News: Massenbestimmung der lichtschwächsten Sterne
Die kürzlich gelungene Messung der äußerst geringen Masse zweier sehr lichtschwacher Sterne wird es den Astronomen ermöglichen, ihre Modelle für Aufbau und Eigenschaften der schwächsten Sterne empirisch zu überprüfen und damit auch die Grenze zwischen schwachen Sternen und Braunen Zwergen genauer zu ziehen. Braune Zwerge sind sternähnliche Himmelskörper, welche die zum Stern-Sein erforderliche Mindestmasse von etwa sieben Prozent der Sonnenmasse nicht aufbringen. Wegen dieses Mangels sind sie nicht in der Lage, die hauptsächliche Energiequelle der Sterne anzuzapfen: die Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium. Sie sind ein Zwischending zwischen den echten Sternen und den Planeten.
Die schwachen, vergleichsweise kühlen Sterne stellen zahlenmäßig bei weitem die größte Gruppe unter den Sternen unseres Sternsystems, der Milchstraße, dar. Sie tragen auch den größten Anteil zu seiner Masse bei. Ihre Atmosphären sind so kühl, dass sich in ihnen Moleküle und sogar Staubkörner bilden können. Diese – physikalisch gesehen – etwas unübersichtliche Lage führt zu großen Schwierigkeiten in ihrem Verständnis. Deshalb ist gerade bei den schwächsten Sternen die empirische Bestimmung einer so grundlegenden Eigenschaft wie der Masse besonders bedeutsam, bietet sie doch die Möglichkeit, die Richtigkeit der verwendeten Modelle zu überprüfen. Seit der Entdeckung der Braunen Zwerge vor fünf Jahren kommt dem auch grundsätzlichere Bedeutung zu: Nur richtige Modelle erlauben es, aufgrund der äußerlich beobachtbaren Eigenschaften zwischen Sternen und Braunen Zwergen zuverlässig zu unterscheiden.
Eine direkte Bestimmung der Masse von Sternen ist nur in Doppelsternsystemen möglich, wo sie sich mit Hilfe des dritten Keplerschen Gesetzes aus Abstand und Umlaufzeit berechnen lässt. Die masseärmsten Sterne haben aber eine so geringe Leuchtkraft, dass diese Untersuchungen nur möglich sind, wenn solche Sternpaare in der nächsten Sonnenumgebung gefunden werden. Massenbestimmungen für die schwächsten Sterne blieben deshalb Mangelware.
Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg ist es jetzt in Zusammenarbeit mit anderen deutschen und israelischen Kollegen gelungen, die beiden bisher geringsten Sternmassen empirisch zu bestimmen. Bei der Suche nach Doppelsternen unter sonnennahen Sternen stießen sie 1993 an der Grenze des Sternbilds Walfisch auf einen sehr lichtschwachen Stern mit der Katalognummer LHS 1070. Dieser wird seinerseits von einem engen Doppelstern mit noch deutlich lichtschwächeren Komponenten umkreist. An Teleskopen auf dem Calar Alto in Südspanien und auf La Silla in Chile verfolgten die Wissenschaftler den Bahnumlauf dieses Doppelsterns im Dreifachsystem. Mit der besonderen Technik der "Speckle-Interferometrie" konnten sie eine Genauigkeit der einzelnen Positionsmessungen von weniger als 1/200 Bogensekunde erreichen. Auf dem Mond würde das einer Strecke von knapp zehn Metern entsprechen.
Als die Wissenschaftler im Jahr 2000 etwa den halben Bahnumlauf des Doppelsterns beobachtet hatten, konnten sie erstmals die Massen seiner beiden Komponenten bestimmen. Es ergaben sich für beide dieser äußerst lichtschwachen Sterne Werte von sieben bis acht Prozent der Sonnenmasse. Damit sind sie nur etwa 80-mal so schwer wie der Planet Jupiter und gehören zu den masseärmsten Sternen überhaupt. Die verbleibende Unsicherheit der Massen rührt daher, dass die Entfernung dieses Sternsystems, die hier in die Bestimmung der Massenwerte eingeht, bisher nicht mit der heute möglichen Genauigkeit gemessen werden konnte. Deshalb ist es nicht völlig auszuschließen, dass es sich bei den beiden Komponenten des Doppelsterns doch noch um Braune Zwerge handelt. Aber wie auch immer das Ergebnis genauer Entfernungsmessung lauten wird, Stern oder Brauner Zwerg, in jedem Fall werden diese Beobachtungen eine wichtige Prüfung der Modelle für die kleinsten Sterne liefern, und gerade für den kritischsten Übergangsbereich zu den Braunen Zwergen hin.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.