Direkt zum Inhalt

Meeresbiologie: Die Königin der Mantarochen

Vor zehn Jahren begann Andrea Marshall, Mantarochen zu erforschen. Heute ist sie die Mantarochenexpertin schlechthin, die BBC drehte einen Film über sie, "National Geographic" zeichnete sie aus. Worin liegt die Faszination der beeindruckenden Fische, welche Gefahren bestehen für sie? "Spektrum.de" sprach mit der "Queen of Mantas".
Mantarochen

Frau Marshall, "National Geographic" hat Sie dieses Jahr zum "Emerging Explorer" gekürt – warum?

Andrea Marshall | Vor zehn Jahren begann Andrea Marshall, Mantarochen zu erforschen. Heute ist sie die Mantaexpertin schlechthin. Sie gründete die Marine Megafauna Foundation, die sich der Erforschung und dem Schutz der Mantarochen und anderer Meeresbewohner widmet.

Zum einen wegen meiner Forschung – als ich vor rund zehn Jahren anfing, Mantarochen zu studieren, wusste man so gut wie nichts über die Tiere. Zum anderen wegen meiner Bemühungen, sie zu schützen. Ich war maßgeblich daran beteiligt, dass Mantarochen dieses Jahr im Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES gelistet wurden. Und ich engagiere mich vor Ort in Mosambik: Ich habe dort die MMF-Stiftung (Marine Megafauna Foundation) gegründet, und wir erforschen auch Walhaie und Schildkröten. Langfristig wollen wir 300 Kilometer Küste zu einem Meeresreservat machen. Damit das nachhaltig ist, binden wir Einheimische ein, die Überwachung der Küste mit Drohnen ist angedacht.

Wie kamen Sie dazu, Mantarochen zu erforschen?

Seit ich denken kann, wollte ich Haie erforschen. Nach dem Abschluss meines Studiums fuhr ich nach Mosambik, ein Freund von mir hatte mir die Tauchgründe dort empfohlen. Ich traf auf eine ungeheuer reiche Unterwasserwelt und eine der größten Mantarochenpopulationen überhaupt. Bei jedem Tauchgang begegnete ich Mantarochen. Über ihre Biologie war damals kaum etwas bekannt – eine Riesenchance für mich, zumal ich mich auf Anhieb in die Tiere verliebt hatte. Mein Doktorvater willigte allerdings erst einmal nicht ein: Er wollte mich mit 22 Jahren nicht in Mosambik, einem der ärmsten afrikanischen Länder, promovieren lassen. Also startete ich auf eigene Faust eine Pilotstudie.

Was ist so besonders an diesen Fischen?

Sie haben das größte Gehirn aller Fische. Vielleicht verhalten sie sich deswegen nicht wie Fische, eher wie Meeressäuger. Sie schauen einen an, sind neugierig, verspielt, sie interagieren mit Tauchern. Und sie sind so anmutig – sie fliegen durchs Wasser. Ich bin mit Hunderten von ihnen geschwommen und bin jedes Mal aufs Neue hingerissen.

Riffmanta | Der Status des Riffmantas als eigenständige Art war umstritten. Die Forschungsarbeiten von Andrea Marshall bestätigten jedoch, dass es sich um eine eigene Spezies handelt. Womöglich gibt es im Atlantik noch eine dritte Manta-Art, die Ende des Jahres beschrieben werden soll. An den dunklen Flecken auf der Bauchseite lassen sich einzelne Individuen identifizieren.

Sie entdeckten, dass es nicht nur eine, sondern zwei Mantarochenarten gibt – die BBC hat darüber sogar den Film "Queen of Mantas" gedreht. Wie gelang es Ihnen, das wissenschaftlich nachzuweisen?

Mit einer Portion Glück und mehreren Jahren harter Arbeit. Ich hatte schnell erkannt, dass man Mantarochen anhand ihres individuellen Fleckenmusters an der Unterseite identifizieren kann. Dazu fotografierte ich jeden Fisch, dem ich begegnete, und legte eine Datenbank an. Auf diese Weise haben wir 950 Fische in Mosambik identifiziert. Irgendwann fiel mir auf, dass manche der Tiere größer und dunkler waren, dass sie mit den kleineren Mantas nicht interagierten und vor allem, dass sie viel seltener waren als die Kleineren. Ich erzählte Kollegen von meiner Hypothese, wurde aber nicht ernst genommen, um nicht zu sagen ausgelacht. Es dauerte gut sechs Jahre, um ausreichend Daten zu sammeln – Verhaltensbeobachtungen, genetische Proben und morphologische Unterschiede. 2010 bewies ich, dass zwei Mantarochen existieren: Der Riesenmantarochen (Manta birostris) und der kleinere Riffmantarochen (Manta alfredi). Glück hatte ich insofern, dass sich die Verbreitungsgebiete der beiden Arten nur extrem selten überlappen. Mosambik ist einer dieser wenigen Orte, wo beide gesichtet werden können.

Warum gibt es gerade in Mosambik so viele Mantarochen?

Der Küstenabschnitt im Süden Mosambiks ist reich an Plankton und zieht deswegen besonders viele Planktonfresser an: Walhaie und Mantarochen.

Sie waren der erste Mensch, der die Balz dieser Fische beobachtet hat. Können Sie sie beschreiben?

Es ist wie ein Unterwasserballett. Einem Weibchen folgen bis zu 20 Männchen. Schwimmt das Weibchen nach links, schwimmen die Männchen nach links, eines nach dem anderen, kippt es nach rechts, kippen sie nach rechts. Das kann mehrere Stunden dauern. Das Weibchen wählt schließlich einen Freier aus – ihre Kriterien konnte ich bislang allerdings nicht eruieren – und paart sich mit ihm.

Sie haben Riesenmantarochen Satellitensender einpflanzt. Was kam dabei heraus?

Im Gegensatz zu den Riffmantarochen, die eher stationär in der Nähe der Küste leben, ziehen die "Giants" als Ozeanwanderer durch die Weltmeere und legen viele tausend Kilometer zurück.

Was haben Sie noch über die Lebensweise der Tiere herausgefunden?

Mantarochen an der Putzerstation | Mantarochen verbringen viele Stunden am Tag an so genannten Putzerstationen in Küstennähe, wo sie sich Parasiten und abgestorbenes Gewebe abfressen lassen.

Mantarochen verbringen viele Stunden am Tag an so genannten Putzerstationen in Küstennähe – hier begegnet man ihnen auch am ehesten. Sie lassen sich dort Parasiten und abgestorbenes Gewebe abfressen. Mindestens sieben Putzerfischarten haben sich den Mantakörper aufgeteilt: Die einen putzen die Kiemenreuse, andere den Bauch, wieder andere sind auf frische Haibisswunden spezialisiert. Sie schlafen niemals – zumindest nicht so, wie wir es gewohnt sind –, sondern schwimmen ihr Leben lang, vermutlich bis zu 40 Jahre. Und ich habe eine dritte Mantarochenart im Atlantik entdeckt. Das wird wahrscheinlich Ende des Jahres publiziert. Dieses Mal war ich viel schneller als das letzte Mal (lacht).

Mantarochen unterstehen seit diesem Jahr CITES, das heißt, jeglicher Handel mit Mantarochenprodukten ist verboten. Warum sind die Fische bedroht?

Die Mantarochenbestände sind in den letzten Jahren weltweit dramatisch gesunken. Manche verfangen sich in Netzen und ertrinken, aber der größte Teil wird gefangen. Die Kiemenreusen werden unter dem Namen "Peng Yu Sai" in der traditionellen chinesischen Medizin eingesetzt. Ein Kilogramm getrockneter Kiemenreusen erzielt Preise von 500 Euro, und die Nachfrage steigt. Ihre Lebensweise macht es den Fischern besonders leicht: Beim Fressen schwimmen sie häufig in Gruppen nahe der Oberfläche, und sie flüchten beim Anblick eines Bootes nicht. Da Mantarochen erst mit zehn Jahren geschlechtsreif werden und Weibchen meist nur alle zwei bis drei Jahre ein Junges zur Welt bringen, sind sie besonders anfällig für eine Überfischung. Sinken die Populationen unter einen kritischen Schwellenwert, ist die Art massiv gefährdet. Unsere Population in Mosambik ist in den vergangenen zehn Jahren um etwa 80 Prozent zurückgegangen.

Kiemenreuse eines Mantarochens | Blick auf die Kiemenreuse eines Riffmantas: Die Tiere ernähren sich von Plankton.

Was tun Sie noch, um die Fische zu schützen?

Ich versuche, so viele Mitstreiter wie möglich zu gewinnen. Glücklicherweise sind Mantarochen sehr charismatische Tiere. Jeder, der sie einmal gesehen hat, ist von ihnen beeindruckt. Ich habe ein Adoptionssystem gegründet, MMF ist auf Facebook präsent, wir stellen Filme auf Youtube ein, das Interesse der Medien und damit der Öffentlichkeit wächst.

Haben Sie jemals in Erwägung gezogen, Mosambik zu verlassen?

Manchmal. Aber ich kann meine Mantas nicht allein lassen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.