Vererbungslehre: Maus will nicht so wie Mendel will
In der Regel wird dem Nachwuchs das Genom gerecht zugeteilt. Eine Portion des genetischen Erbes stammt von der Mutter, die andere vom Vater. Aber wenn es denn noch ein bisschen mehr sein darf? Dann kann das zusätzliche Erbgut nicht nur informieren, sondern auch stören.
Zum Glück, Gregor Mendel hatte einen grünen Daumen. Und er wusste ihn auch zu benutzen. So gelang es ihm im Jahr 1866 mit Kreuzungsexperimenten an Erbsen, die nach ihm benannten Regeln der Vererbung aufzustellen. Mendel erklärte, wie das Erbgut der Elterngeneration bei der Fortpflanzung auf die Nachkommen verteilt und dabei neu kombiniert wird. Dabei ging Mendel davon aus, dass das vererbte Genom in den wachsenden Pflanzen nicht mehr verändert wird.
Einmal vererbt, stehen nach Mendel die Gene wie in Stein gemeißelt. So einfach hätte es sein können, doch Mendel wird von der Pflanzenwelt verraten. Vor mehreren Jahrzehnten wurde bei der Maispflanze die "Paramutation" beobachtet, ein Phänomen bei dem das Genom in der sich bereits entwickelnden Pflanze modifiziert wird – also von wegen in Stein gemeißelt. Bei der Paramutation wird ein Allel, eine der doppelt vorhandenen Genvarianten, von dem anderen Allel verändert. Genauer: Allel X wird umgebaut, wenn es mit dem Allel x bei der Kreuzung aufeinandertrifft, es wird zu X*. Dabei bleibt das Erbgut in seinen Bausteinen erhalten, es wird lediglich anders verpackt – das Chromatingerüst wird umstrukturiert oder einzelne DNA-Bausteine werden chemisch verändert.
Doch nicht nur die Pflanzen umgehen Mendel, auch die Maus verstößt gegen das strenge Regelwerk des Genetikers. François Cuzin von der Universität in Nice entdeckte mit seinen Kollegen nun eine Paramutation in einem Mäusegen, dem kit-Gen. Dieses Gen brauchen die Nager, um sich vollständig entwickeln zu können. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Paramutation nicht zufällig, sondern zielgerichtet stattgefunden hatte, nämlich bei der meiotischen Zellteilung der Mäuse, die ursprünglich ein funktionsfähiges und ein defektes kit-Gen vererbt bekommen hatten – also die Merkmalskombination Kit+/Kit-. Offensichtlich hat das defekte Gen aber irgendwie den Umbau des gesunden kit-Gens zum paramutierten kit*-Gen in die Wege geleitet – und das bei fast allen Mäusen der Generation. Ganz unbeschadet kamen die mischerbigen Mäuse mit diesem fehlerhaft veränderten Gensatz dann auch nicht davon. Sie entwickelten sich gestört und hatten weiße Flecken auf ihren Füßen und am Schwanzende. Wäre Mendel noch am Leben, würde er sich nun wahrscheinlich verblüfft zurücklehnen – die Sache mit der Paramutation müsste er sicher erst mal auf sich wirken lassen.
Paramutation führt zu merkwürdigen Vererbungsvorgängen, zeigten die Forscher mit ihren Mäusen: gekreuzte Kit+/Kit- Mäuse produzieren, ganz un-mendelisch, fast ausschließlich fleckige Tiere. Nach der reinen Lehre hätten die gesunden gleicherbigen Kit+/Kit+ Mäuse keine Flecken haben dürfen. Den Grund dafür konnte Cuzin mit seinen Kollegen weiter eingrenzen: der paramutierte Zustand des kit*-Gens wurde auf die Nachkommen vererbt. Überraschenderweise nicht in Form von DNA, sondern in der von RNA.
Die Wissenschaftler zeigten, dass deutlich weniger Geninformation durch das veränderte kit*-Gen der mischerbigen Nager in reife Boten-RNA umschrieben werden konnte. Zusätzlich hatten sich unnatürlich große kit-RNA-Moleküle in den Mäusen zusammengelagert. Diese RNA-Trauben wurden offensichtlich in die Keimzellen der männlichen und weiblichen mischerbigen Mäuse transportiert – zumindest in den Spermien konnten die Forscher die RNA-Moleküle auch nachweisen. Die vererbte RNA funkt dann irgendwie in den sich entwickelnden Jungtieren beim Ablesen des intakten kit-Gens dazwischen, sodass weniger Eiweiß produziert wird.
Die RNA scheint also ein Verwandlungskünstler bei Mäusen: Hier ist sie Bote, schlechtes Erbe und Störenfried der Zellfunktion. Vielleicht wäre wirklich alles anders gekommen, hätte sich der Augustinermönch den Mäusen zugewendet. Ob der Vater der Genetik erahnen konnte, wie vielseitig die Natur vererbt?
Einmal vererbt, stehen nach Mendel die Gene wie in Stein gemeißelt. So einfach hätte es sein können, doch Mendel wird von der Pflanzenwelt verraten. Vor mehreren Jahrzehnten wurde bei der Maispflanze die "Paramutation" beobachtet, ein Phänomen bei dem das Genom in der sich bereits entwickelnden Pflanze modifiziert wird – also von wegen in Stein gemeißelt. Bei der Paramutation wird ein Allel, eine der doppelt vorhandenen Genvarianten, von dem anderen Allel verändert. Genauer: Allel X wird umgebaut, wenn es mit dem Allel x bei der Kreuzung aufeinandertrifft, es wird zu X*. Dabei bleibt das Erbgut in seinen Bausteinen erhalten, es wird lediglich anders verpackt – das Chromatingerüst wird umstrukturiert oder einzelne DNA-Bausteine werden chemisch verändert.
Doch nicht nur die Pflanzen umgehen Mendel, auch die Maus verstößt gegen das strenge Regelwerk des Genetikers. François Cuzin von der Universität in Nice entdeckte mit seinen Kollegen nun eine Paramutation in einem Mäusegen, dem kit-Gen. Dieses Gen brauchen die Nager, um sich vollständig entwickeln zu können. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Paramutation nicht zufällig, sondern zielgerichtet stattgefunden hatte, nämlich bei der meiotischen Zellteilung der Mäuse, die ursprünglich ein funktionsfähiges und ein defektes kit-Gen vererbt bekommen hatten – also die Merkmalskombination Kit+/Kit-. Offensichtlich hat das defekte Gen aber irgendwie den Umbau des gesunden kit-Gens zum paramutierten kit*-Gen in die Wege geleitet – und das bei fast allen Mäusen der Generation. Ganz unbeschadet kamen die mischerbigen Mäuse mit diesem fehlerhaft veränderten Gensatz dann auch nicht davon. Sie entwickelten sich gestört und hatten weiße Flecken auf ihren Füßen und am Schwanzende. Wäre Mendel noch am Leben, würde er sich nun wahrscheinlich verblüfft zurücklehnen – die Sache mit der Paramutation müsste er sicher erst mal auf sich wirken lassen.
Paramutation führt zu merkwürdigen Vererbungsvorgängen, zeigten die Forscher mit ihren Mäusen: gekreuzte Kit+/Kit- Mäuse produzieren, ganz un-mendelisch, fast ausschließlich fleckige Tiere. Nach der reinen Lehre hätten die gesunden gleicherbigen Kit+/Kit+ Mäuse keine Flecken haben dürfen. Den Grund dafür konnte Cuzin mit seinen Kollegen weiter eingrenzen: der paramutierte Zustand des kit*-Gens wurde auf die Nachkommen vererbt. Überraschenderweise nicht in Form von DNA, sondern in der von RNA.
Die Wissenschaftler zeigten, dass deutlich weniger Geninformation durch das veränderte kit*-Gen der mischerbigen Nager in reife Boten-RNA umschrieben werden konnte. Zusätzlich hatten sich unnatürlich große kit-RNA-Moleküle in den Mäusen zusammengelagert. Diese RNA-Trauben wurden offensichtlich in die Keimzellen der männlichen und weiblichen mischerbigen Mäuse transportiert – zumindest in den Spermien konnten die Forscher die RNA-Moleküle auch nachweisen. Die vererbte RNA funkt dann irgendwie in den sich entwickelnden Jungtieren beim Ablesen des intakten kit-Gens dazwischen, sodass weniger Eiweiß produziert wird.
Die RNA scheint also ein Verwandlungskünstler bei Mäusen: Hier ist sie Bote, schlechtes Erbe und Störenfried der Zellfunktion. Vielleicht wäre wirklich alles anders gekommen, hätte sich der Augustinermönch den Mäusen zugewendet. Ob der Vater der Genetik erahnen konnte, wie vielseitig die Natur vererbt?
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