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Kombinatorik: Mathematische Überraschung beim Schach

Ein Springer bewegt sich schneller über das Schachbrett als ein König. Aber wie viel schneller? Die Antwort hängt erstaunlicherweise mit den Fibonacci-Zahlen zusammen.
Schachfiguren auf einem Brett: Der weiße König ist gefallen
Mathematiker interessieren sich für das Schachspiel – nicht nur, um optimale Strategien auszutüfteln.

Seit mehr als 1500 Jahren spielen Menschen Schach. Ziel des strategischen Spiels ist es, den König des Gegenspielers so anzugreifen, dass weder Abwehr noch Flucht möglich ist. Der Mathematiker Christian Táfula Santos von der University of Montreal interessierte sich jedoch nicht für die beste Strategie, um das Spiel zu gewinnen. Er widmete sich während seiner Doktorarbeit vielmehr einer auf den ersten Blick kurios anmutenden Frage: Um wie viel schneller bewegt sich ein Springer über das Schachbrett als ein König?

Ein König kann sich in jede Richtung bewegen, allerdings darf er dabei bloß ein Feld zurücklegen. Springer hingegen machen charakteristische L-förmige Sprünge, bei denen sie ein Feld in eine beliebige Richtung und dann zwei Felder in eine senkrecht dazu stehende Richtung (oder umgekehrt) beschreiten. Mit einem Zug erreicht man mit einem Springer also ein Feld, für das mit dem König mindestens zwei Züge nötig sind. Man könnte also meinen, dass sich ein beliebiges Feld auf dem Schachbrett doppelt so schnell mit einem Springer erreichen lässt wie mit einem König. Doch Táfula Santos hat in einer noch nicht begutachteten Arbeit gezeigt, dass das nicht stimmt: Tatsächlich ist ein Springer bloß 2413 ≈ 1,85-mal schneller als ein König.

Für Mathematikerinnen und Mathematiker ist nicht das Ergebnis an sich spannend, sondern eher die Methoden, die Táfula Santos zu diesem führten. »Die Arbeit stellt Verbindungen zwischen verschiedenen Zweigen der Mathematik her, darunter Zahlentheorie, Geometrie und Kombinatorik «, sagte Táfula Santos.

Wie so oft in der Mathematik ließ sich die Aufgabe nicht direkt lösen. Das Ergebnis purzelte stattdessen als Spezialfall eines allgemeineren Problems heraus. Táfula Santos widmete sich zunächst einem unendlich großen Schachbrett, das also nicht durch bloß acht mal acht Felder begrenzt ist. Darauf untersuchte er die Spielzüge eines »Superspringers«, der pro Zug a Felder in die eine und b Felder in die dazu senkrechte Richtung geht. Er ließ dabei lediglich Werte von a und b zu, die teilerfremd sind und deren Summe ungerade ist – also zum Beispiel a = 2 und b = 1 wie beim herkömmlichen Schachspiel.

Der goldene Schnitt im Schach

Falls beispielsweise a = 2 und b = 3, dann ist der Superspringer 9031-mal schneller als der König, fand Táfula Santos heraus. Insbesondere erkannte der Mathematiker ein spannendes Muster, wenn a und b zwei aufeinander folgende Zahlen aus der Fibonacci-Folge sind. Diese Folge entsteht, indem man die zwei vorigen Folgenglieder miteinander addiert: 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13 und so weiter. Ein Superspringer mit dem a = n-ten und b = n+1-tem Glied der Fibonacci-Folge ist demnach φ-mal so schnell wie ein Superspringer mit dem a = n+1-ten und b = n+2-tem Glied der Fibonacci-Folge, wobei φ dem goldenen Schnitt entspricht und einen Wert von zirka 1,618 hat.

»Mein Forschungsprojekt geht über das Schachbrett hinaus«Christian Táfula Santos, Mathematiker

Während seiner Untersuchung erkannte Táfula Santos auch, warum ein normaler Springer nicht doppelt so schnell ist wie ein König. Entlang diagonaler Pfade ist der Springer meist sehr langsam, da er diese Felder nicht direkt erreichen kann – ein König kann auf diesen Diagonalen an Geschwindigkeit fast mithalten.

Die Arbeit liefert aber nicht nur Erkenntnisse über das Schachspiel. »Mein Forschungsprojekt geht über das Schachbrett hinaus«, sagte Táfula Santos. »Es eröffnet Perspektiven für die Untersuchung anderer Objekte und Bewegungen in Räumen mit mehr als zwei Dimensionen.«

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