doch wieder beim Opfer und seinen augetrockneten Schleimhäuten.
Lässt sich das Ergebnis aber bestätigen und der dahintersteckende Mechanismus aufdecken und auf andere Viren übertragen, könnten uns in Zukunft in der Notaufnahme feuchte Bedingungen erwarten – glauben zumindest Shaman und Kohn.
Bis zu diesem Tag bleiben uns jedoch nur die üblichen Methoden, um sowohl uns als auch die Mitmenschen vor Influenza zu schützen: Grippeimpfung, Abstand zu Erkrankten halten, und wenn es einen dann doch erwischt hat, auch mal auf das Taschentuch verzichten. Mit der Alternative, dem Nasehochziehen, hat man zwar nicht Knigge, dafür aber die Medizin und Arthur Schopenhauer auf seiner Seite, der einmal schrieb: "Der Schluck aus der Nase ist die Auster des kleinen Mannes."
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