News: Maskierte Kultur
Im Artikel "Women's Masks and the Power of Gender in Mande History" berichtet Peter Weil, Professor für Anthropologie an der University of Delaware, über die Maskierungen der Malinke-Frauen aus Bantunding, einer früheren Hauptstadt des Mande-Staates Wuli im Gebiet von Gambia und Senegal (Sonderausgabe von African Arts).
"Der Herstellung von Masken und ihre Verwendung bei Vorführungen stellt aus historischer Sicht einen sehr wichtigen Aspekt der kreativen Künste afrikanischer Kulturen dar. Dazu zählen das Entwerfen und die eigentliche Produktion der Masken, Glaubensvorstellungen über Masken und deren Bedeutungen sowie die Handlungen der jeweiligen Maskenträger", erklärt Weil, dessen Forschungsbereich die Formen öffentlicher Kunst und politische Prozesse in komplexen Gesellschaften beschreibt.
Zuvor, so Weil, waren in den einzigen gut bekannten Fällen von maskierten Frauen, diese Masken von Männern hergestellt. Weils Forschung über die Malinke-Frauen ist dagegen der erste Bericht über Frauen, die selbst produzierte Masken tragen.
Bei früheren Forschungsarbeiten wurden bereits Frauen der Gesellschaften der westafrikanischen Küste dokumentiert, die sich maskierten, indem sie ihre Körper bemalten. Weils Arbeit zeigt indes, daß Frauen in einigen Fällen Zugang zu Materialien zur Konstruktion von Masken hatten. Bisher hatte man angenommen, daß sie nur von Männern verwandt wurden. "Die zur Maskenherstellung genutzten Materialien drücken die kulturelle Bedeutung der jeweiligen Masken aus und werden deshalb stets als bedeutend angesehen", erklärt er.
Ferner zeigt Weils Forschung, daß die Maskenproduktion bei den Malinke-Frauen Teil eines Initiierungssystems war – ein Verhalten, das man früher für die Domäne afrikanischer Männer gehalten hatte –, und die Völker glaubten, die Masken würden ihren Träger durch eine oder mehrere mystische Kräfte umwandeln (wiederum eine Macht, von der man zuvor annahm, sie würde ausschließlich Männern offenstehen).
"In afrikanischen Kulturen sind Politik und politische Macht in viele unterschiedliche Aspekte des täglichen Lebens integriert, wozu auch religiöser Glaube und rituelle Verhaltensweisen zählen", sagt Weil. "Wenn ausschließlich Männer einen so wichtigen Teil der mystischen Macht durch Masken und die Verwandlungsrituale, in denen die Masken eine Rolle spielen, kontrollieren, dann verfügen die Männer auch über den Hauptanteil der politischen Macht. Haben jedoch beide Geschlechter die Kontrolle über diese Macht, so zeigt dies, daß die wichtigsten Einflußquellen in der Mande-Gesellschaft – und wahrscheinlich auch in anderen afrikanischen Gesellschaften – gleichmäßiger verteilt waren, als wir es früher dachten."
"Dies bedeutet, daß wir, die Gelehrten, unsere Theorien über das politische Verhalten und die Geschlechterrolle in afrikanischen Gesellschaften sowie die Geschichte dieses Verhaltens neu untersuchen müssen", erläutert Weil.
Außerdem müssen die Gelehrten auch ihre Theorie, der zufolge Männer in komplexen Gesellschaften immer einen bevorzugten Zugang zu der im öffentlichen Interesse genutzten Macht hatten, neu überdenken: Die im Artikel beschriebenen Masken der Malinke-Frauen entwickelten sich über einen Zeitraum von mehr als 400 Jahren im Kontext der Geschichte dieses Staates.
Insbesondere schreibt Weil über die Maskierung von Frauen, die er zuerst bei einer im Rahmen einer Feldforschung unternommenen Reise zum Gambia-Volk in den 70er Jahren beobachtet hatte und die sich während seiner Forschung bei Besuchen in den nächsten 20 Jahren immer weiter entwickelte. Die zehn unterschiedlichen Masken, hergestellt durch eine kreative Verknüpfung von Tüchern, tragen Namen wie Elephantenmutter, Leopardenjunges, Landschildkröte und Strauß und sind so detailreich wie die Rituale selbst, bei denen sie getragen werden. Auch die Beziehung zum Kastensystem der Frauen wird beschrieben sowie ihre geschichtliche Evolution und ihr letztendliches Verschwinden bzw. ihre modifizierte Umwandlung in Kinderspiele.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
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