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Epidemiologie: Mapping Malaria

Malaria einzudämmen, gehört zu den großen Zielen in der Gesundheitspolitik. Doch Finanzmittel sind knapp, und um sie sinnvoll einzusetzen, sollten die Hochrisikogebiete möglichst gut bekannt sein. Eine umfassende Datensammlung macht aus diesem Wunsch nun Realität.
Ansteckungsrisiko mit <i>Plasmodium falciparum</i>
1998 startete die Weltgesundheitsorganisation zusammen mit Unicef, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und der Weltbank die Initiative "Roll Back Malaria". Die Vision: Im Jahr 2015 ist diese tropische Geißel der Menschheit besiegt, nicht länger eine der Hauptodesursachen und auch kein Hemmnis mehr für soziale und wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum irgendwo auf der Welt. Die Realität: Noch immer werden jährlich etwa 500 Millionen Fälle gemeldet, ein bis drei Millionen Menschen sterben daran, vor allem in Afrika südlich der Sahara, vor allem Kinder. Die Vision, so scheint es, ist zur Utopie geworden.

Doch hat erfolgreiche Bekämpfung viel mit einer guten Datenbasis zu tun: Welche Gebiete sind besonders stark betroffen? Wo gibt es eventuelle Schwachpunkte in der Übertragung, die sich ausnutzen ließen? Mit welcher Maßnahme erreicht man maximale Effizienz? Da reicht es nicht, grob zu wissen, dass im südlichen Afrika die Bedrohung am größten ist und die Ansteckungsgefahr oberhalb bestimmter Höhengrenzen schwindet, weil die Überträgermücken dort nicht mehr vorkommen.

Simon Hay und Robert Snow vom kenianischen Forschungszentrum für Medizin und ihre Kollegen an den Universitäten von Oxford und Gainsville präsentieren nun als Ergebnis einer wahren Fleißarbeit eine detaillierte Karte des Ansteckungsrisikos mit Plasmodium falciparum, dem Erreger der Malaria tropica. Um diese Übersicht zu erstellen, sammelten sie Aufzeichnungen der nationalen Gesundheitsbehörden zum Auftreten von Malaria der vergangenen Jahre ebenso wie Berichte von Forschern, Angaben in wissenschaftlichen Publikationen oder auch Gesundheitsempfehlungen für Reisende.

Diese Angaben glichen sie mit biologischen Einschränkungen ab: Zum einen berücksichtigten sie, dass die Parasiten nur oberhalb bestimmter Mindesttemperaturen ihren Lebenszyklus in den Anopheles-Mücken erfolgreich beenden können, bevor diese Überträger absterben. Zum anderen ermittelten sie aus globalen Vegetationsdaten jene Gebiete, in denen es schlicht zu trocken für die Mücken ist und die Ansteckungsgefahr für Menschen entsprechend gering.

Ansteckungsrisiko mit Plasmodium falciparum | Auf der globalen Karte des Ansteckungsrisikos mit Plasmodium falciparum, dem gefährlichsten Malariaerreger, lassen sich die feinen Details nur schlecht erkennen. Oben sind die Gebiete gekennzeichnet, in denen ein hohes Risiko herrscht (dunkelrot: mehr als 0,1 Fälle pro tausend Menschen und Jahr, hellrot: weniger als 0,1 Fälle pro tausend Personen und Jahr, grau: keine Ansteckung, dunkelgrau: keine Daten). Berücksichtigt man Temperaturverhältnisse und Trockenheit (unten), verringern sich die Risikogebiete und zeigen ein regional deutlich beschränktes Muster.
Zusammengepackt in einem großen Datenpool, in den noch Hochrechnungen über die Bevölkerungsdichte einflossen, zeigt sich dann ein vielleicht für manchen zunächst überraschendes Bild: Obwohl Malaria als den Globus umspannende Gefahr in den Tropen wahrgenommen wird, so ist sie doch genauer betrachtet in den meisten Gebieten ganz klar regional beschränkt. Einzig in Afrika dehnen sich die Regionen mit hoher Ansteckungsgefahr zum Teil über sehr große Flächen aus. Auch hier gilt jedoch: In weniger als einem Drittel der Gebiete lag die Krankheitshäufigkeit bei mehr als fünfzig Prozent – und diese deckten sich mit dem Verbreitungsgebiet des wichtigsten Überträgers, Anopheles gambiae.

Von den insgesamt 2,37 Milliarden Menschen, die weltweit potenziell durch eine Infektion mit Plasmodium falciparum gefährdet sind, lebt demnach eine Milliarde in Regionen mit einem sehr niedrigen Ansteckungsrisiko. Das weckt die Hoffnung, die Vision der Roll-Back-Malaria-Initiative doch realisieren zu können – mit Hilfe auf der besseren Datenbasis gezielter planbarer Maßnahmen. Die sich zudem weiter füllen wird: Die Informationen sind frei zugänglich und werden ständig aktualisiert, und die Forscher wollen weitere Aspekte einpflegen wie Verstädterung oder die Verbreitungsgebiete weiterer Mückenarten. Auch fehlt bislang ein Überblick zu den anderen Plasmodien, der jedoch weitaus schwieriger aufzuschlüsseln ist, erklären die Forscher: Infektionen mit P. vivax beispielsweise werden in Gebieten, in denen auch P. falciparum vorkommt, in den Gesundheitsstatistiken selten unterschieden, und zur Biologie des Erregers und seiner Überträger ist weniger bekannt.

Wie wichtig eine solche solide Entscheidungshilfe ist, zeigen die Wissenschaftler an einem konkreten Beispiel. Saudi Arabien leistet derzeit einen großen finanziellen Beitrag zur Malariabekämpfung im Nachbarland Jemen. Doch gefährden Flüchtlingsströme aus Somalia, die den Erreger immer wieder aufs Neue einschleppen, womöglich einen langanhaltenden Effekt. Ähnliche Probleme stellen sich in vielen südostasiatischen Staaten. Mit diesem Wissen lassen sich nun die wichtigsten Brennpunkte aufzeigen, an denen Anti-Malaria-Programme einsetzen sollten. Die Erkenntnis, dass das Risiko in vielen Gebieten geringer ist als vermutet, sollte allerdings nicht dazu führen, dass entsprechende Maßnahmen nun ihre Finanzierung verlieren – das wäre ein "Roll back" der schlechtesten Art.

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