News: Manchmal steht die Physik Kopf
Sie untersuchten die Bewegung kleiner Plastikperlen mit gleicher Ladung, die sie zuvor systematisch an verschiedenen Positionen innerhalb eines Glasbeckens ausgesetzt hatten. Die Physiker stellten fest, dass die Mikrometer großen Kügelchen sich gerade dann annäherten, wenn sie sich in der Nähe des Glasbodens aufhielten.
Michael Brenner vom Massachusetts Institute of Technology und Todd Squires von der Harvard University fanden heraus, dass offenbar die Bewegung der Kügelchen selbst für die "Anziehung" verantwortlich ist (Physical Review Letters vom 4. Dezember 2000, Abstract). Es handelt sich um einen hydrodynamischen Prozess. Die kleinen Teilchen werden von der negativ geladenen Glaswand des Gefäßes elektrostatisch abgestoßen. Durch die Bewegung entsteht ein Sog, der beide Kügelchen zusammen treiben lässt. Je nachdem welche Wechselwirkung stärker ist – die elektrostatische Abstoßung oder die hydrodynamische Bindung – bewegen sich die Kügelchen voneinander weg oder aufeinander zu.
Squires und Brenner haben das alte Experiment von Gier und Larsen auf dem Computer simuliert und nur einen Parameter offen gelassen – die Ladung der Glasschüssel. Ihre Ergebnisse passen gut zu den experimentellen Befunden. "Dies könnte eine langanhaltende Kontroverse bereinigen", meint Gier, allerdings ist die Funktion des freien Parameters noch unklar.
Leider erklärt die dynamische Betrachtunsweise auch nicht alle Experimente. Forscher haben unter anderem auch viele Versuche zur anormalen Anziehung im Gleichgewichtszustand durchgeführt, bei denen die Teilchen nur noch eine Zitterbewegung – Brownsche Bewegung – um ihre Ruhelage machen. Bei diesen Systemen versagt die neue Theorie zunächst. Nichtsdestotrotz zeigt sich David Weitz von der Harvard University zufrieden: Es handelt sich um "eine sehr einfache, elegante Erklärung", welche die Effekte wesentlich besser zu deuten vermag, als es komplexere Theorien bislang vermocht haben. "Coulomb ist immer noch richtig", ergänzt Weitz.
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