Jungfernzeugung: Marmorkrebs-Klone übernahmen Madagaskar in nur einem Jahrzehnt
Marmorkrebse sind seit einigen Jahrzehnten die Lieblingstiere aller, die es sich in Sachen Geschlecht und Fortpflanzung nicht gerne einfach machen und gendertechnisch ungern schwarz-weiß malen: Procambarus virginalis existiert offensichtlich nur als Weibchen, kopuliert nichtsdestotrotz oft und gerne und vermehrt sich über viele Generationen hinweg problemlos per asexueller Jungfernzeugung. Außerdem verfügen die Krebse über drei statt der üblichen zwei Chromosomensätze und überhaupt eine ziemlich bemerkenswerte genetische Ausstattung, wie nun Frank Lyko vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und seine Kollegen in "Nature Ecology & Evolution" zusammenfassen.
Die Marmorkrebse sind vor recht kurzer Zeit aus der in freier Wildbahn eigentlich nordamerikanischen Vorgängerspezies Procambarus fallax hervorgegangen: Offenbar haben sich einige in deutschen Aquarien gehaltene Exemplare nach epigenetischen Modifikationen verändert und ein drittes Chromosomenpaar hinzugewonnen. Einige in die Freiheit entkommene Tiere vermehrten sich dann durch Parthenogenese; schließlich besiedelten die Klonnachkommen dann allmählich Ökosysteme auf der ganzen Welt.
Lyko und Kollegen haben nun das rund 3,5 Gigabasenpaare lange, rund 21 000 Gene umfassende Genom von elf einzelnen Krebsen analysiert, die an verschiedenen Teilen der Welt eingesammelt oder im Tierhandel bestellt wurden. Zum Vergleich zogen sie auch das Erbgut von Procambarus fallax und von verwandten Spezies heran. Zunächst bestätigte dieser Erbgutvergleich, was die Wissenschaftler schon erwartet hatten: Das Genom der einzelnen Marmorkrebse – allesamt Klone der einst 1995 in deutschen Aquarien heimischen Urahnen – erwies sich als nahezu identisch. Allerdings tragen die Tiere stets einen von zwei unterscheidbaren Varianten des Chromosomensatzes. Offensichtlich waren demnach wohl mindestens zwei Tiere der Vorläuferart P. fallax Ahnen aller heutiger Exemplare von P. virginalis.
Anhand der wenigen, im Verlauf von nur wenigen Jahren zufällig eingestreuten minimalen Veränderungen im Genom von Tieren aus Madagaskar lässt sich zudem abschätzen, wie rasch die Population der invasiven Art wachsen kann: Es haben sich auf der Insel wenige Pioniere in rund zehn Jahren so stark vermehrt, dass mittlerweile Millionen von Marmorkrebsen die Habitate der Insel bevölkern dürften. Der regionale, aber auch weltweite Erfolg der Tiere scheint dabei völlig unabhängig von der genetischen Ausstattung zu sein, die ja im Wesentlichen stets gleich ist – offenbar entscheiden epigenetische Modifikationen bei den Marmorkrebsen bedeutend darüber, wo und wie erfolgreich sie sich als invasive Art einnischen können.
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