Direkt zum Inhalt

Materialphysik: Nano-Amboss schmiedet Metalle zu atomdünnen Schichten

Ein chinesisches Forschungsteam hat einen trickreichen Weg gefunden, Metallplatten herzustellen, die nur wenige Atomlagen dünn sind. Sie haben merkwürdige physikalische Eigenschaften.
Eine Nahaufnahme einer wellenförmigen Oberfläche mit einem schimmernden, metallischen Aussehen. Die Oberfläche zeigt ein Muster aus kleinen Punkten, die in einem regelmäßigen Raster angeordnet sind. Die Farben wechseln zwischen leuchtendem Lila, Rosa und Blau. Lichtreflexionen verstärken den glänzenden Effekt.
Stoffe, die nur noch aus wenigen Atomlagen bestehen, verhalten sich physikalisch mitunter völlig anders als das Ursprungsmaterial. Das gilt auch für Metalle.

Althergebrachte Schmiedetechniken haben chinesische Fachleute zu einer neuartigen Nanofertigungsmethode inspiriert. Sie haben damit Metallplatten hergestellt, die nur wenige Atome dünn sind. Solche gleichsam zweidimensionalen Materialien haben außergewöhnliche physikalische Eigenschaften, und diese dürften sich an den Nanoblechen nun besser als zuvor untersuchen lassen. Die Methode funktioniert bereits bei diversen Metallen mit einem niedrigen Schmelzpunkt. Das Forschungsteam stellte so Platten aus Bismut, Gallium, Indium, Blei und Zinn her, wie es in einer Veröffentlichung im Fachmagazin »Nature« verkündete.

Der Nanomaterialforscher Javier Sanchez-Yamagishi von der University of California in Irvine vergleicht die Leistung mit der ersten Herstellung von Graphen, einer atomdünnen Schicht aus Kohlenstoff. »Diese Entwicklung ist erst der Anfang«, sagt er. »Jetzt können andere Teams darauf aufbauen und die Eigenschaften solcher Metallbleche untersuchen.«

Physikalisch gesehen unterscheiden sich zweidimensionale Schichten erheblich von dickeren Brocken desselben Materials. So hat Graphen zwar chemisch betrachtet die gleiche Zusammensetzung wie das von Bleistiftminen bekannte Graphit, aber es ist beispielsweise mechanisch belastbarer und leitet Wärme und Strom besser. Seit den ersten Untersuchungen von Graphen im Jahr 2004 haben Fachleute viele weitere atomdünne Materialien hergestellt. Graphen sowie die meisten anderen zweidimensionalen Stoffe werden jedoch gewonnen, indem man sie als feinste Schichten von kristallinen Materialien abträgt. »Wie bei einem Buch kann man eine einzelne Seite als zweidimensionales Blatt heraustrennen«, erklärt Nanophysiker Guangyu Zhang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking, aus dessen Arbeitsgruppe die neue Veröffentlichung stammt.

Metalle haben jedoch keine solche Struktur aus abschälbaren Lagen, und bislang waren die meisten Versuche gescheitert, daraus ultradünne Schichten herzustellen. Immerhin ließen sich manchmal kleine Fetzen erzeugen. So hat ein Forschungsteam im Jahr 2024 eine Methode vorgestellt, mit der Hunderte von Nanometern breite, nur wenige Atome dünne Goldplättchen entstehen. Bei anderen Techniken scheiden sich verdampfte Metallatome als dünne Schichten auf einer Oberfläche ab.

Derartige Materialien anschließend eingehend zu untersuchen, ist jedoch schwierig, da sich die Metallatome fest an ihre Unterlage binden. So lassen sich ihre Eigenschaften kaum von Einflüssen des Oberflächenmaterials unterscheiden. Zweidimensionale Metallschichten sind außerdem instabil: Metallatome verklumpen leicht zu Nanopartikeln, und an der Luft oxidieren die ultradünnen Schichten. Deswegen ließen sie sich bisher nur in Vakuumkammern und mit einer begrenzten Anzahl von Techniken untersuchen.

Von antikem Handwerk zur Nanoschmiede

Zu seiner neuen Technik hat sich Zhang ursprünglich von einer Dokumentation über das Schmieden von Kupfer inspirieren lassen. Bei der traditionellen Herstellung von Kupferblechen wird das Metall in einem Ofen erhitzt und dann auf einem großen Amboss flach getrieben.

Zhangs Team benötigte allerdings sieben Jahre, um das Konzept auf die Nanoskala zu übertragen. Die größte Herausforderung bestand darin, einen ausreichend flachen Amboss zu finden, um die Metallschichten darauf ebenmäßig und ausreichend dünn zu hämmern. Die Fachleute wählten schließlich das sehr harte Material Saphir und beschichteten es mit Molybdändisulfid (MoS2), das atomar flach ist.

Da Molybdändisulfid mit Metall stärker wechselwirkt, entstand ein MoS2-Metall-MoS2-Sandwich

Um schließlich ein ultradünnes Blech herzustellen, erhitzte das Team zwischen zwei derartigen Ambossen aus Saphir einen Tropfen des gewünschten Metalls. Während dessen Abkühlung drückten die Ambosse immer fester zusammen. Da Molybdändisulfid mit Metall stärker wechselwirkt als mit Saphir, entstand so ein Sandwich aus MoS2-Metall-MoS2-Blättchen, das sich anschließend leicht aus der Apparatur entnehmen ließ.

Mit dieser Technik stellte das Team atomdünne Metallplatten mit etwa 100 bis 200 Mikrometer Breite her – eine imposante Größe für ein derart fragiles Material. Die Forschungsgruppe konnte die elektrische Leitfähigkeit ihres atomaren Sandwiches untersuchen, indem sie es auf extrem tiefe Temperaturen abkühlte. Dadurch wurde das MoS2 zu einem Isolator und wirkte sich bei den Messungen nicht aus.

Zhang zufolge hat sich das Team zunächst eingehend mit Bismut beschäftigt, weil theoretisch vorausgesagt worden war, dass eine atomdünne Schicht einzigartige Eigenschaften haben würde, die für zukünftige elektronische Anwendungen interessant sein könnten. Die ultradünne Schicht aus Bismut hatte laut Zhang eine »überraschende« Leitfähigkeit, zehnmal höher als bei normalem Bismut. Außerdem deutete ihre starke Wechselwirkung mit einem elektrischen Feld darauf hin, dass sie in Transistoren nützlich sein könnte, also in den elektronischen Schaltungen, auf denen unsere Digitalgeräte basieren.

Elektroingenieur Eric Pop von der Stanford University in Kalifornien betont, dass die Forschung an ultradünnen Metallblechen noch viele Hürden zu nehmen hat, bevor erste Anwendungen möglich werden. Dazu gehört der Nachweis, dass sie bei den für die Herstellung von Chips erforderlichen hohen Temperaturen stabil sind. Er hält aber bereits die Erkenntnis für spannend, »dass Metalle in diesem Grenzbereich existieren können«.

Obwohl sich Zhang von Kupferschmiedetechniken inspirieren ließ, haben er und sein Team noch keine ultradünnen Kupferbleche hergestellt. Der Schmelzpunkt des Metalls ist zu hoch für die derzeitige Bauweise ihres Nanoambosses. Sie arbeiten jedoch an einem neuen Design, mit dem sie hoffen, die Technik auf Metalle mit Schmelzpunkten von mehr als 500 Grad Celsius zu erweitern.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

  • Quellen
Zhao, J. et al.: Realization of 2D metals at the ångström thickness limit. Nature 639, 2025

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.